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Von wegen Alleskönner: Vitamin D erfüllt die hohen Erwartungen nicht

Autor: Dr. Judith Lorenz

Laut mehreren aktuellen Studien schützt Vitamin D weder vor Diabetes noch vor Krebserkrankungen. Laut mehreren aktuellen Studien schützt Vitamin D weder vor Diabetes noch vor Krebserkrankungen. © Tereza – stock.adobe.com
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Von Herz-Kreislauf- Erkrankungen über Diabetes bis hin zum Krebs: Vitamin D wird häufig als Allheilmittel gehandelt. Bei genauer Betrachtung ergibt sich jedoch ein eher ernüchterndes Bild.

Für die Knochengesundheit ist Vitamin D zweifellos unabdingbar. Bei einem Mangel drohen Kindern Rachitis und im Erwachsenenalter die Osteomalazie, schreiben Dr. Carmina Teresa Fuss und Professor Dr. Martin Fassnacht von der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Würzburg. 25-OH-Vitamin- D-Werte unter 12 ng/ml, beispielsweise in Folge zu geringer Sonnenlichtexposition, erfordern eine Behandlung, Spiegel über 20 ng/ml gelten dagegen prinzipiell als ausreichend für die Knochengesundheit der erwachsenen Normalbevölkerung. Allerdings sollten angesichts fehleranfälliger Labormethoden insbesondere grenzwertige Messergebnisse mit Vorsicht und nur im klinischen Kontext bzw. im Zusammenhang mit weiteren Laborparametern (z.B. Kalzium, Phosphat, Parathormon) interpretiert werden.

Keine Vorteile für Knochengesunde

Große Aufmerksamkeit erlangte Vitamin D, nachdem sein nukleärer Rezeptor auf zahlreichen Geweben nachgewiesen wurde und In-vitro- Untersuchungen Auswirkungen auf die Zellfunktion nahelegten. Eine Reihe von Assoziationsstudien sah in der Folge einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Vitamin- D-Mangel und dem Sturz- und Frakturrisiko, kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus und sogar Krebsleiden. Einige aktuelle randomisierte und kontrollierte Interventionsstudien bestätigen diese Beobachtungen jedoch nicht:

  • Sowohl die ViDa-Studie an mehr als 5000 knochengesunden Probanden als auch eine große Metaanalyse sehen keinen Nutzen einer Vitamin-D-Substitution im Hinblick auf die Sturz- bzw. die Frakturhäufigkeit.
  • In der VITAL-Studie mit mehr als 25 000 knochengesunden Teilnehmern schützte die tägliche Gabe von 2000 IE/Tag über im Median 5,3 Jahre nicht vor Herz-Kreislauf-Ereignissen wie Myokardinfarkten oder Schlaganfällen. Eine Metaanalyse fand ferner keine Auswirkungen auf den Blutdruck.
  • Im VITAL-Kollektiv bewahrte Vitamin D nicht vor Krebserkrankungen. Einige kleinere Interventionsstudien fanden ferner keinen wesentlichen günstigen Einfluss auf die Überlebensprognose von Patienten mit gastrointestinalen Malignomen.
  • Eine aktuelle Untersuchung an rund 2400 Personen mit hohem Diabetesrisiko schloss einen diesbezüglich protektiven Effekt der Substitution aus.

Der anhaltende Hype um Vitamin D als „Wunderwaffe“ gegen verschiedene Volkskrankheiten ist aus wissenschaftlicher Sicht zum jetzigen Zeitpunkt unbegründet, meinen die Experten. Sie warnen insbesondere davor, bei Krebspatienten zu große Hoffnungen zu wecken. Zudem könne Vitamin D nicht (mehr) uneingeschränkt allen älteren Erwachsenen zur Frakturprophylaxe empfohlen werden. Bei bekannter Osteoporose sei es dagegen nach wie vor fester Bestandteil der Basistherapie.

Quelle: Fuss CT, Fassnacht M. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 135-139. DOI: 10.1055/a-0660-6179