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Komplementäre Pflegemaßnahmen Von Arnikaessenz bis zur Zwiebelauflage

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Arnikaessenz kann unter anderem unterstützend bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden. Arnikaessenz kann unter anderem unterstützend bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden. © Magiurg – stock.adobe.com
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Leitlinien zu chronischen Schmerzen betonen die Bedeutung nicht-medikamentöser Therapien. Äußere Maßnahmen wie Wickel, Auflagen und Einreibungen sind risikoarm und effektiv. Sie können von den Patienten selbst angewandt werden und stärken daher deren Selbst­wirksamkeit.

Derzeit werden Patienten mit chronischen Schmerzen in erster Linie medikamentös behandelt. Insbesondere bei älteren, multimorbiden Menschen, die eine Vielzahl an Arzneimitteln einnehmen, kann das infolge unerwünschter Arzneimittelwirkungen und Interaktionen zu Problemen führen. Diese Schmerzpatienten profitieren häufig von komplementärmedizinischen Maßnahmen, mit denen sich die Phamakotherapie sinnvoll ergänzen lässt, schreiben Regina­ Stolz­ vom Universitätsklinikum Tübingen und Kollegen.

Sie haben eine Übersicht zu evidenzbasierten naturheilkundlichen Pflegeinterventionen in der Schmerztherapie mit Fokus auf äußere Anwendungen publiziert. Darin stellen die Autoren unter anderem drei wichtige Forschungsprojekte vor, in denen die Ergebnisse randomisierter Studien bzw. systematischer Literaturrecherchen mit den praktischen Erfahrungen von Experten aus verschiedenen Fachrichtungen zusammengeführt wurden.

Mundspülungen mit Öl aus Sanddorn gegen Mukositis

Die randomisierte, kontrollierte Studie „Complementary Nursing in Gynaecologic Oncology“ (CONGO­) lief von 2014 bis 2016 und wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Teilgenommen hatten 251 Frauen mit gynäkologischen Krebserkrankungen. Pflegefachkräfte, Ärzte und Psychologen hatten für CONGO­ insgesamt 37 äußere Anwendungen zur Therapie von typischen Beschwerden bei einer Chemotherapie ausgewählt und standardisierte Schemata zur Durchführung erarbeitet. Ein Beispiel ist die Mundspülung mit einem entzündungshemmenden und schmerzstillenden Öl der Sanddornfrucht zur Prävention und Therapie einer Mukositis.

Gängige Hausmittel dienen als persönliche Kraftquelle 

In den Jahren 2019 und 2020 wurde die ebenfalls BMBF-geförderte Studie „Holistic Care Program to Integrate Spiritual Needs, Social Activity­ and Self-Care into Disease Management of Elderly Patients in Primary Care“ (HoPES3) durchgeführt. In ihr wurde untersucht, wie herkömmliche Hausmittel sowie das Erschließen persönlicher Kraftquellen die Versorgung älterer, chronisch kranker Patienten verbessern können. 

Auf Basis einer Literaturrecherche und einer online durchgeführten Befragung von Pflegeexperten entstand ein Katalog von empfehlenswerten naturheilkundlichen Pflegeinterventionen bei gängigen Beschwerden älterer Menschen. Ein weiteres Ergebnis sind bebilderte Anleitungen für den Einsatz von 17 Hausmitteln. Eines dieser sogenannten Infozepte beschreibt etwa die Anwendung von Kohlauflagen bei Knieschmerzen.

Tumorpatienten wählten ihre Pflegemaßnahmen frei aus

Das dritte Forschungsprojekt, über das die Autoren berichten, ist die „Implementierung eines sektoren­übergreifenden, interprofessionellen Programms zur evidenzbasierten Beratung von Krebspatient:innen im Bereich Komplementäre Medizin und Pflege (KMP) an Comprehensive Cancer Centers (CCCs) in Baden-Württemberg“, CCC-Integrativ). Es lief von 2019 bis 2022 und wurde durch den Innovationsfonds gefördert.

Nach einer individuellen Beratung konnten sich die Teilnehmer von CCC-­Integrativ für oder auch gegen die komplementärmedizinischen Maßnahmen entscheiden. Zur Auswahl standen 44 naturheilkundliche Pflegeinterventionen zu 19 Beschwerden, mit denen Tumorkranke oft zu kämpfen haben. Um die Verfahren selbstständig durchführen zu können, erhielten die Patienten entsprechende Infozepte. Ein Beispiel ist eine Baucheinreibung mit ätherischen Ölen aus Fenchel, Melisse, Kümmel und Majoran bei schmerzhaften Bauchkrämpfen infolge von Durchfällen.

CONGO, HoPES3 und CCC-Integrativ zeigen nur einen Teil des Potenzials naturheilkundlicher Pflegeinterventionen bei akuten und chronischen Schmerzen. Das gesamte Spektrum umfasst deutlich mehr Maßnahmen und Indikationen, erläutern die Autoren. Als weitere Beispiele nennen sie:

  • ätherische Öle als Auflage oder Einreibung, z.B. Pfefferminzöl bei Spannungskopfschmerz 
  • Essenzauflagen, z.B. Arnikaessenz bei Verletzungen, Verstauchungen oder bei rheumatischen Gelenk­erkrankungen
  • feucht-kühle Anwendungen, z.B. Quarkauflagen bei aktivierter Arthrose­
  • feucht-warme Anwendungen, etwa Bauchwickel mit Kamillentee bei krampfartigen Bauchbeschwerden
  • hautreizende Substanzen, z.B. Zwiebelauflage bei Otitis media 

Mit Blick auf Neben- und Wechselwirkungen wünschen sich viele Patienten insbesondere bei chronischen Schmerzen „sanftere“ Therapien. Oft möchten die Betroffenen auch das Gefühl haben, „selbst etwas zu tun“, schreiben Stolz und Kollegen abschließend.

Mit risikoarmen und einfachen naturheilkundlichen Anwendungen könne man diesen Wünschen nachkommen und die Selbstwirksamkeit der Patienten stärken. Zudem mache die Anwendung der nicht-medikamentösen Verfahren und die damit einhergehende Beratung und Schulung der Patienten die Pflegeberufe attraktiver, da das eigenverantwortliche Handeln der Mitarbeiter gestärkt werde.

Quelle: Stolz R et al. Schmerz 2023; 37: 336-343; DOI: 10.1007/s00482-023-00705-w