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WDEIA: Glutensensibilisierung manifestiert sich mitunter erst durch Kofaktoren

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Langfristig besteht die Therapie der WDEIA in der Auslöservermeidung. Langfristig besteht die Therapie der WDEIA in der Auslöservermeidung. © iStock/wildpixel
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Bauchschmerzen und Ausschlag nach dem Sport? Anaphylaktische Reaktionen treten nicht immer nur nach alleiniger Allergenkonfrontation auf. Bei der weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie (WDEIA) müssen Triggerfaktoren dazukommen.

Kofaktorabhängige Anaphylaxien sind mastzellvermittelte Reaktionen allergensensibilisierter Patienten. Im Normalfall vertragen die Patienten das Nahrungsmittelallergen. Erst im Zusammenspiel mit einem zusätzlichen Faktor wie körperliche Aktivität, Alkoholkonsum, hormonelle Einflüsse oder Einnahme von Acetylsalicylsäure oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) manifestieren sich Symptome.

Anstrengung erhöht vermutlich die Darmpermeabilität

Am besten untersucht ist die weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (WDEIA), schreiben die Ökotrophologinnen Claudia Kugler und Christiane Schäfer. Die klinischen Symptome entsprechen generell denen einer Anaphylaxie und betreffen Haut, Schleimhaut, Lunge, Herz-Kreislauf-System und Gastrointestinaltrakt.

Die für die allergische Reaktion verantwortlichen Weizenbestandteile finden sich in der Glutenfraktion des Korns. Hauptallergen ist das w-5-Gliadin, gegen das bei etwa 80 % der Betroffenen eine Sensibilisierung vorliegt. Aber auch a-, b-, g-, und w-1,2-Gliadin können relevant sein. Bei manchen Patienten bestehen außerdem Kreuzreaktivitäten mit Allergenen aus Roggen und Gerste.

Warum es zusätzlicher Faktoren bedarf, um die klinischen Symptome nach Allergenaufnahme zu provozieren, bleibt weiterhin nicht komplett geklärt. Möglicherweise erhöhen körperliche Anstrengung, Alkohol und Medikamente die intes­tinale Permeabilität und damit die Allergenresorption. ASS aktiviert darüber hinaus vermutlich auch direkt die Mastzellen.

Die vielen potenziellen individuellen Augmentationsfaktoren erschweren die WDEIA-Diagnosesicherung erheblich. Basis ist daher eine sorgfältige Anamnese. Die Patienten führen dazu am besten ein Ernährungssymptomprotokoll. Darin dokumentiert werden

  • das konkrete Weizenprodukt,
  • verdächtige Kofaktoren und
  • die Schwere der jeweiligen Reaktion.

Ein Hautpricktest mit nativem Gluten (nicht Weizenmehl!) gibt weitere Hinweise, in der serologischen Diagnostik wird dann nach weizenproteinspezifischen IgE-Antikörpern gesucht.

Diagnostischer Goldstandard ist dann die orale, stationär durchgeführte Provokation. Sie orientiert sich an den als verdächtig gemeldeten Nahrungsmitteln, die häufig auch vom Patienten selbst zum Test mitgebracht werden. Die Provokation erfolgt in den vom Patienten angegebenen Dosen und meist zusätzlich z.B. unter körperlicher Belastung, angepasst an den Trainingszustand des Patienten. ASS oder Alkohol als Beispiele für Triggerfaktoren kommen 30 Minuten vor dem Testessen zum Einsatz.

Der Brötchentest

Fällt der Verdacht allgemein auf weizenhaltige Produkte, empfehlen die Ökotrophologinnen für die Provokation aus Weizenweißmehl (Type 405) hergestellte Hefebrötchen. Die Testmenge sollte dabei mindestens 200 g Weizenmehl entsprechen. Wer deshalb den Umfang der Mahlzeit etwas verringern möchte, kann diese mit 10–20 g Gluten (erhältlich als reines Proteinpulver) anreichern. 8,6 g Gluten entsprechen etwa 100 g Type 405-Weizenweißmehl.

Bei negativem Test­ergebnis aber weiterhin vorhandener Symptomatik sollte der Patient ein neues Verlaufsprotokoll führen und anhand der Angaben eine erneute Provokation geplant werden, ggf. dann unter zusätzlicher Augmentation von ASS. Langfristig besteht die Therapie der WDEIA in der Auslöservermeidung. Viele Betroffene müssen allerdings nicht generell auf Weizen verzichten, da sie in der Regel kleinere Mengen von glutenhaltigen Produkten vertragen. Welche Mengen möglich sind, lässt sich eventuell bereits im Provokationstest feststellen. Bei Kenntnis der Augmentationsfaktoren reicht es zudem oft aus, diese 4–6 h vor und nach Weizenverzehr zu vermeiden. Will der Patient aber auf Nummer sicher gehen, sollte er grundsätzlich Weizenmehl, Weizenstärke, Bulgur, Couscous und Dinkel sowie bei Kreuzreaktivität Gersten- und Roggenprodukte meiden. Außerdem gilt es auf verstecktes Gluten zu achten, z.B. in veganem Fleischersatz (Seitan) oder Eiweißbrot. Meist hilft der Blick auf die Verpackung – laut europäischer Lebensmittelinformationsverordnung ist Weizen als potenzielles Allergen deklarationspflichtig, die reine Auslobung „glutenfrei“ lässt allerdings einen geringen Teil (20 ppm) Gluten zu.

Patienten mit dreiteiligem Notfallset versorgen

Eine Nährstoffunterversorgung ist selbst bei komplettem Verzicht auf w-5-gliadinreiche Produkte nicht zu erwarten, erklären die Ernährungswissenschaftlerinnen. Ersatz bieten zum Beispiel Produkte auf Hafer- oder Reisbasis. Grundsätzlich ist aber bei Einleitung und Überprüfung der Ernährungsumstellung eine Hilfestellung durch allergologisch qualifizierte Ernährungsberater sinnvoll. Zusätzlich erhalten die Patienten immer ein Notfallset, bestehend aus Adrenalinautoinjektor, Kortikosteroid und Antihistaminikum nebst einer Anwendungsschulung. Dies gilt auch dann, wenn der orale Provokationstest keine eindeutigen Ergebnisse gebracht hat, aber weiterhin ein begründeter Verdacht besteht, da der Patient über anaphylaktische Symptome berichtet.

Quelle: Kugler C, Schäfer C. Ernährungsumschau 2020; 67: M487-M495; DOI: 10.4455/eu.2020.043