Anzeige

Diabetes und Essstörungen Wenn die notwendige Beschäftigung mit Essen zum Zwang wird

Autor: Antje Thiel

Diabetiker*innen müssen ganz besonders auf ihre Ernährung achten und sich tagtäglich mit ihrem Körper auseinandersetzen. Diabetiker*innen müssen ganz besonders auf ihre Ernährung achten und sich tagtäglich mit ihrem Körper auseinandersetzen. © andranik123 – stock.adobe.com
Anzeige

Menschen mit Diabetes können nie so unbeschwert essen wie Zeitgenossen mit intaktem Glukosestoffwechsel. Wer sich im Alltag so intensiv mit Ernährung und oft auch Körpergewicht beschäftigen muss, ist bei seelischen Problemen unter Umständen anfälliger für ein gestörtes Essverhalten. Ein aktuelles Fachbuch beschreibt die Herausforderungen für die interdisziplinäre Therapie.

Essen und Diabetes gehören untrennbar zusammen. Weil sie Kohlenhydrate schätzen, Insulin dosieren und Mahlzeiten oft genau planen müssen, kommen Menschen mit Diabetes nicht umhin, sich mit ihrem Essverhalten und der Zusammensetzung ihrer Mahlzeiten ausein­anderzusetzen. Auch das Körpergewicht ist häufig ein großes Thema in der Diabetestherapie. Es verwundert daher nicht, dass die Prävalenz von Essstörungen beim Diabetes höher ist als in der Allgemeinbevölkerung.

Diverse Störungen: Bulimie, Binge-Eating, Insulin-Purging

Erst in den vergangenen Jahren haben sich Diabetolog*innen und Psycholog*innen intensiver mit dem Zusammenhang von Diabetes und Essstörungen beschäftigt. Eine Gruppe von Psychotherapeut*innen um Prof. Dr. Tanja Legenbauer hat nun ein Fachbuch vorgelegt, das u.a. anhand vieler Fallbeispiele den an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen das jeweils andere Fachgebiet näherbringen soll.

Buchtipp: Diabetes Mellitus und Essstörungen

Legenbauer T., Beutel M., Benecke A.: Diabetes mellitus und Essstörungen. Herausforderungen für die interdisziplinäre Behandlung.

Berlin: DeGruyter Verlag, 2022.

Gebunden, 308 Seiten, 61,95 Euro.

DOI: 10.1515/9783110583205

ISBN: 9783110581522

Das Werk vermittelt Grundsätzliches zu Ätiologie, Symptomatik, klinischem Bild, Diagnostik und Therapie verschiedener Essstörungen: Bei Magersucht (Anorexia nervosa) versuchen vor allem junge Mädchen und Frauen, durch strikte Diäten, übertriebenen Sport oder dem Missbrauch von Abführmitteln ihr Gewicht zu reduzieren. Menschen mit einer Ess-Brech-Sucht oder Bulimie (Bulimia nervosa) erleben mehrmals pro Woche ‚Essanfälle‘, bei denen sie innerhalb kürzester Zeit große Mengen Nahrungsmittel aufnehmen und diese später durch Erbrechen, exzessiven Sport oder Abführmittel kompensieren. Unter Binge-Eating versteht man ähnliche Heißhungerattacken, bei denen Betroffene die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme verlieren, allerdings ohne die überschüssigen Kalorien durch kompensatorische Aktionen wieder loszuwerden. Beim Insulin-Purging (‚Diabulimie‘) werden Insulininjektionen ausgelassen oder die Dosis reduziert, damit Kohlenhydrate nicht verwertet und über den Urin wieder ausgeschieden werden.

Systematische Screenings auf Essstörungen empfohlen

Ein weiterer Block ist der Komorbidität von Diabetes und Essstörungen gewidmet. Schließlich ergeben sich aus dem Zusammenspiel etliche Besonderheiten für Diagnostik und Behandlungsstrategien. So können Essstörungen die klinischen Outcomes innerhalb kürzester Zeit dramatisch verschlechtern. 

Daher empfehlen die Autor*innen systematische Screenings auf Essstörungen im Rahmen der Diabetestherapie – und Versorgungsstrukturen, die eine interdisziplinäre Beratung und Behandlung mit spezifischen psychologischen und somatischen Interventionen ermöglichen.