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Säuglinge und Kleinkinder Wenn für Eltern die Nacht zum Tag wird

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Säuglinge ab sechs Monaten haben häufig Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen. (Agenturfoto) Säuglinge ab sechs Monaten haben häufig Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen. (Agenturfoto) © Syda Productions – stock.adobe.com
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Die Nächte junger Eltern sind oft quälend. Beim Säugling treibt sie vor allem die Angst vor einem plötzlichen Kindstod um. Später hält das Baby sie wach, wenn es schwer einschläft oder nachts immer wieder wach wird. Ab dem Kleinkindalter können verstörende Phänomene wie Nachtschreck oder Schlafwandeln auftreten.

Der plötzliche Kindstod (Sudden infant death, SIDS) betrifft überwiegend junge Säuglinge. Deshalb sollte man die Eltern möglichst früh auf Präventionsmöglichkeiten hinweisen (s. Kasten). Von besonderer Bedeutung ist die Rückenlage. Aus der seitlichen Position kann sich der Sprössling leichter in die gefährliche Bauchlage drehen, warnen Dr. Werner Sauseng von der Kinderärztlichen Praxis im österreichischen Kumberg und Dr. Alfred­ Wiater aus der Online-Praxis für Kinderschlafmedizin in Köln. Schafft es das Kind irgendwann, sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, braucht man es aber nicht mehr herumzudrehen, ist es reif genug und die Phase der SIDS-Gefährdung vorbei, schreiben die Kinderärzte. Neben der Bauchlage sind zwei weitere Hauptrisikofaktoren Überwärmung und passiver Tabakkonsum. Auch das Bedsharing erhöht das SIDS-Risiko in den ersten vier bis sechs Monaten, später nicht mehr, es sei denn die Eltern rauchen. 

Säuglinge ab sechs Monaten haben häufig Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen. Zur Objektivierung des Problems sollten die Eltern ein Protokoll führen, damit Schlafdauer- und -rhythmus erkennbar werden. Mit neun Monaten schlafen Säuglinge im Schnitt 14 Stunden täglich, der Normbereich reicht von 11 bis 17 Stunden. Kinder ab drei Monaten profitieren vielfach schon von regelmäßigen Ruhezeiten, auf die sich der Körper einstellt. 

Das selbstständige Einschlafen erleichtert ein Dreistufenkonzept:

  • Einführen eines regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Anpassen der Zubettgehzeit an das individuelle Schlafbedürfnis
  • Unterstützen beim selbstständigen Einschlafen

Für Säuglinge, die nur einschlummern können, wenn die Eltern mit im Bett liegen, empfehlen die Pädiater eine graduelle Annäherung. Im ersten Schritt sollen Mutter oder Vater beim Kind auf dem Bett sitzen statt zu liegen. Wenn das Einschlafen so gelingt, akzeptiert das Baby wahrscheinlich auch, dass ein Elternteil statt im Bett neben ihm auf einem Stuhl sitzt. So ist eine körperliche Trennung erreicht – die Voraussetzung für selbstständiges Weiterschlafen.

Kleinkinder, die nachts aufschreien, leiden möglicherweise an einem Pavor nocturnus, auch Nachtschreck genannt. Dabei handelt es sich um eine Non-rapid-Eye-Movement-Parasomnie mit einem Häufigkeitsgipfel bei 18 Monaten. Studien zufolge sind bis zu einem Drittel der Kinder dieses Alters betroffen. Die Störung tritt überwiegend, aber nicht ausschließlich in der ersten Nachthälfte auf, meist schon ein bis zwei Stunden nach dem abendlichen Einschlafen. 

Kinder sind verwirrt, schlafen aber schnell wieder ein

Typischerweise finden die Eltern ihr Kind schreiend (oder rufend) im Bett. Häufig haben sie den Eindruck, es ängstige sich vor etwas, der Sprössling macht nicht selten abwehrende Handbewegungen. Vielfach finden sich Zeichen einer vegetativen Aktivierung wie Tachykardie oder Schwitzen. Die Kleinen wirken verwirrt und erkennen ihre Eltern oft nicht. Sie schlafen aber innerhalb von Minuten wieder ein und erinnern sich am nächsten Tag nicht mehr an das Ereignis. Die Eltern kann man beruhigen, es handelt sich nicht um einen oft befürchteten Anfall oder Albtraum. 

Die Diagnose Pavor nocturnus gelingt im Allgemeinen bereits anhand der Anamnese, im Zweifel hilft eine Videodokumentation. Die Prognose ist im Kleinkindesalter gut. Schlafhygienemaßnahmen und eine beruhigende Umgebung einschließlich Bildschirmkarenz können die Pavorfrequenz senken.

Maßnahmen zur Prävention des plötzlichen Kindstods

  • Rückenlage zum Schlafen
  • Roomsharing statt Bedsharing
  • plangemäße Impfungen
  • rauchfreie Umgebung
  • leichte Bekleidung
  • feste, luftdurchlässige Matratze
  • kein oder nur dünnes Kopfkissen
  • Babyschlafsack
  • kühle Raumtemperatur (kein Überheizen)
  • nur kleine Kuscheltiere
  • Stillen in den ersten Lebenswochen und -monaten)
  • Schnuller

Auch das Schlafwandeln (Somnambulismus) ist eine Non-rapid-eye-movement-Parasomnie und ereignet sich deshalb häufiger in der ersten Nachthälfte. Es tritt überwiegend im Schulalter auf mit einem Gipfel um das zehnte Lebensjahr. Im Gegensatz zum Pavor nocturnus verlassen die betroffenen Kinder das Bett. Es ist eine familiäre Häufung bekannt. Nicht selten kommt es zu Übergangs- und Mischformen zwischen Nachtschreck, Somnambulismus und verwirrtem Erwachen. Neben Empfehlungen zur Schlafhygiene müssen die Eltern über Sicherheitsmaßnahmen aufgeklärt werden (abschließbare Fenstergriffe, Versperren von Balkon- und Haustüren etc.). 

Albträume gehören im Gegensatz zu Schlafwandeln und Pavor nocturnus nicht zu den sogenannten Rapid-Eye-Movement-Parasomnien. Es handelt sich um ein oft verstörendes mentales Ereignis, das den Schlafenden wecken kann. Die Inhalte werden vom Kind als bedrohlich erlebt. Im Gegensatz zum Nachtschreck manifestieren sich die Albträume in der zweiten Nachthälfte und die Betroffenen können sich an das Ereignis erinnern. 

Wenn Kleinkinder nachts schnarchen und die Eltern Atempausen bemerken, verursacht eventuell ein obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) das häufige nächtliche Aufwachen. Diese Erkrankung kann bei längerem Bestehen die kognitive Entwicklung der jungen Patienten beeinträchtigen. Deshalb empfehlen die Autoren, bei Kindern mit Durchschlafschwierigkeiten im Beratungsgespräch auch nach den Symptomen eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms zu fragen.

Quelle: Sauseng W, Wiater A. Monatsschr Kinderheilkd 2024; 172: 18-27; DOI: 10.1007/s00112-023-01870-z