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Wake-up-Stroke: Patienten profitieren von Reperfusionstherapie

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Bis vor Kurzem wurde bei Wake-Up-Strokes keine Thrombolyse oder Thrombektomie durchgeführt, weil es keine Evidenz zu Wirksamkeit und Risiken gab. Bis vor Kurzem wurde bei Wake-Up-Strokes keine Thrombolyse oder Thrombektomie durchgeführt, weil es keine Evidenz zu Wirksamkeit und Risiken gab. © iStock/peterschreiber.media
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Ein Viertel aller Schlaganfälle sind sogenannte „Wake-up-Strokes“. Bis vor Kurzem wurde in solchen Fällen keine Thrombolyse oder Thrombektomie durchgeführt, weil es keine Evidenz zu Wirksamkeit und Risiken gab. Mit den Ergebnissen aus vier randomisierten Studien hat sich dies inzwischen geändert.

Seit die kraniale Computertomographie (CT) ermög­licht, zwischen zerebraler Ischämie und Blutung als Ursache eines Schlaganfalls zu unterscheiden, hat sich die spezifische Ischämie-Therapie entwickelt – zunächst in Form der Thrombolyse. In der ersten 1995 publizierten Studie fand sich durch die Behandlung mit Alteplase eine deutliche Besserung des neurologischen Outcomes. Anfangs konnte die Lyse aber nur bei wenigen Patienten eingesetzt werden.

Die größte Limitierung lag im definierten Zeitfenster von maximal drei Stunden zwischen Sym­ptombeginn und Therapie, schreiben Alina­ Königsberg und Professor Dr. Götz Thomalla von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Weitere Studien führten dazu, dass das Zeitfenster auf 4,5 Stunden ausgedehnt werden konnte.

Therapie bei unbekanntem Zeitfenster war früher obsolet

Als Alternative oder Ergänzung kam 20 Jahre später die Thrombektomie hinzu, in den entsprechenden Studien ebenfalls mit engem zeitlichem Rahmen von sechs Stunden und für Patienten mit einem Verschluss der intrakraniellen A. carotis interna oder des Hauptstamms der A. cerebri media und begrenztem Infarktareal. Patienten, deren Symptome außerhalb der definierten Zeitfenster oder zu einem unbekannten Zeitpunkt – wie beim Wake- up-Stroke – aufgetreten waren, konnten zunächst keine Reperfusionstherapie erhalten.

Zwei Studien, in denen die Thrombolyse bildgebungsgesteuert durchgeführt wurde, haben dies geändert. In der WAKE-UP-Studie wurde nach einem Mismatch der Befunde von DWI (diffusion-weighted imaging) und FLAIR (fluid attenuated inversion recovery) gesucht. Denn zeigt sich eine Läsion im DWI-Bild, ohne dass sich Parenchym im FLAIR-Bild hyperintens darstellt, kann man davon ausgehen, dass der Schlaganfall mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger als 4,5 Stunden zurückliegt. Wenn dies zutraf, gab es bei Applikation von rekombinantem Plasminogenaktivator (rt-PA) signifikant häufiger ein besseres klinisches Ergebnis (gemessen anhand der modified Rankin-Skala, Score 0–1) als mit Placebo (53,3 % vs. 41,8 %). Auch Patienten mit lakunären Schlaganfällen profitierten von der Lyse.

Signifikanter Vorteil für Alteplase versus Placebo

In der EXTEND-Studie, die mehrheitlich Wake-Up-Strokes einschloss, nutzte man ein anderes bildgebendes Prinzip, und zwar das Mismatch zwischen einer größeren Perfusionsstörung und einem kleineren Infarktkern, was für noch rettbares Penumbra-Gewebe spricht. Genutzt wurden dafür das Perfusions- und Diffusions-MRT oder Parameter der Perfusions-CT-Bildgebung (mittlere Transitzeit, relativer zerebraler Blutfluss). Auch in dieser Studie gab es einen signifikanten Vorteil für Alteplase versus Placebo im Erreichen eines mRS von 0–1 nach 90 Tagen bei Patienten mit unbekanntem Symptombeginn oder einer Therapie innerhalb eines Zeitfensters von 4,5–9 Stunden (35,4 % vs. 29,5 %).

In zwei randomisierten Studien (DAWN und DEFUSE-3) behandelte man Patienten mit einem Mismatch zwischen einem schweren klinischen Defizit oder einem kleinen Infarktkern in CT oder MRT und einem großen perfusionsverzögerten Areal mittels Thrombektomie. Innerhalb eines Zeitfensters von bis zu 24 Stunden und auch bei unbekanntem Zeitfenster ergab sich eine Verbesserung des klinischen Outcomes.

Fazit für die Reperfusionstherapie des Schlaganfalls: Bei klarem Zeitfenster kleiner als 4,5 Stunden, neurologischem Defizit und fehlenden Kontraindikationen (intrazerebrale Blutung) raten die Autoren zur Thrombolyse. Bei zusätzlichem Verschluss eines Großgefäßes und begrenzter Läsion (ASPECTS* > 5) ist eine Thrombektomie indiziert.

Ein Zeitfenster zwischen 4,5 und 24 Stunden bzw. ein Wake-up-Stroke erfordern eine erweiterte Bildgebung mit MRT oder Perfusions-CT, um über die Indikation zur Reperfusionstherapie zu entscheiden.

Noch unklar bleibt, ob diese Empfehlungen auch für Verschlüsse der A. basilaris gelten können. Die Thrombektomie zusätzlich zur Standardtherapie (einschließlich Thrombolyse) hat bisher in Studien bei diesen Verschlüssen nicht zu einer signifikanten Besserung geführt. Für Wake-up-Strokes wurde sie gar nicht untersucht.

Außerdem steht nicht fest, ob ein Großgefäßverschluss, der die geforderten Kriterien erfüllt, nicht durch alleinige Thrombektomie ebenso gut behandelt werden kann wie mit Thrombolyse plus Thrombektomie. Studien untersuchen derzeit auch, ob bei unbekanntem Zeitfenster anstatt der erweiterten Bildgebung das Fehlen ausgedehnter Infarktfrühzeichen im nativen CT – wenn nachweislich ein relevantes klinisches Defizit oder ein Verschluss vorliegen  – genügen kann, um die Indikation zu stellen.

* Alberta Stroke Program Early CT Score
Quelle: Königsberg A, Thomalla G. DNP 2020; 21: 28-33