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Kasuistik Wenn der Wurm erst einmal drin ist

Autor: Dr. Elke Ruchalla

In seltenen Fällen können auch Thoraxschmerzen bei einer Echinokokkose auftreten. In seltenen Fällen können auch Thoraxschmerzen bei einer Echinokokkose auftreten. © oceandigital – stock.adobe.com
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Bei Thoraxschmerzen denkt man zunächst an eine kranke Lunge oder ein krankes Herz. Im Fall eines 50-Jährigen waren aber beide Organe gesund. Zwar fand sich ein Pleura­erguss – die eigentliche Ursache saß aber eine Etage tiefer.

Ein Notfallpatient mit ansonsten gutem Gesundheitszustand litt seit vier Tagen unter atemabhängigen Thoraxschmerzen. Bis auf eine Herzinsuffizienz im Stadium NYHA Grad III und eine leichte, ausgeheilte SARS-CoV-2-Infektion war die Anamnese leer, berichten Dr. Andres­ Bobadilla­ und Dr. Olivier­ Clerc, beide tätig am Réseau­ Hospitalier­ Neuchâtelois­ in Neuchâtel­. Bei der Untersuchung fiel ein linksseitig basal stark abgeschwächtes Atemgeräusch auf. Der Röntgenthorax offenbarte als Ursache einen Pleuraerguss in der linken unteren Lunge. 

Weil das Labor eine erhöhte Konzentration der ­D-Dimere ergab, veranlassten die Ärzte eine CT-Angiografie des Thorax. Der Verdacht auf Lungenembolie bestätigte sich nicht, allerdings fielen mehrere Knötchen in der rechten Leber auf. Zwei davon waren kalzifiziert, was an eine Echino­kokkose denken ließ. 

Nach Punktion des Pleuraergusses konnte man darin tatsächlich entsprechende Antikörper und mittels PCR Echinococcus multilocularis nachweisen. Ein Schädel-CT fand keine Zeichen eines zerebralen Wurmbefalls. Auch die Ganzkörper-PET-CT ergab keine auffälligen Befunde, zeigte allerdings Echinokokkusherde auch in linksseitigen Lebersegmenten. Von dort hatte sich der Parasit wahrscheinlich auf das linke Zwerchfell ausgebreitet und den Pleuraerguss verursacht. Das Lungenparenchym selbst war nicht befallen.

Eine Operation kam aufgrund des Pleurabefalls nicht infrage, daher entschied sich das Behandlungsteam für eine medikamentöse Therapie (s. Kasten­). Die Brustschmerzen bildeten sich zügig zurück, der Pleuraerguss rezidivierte nicht.

Wurmlos werden gestaltet sich schwierig

Bei Befall mit Echinococcus multilocularis stellt eine OP die Therapie der ersten Wahl dar. Dennoch müssen die Patienten für zwei Jahre ein Anthelminthikum einnehmen und wegen des Rezidivrisikos mindestens zehn Jahre nachbeobachtet werden. Ist eine OP nicht indiziert, besteht die Therapie primär aus Albendazol, 10–15 mg/kg pro Tag in zwei Gaben mit einer fettreichen Mahlzeit, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen. Außerdem empfiehlt sich ein therapeutisches Drug Monitoring. Die Therapie muss mindestens fünf Jahre weiterlaufen und sollte nur gestoppt werden, wenn Serologie und PET-CT keine Parasitenaktivität mehr zeigen. Albendazol ist meist gut verträglich, eine Alternative ist Mebendazol.

In Anbetracht der gesicherten Echinokokkose befragten die Mediziner den Patienten ganz gezielt nach einer möglichen Exposition. Dabei stellte sich heraus, dass der Mann schon seit Jahren engen Kontak mit Hunden und Katzen hatte und in ­einem Haus am Waldrand lebte.

Waldfrüchte, Gemüse und Haustiere als Infektionsquelle

Der 50-Jährige gab zudem an, gelegentlich Waldfrüchte zu essen, auch war sein Gemüsegarten nicht gegen Füchse geschützt. Damit bestanden reichlich Gelegenheiten, sich mit dem Bandwurm zu infizieren. Die Endwirte wie Hunde und Füchse, seltener auch Katzen, scheiden die Eier mit dem Kot aus, über den sich kleine Nagetiere infizieren. Diese wiederum werden vom Endwirt gefressen. Der Mensch als Fehlwirt lebt riskant, wenn er kontaminierte Lebensmittel oder die Hände nach dem Kontakt mit infizierten Tieren nicht sorgfältig reinigt.

Quelle: Bobadilla A, Clerc O. Swiss Med Forum 2023; 23: 1472-1474; DOI: 10.4414/smf2023.1140067359