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Neue Medizinprodukte Werden Patientenwünsche ausreichend berücksichtigt?

diatec journal Autor: Prof. Dr. Lutz Heinemann

Der Kontakt zu den Diabetes-Patienten über zum Beispiel Hotlines würde für Produktentwicklung einige Vorteile bieten. Der Kontakt zu den Diabetes-Patienten über zum Beispiel Hotlines würde für Produktentwicklung einige Vorteile bieten. © REDPIXEL – stock.adobe.com
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Produkthotlines, Advisory Boards, soziale Medien und Input von Diabetesteams – die Möglichkeiten von Firmen, Patienteninteressen zu erfassen, sind vielfältig. Doch werden diese genutzt? Warum gibt es kein Patienten-Forum, um Wünsche oder Ärger loszuwerden?

Wenn Unternehmen neue Produkte entwickeln, dann gibt es zahlreiche Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, wie diese Produkte aussehen, welche Eigenschaften sie haben etc. Damit das Produkt „erfolgreich“ wird, gilt es auch, eine hohe Akzeptanz dafür bei Patienten mit Diabetes (PmD) zu erreichen. Die Anzahl von PmD, die die Menge an (Plastik-)Abfall stört, der bei der Verwendung von Medizinprodukten bei der Diabetestherapie anfällt, hat wohl drastisch zugenommen. Vermutlich wird dies aber erst dann bei der Produktentwicklung ausreichend berücksichtigt, wenn sich diese Haltung von PmD in Änderungen bei Kaufentscheidungen darstellt.

Die Frage ist, in welchem Ausmaß werden bei der Produktentwicklung die unterschiedlichen Wünsche und Interessen von PmD berücksichtigt? Welche Optionen haben die Hersteller, etwas darüber zu erfahren?

  • Man kann davon ausgehen, dass PmD ihre Meinung / Bedenken / Ärger dem Hersteller eines bestimmten Produktes über dessen Hotline mitteilen wollen. Es ist nicht bekannt, ob und in welchem Ausmaß Unternehmen solche Rückmeldungen auswerten und ob diese einen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen haben. Wenn die Abteilung, die bei einem Hersteller für die Kommunikation / Hotline zuständig ist, nicht eng mit der Abteilung zusammenarbeitet, die neue Entwicklungen vorantreibt, dann kann hier vieles an Rückmeldungen verloren gehen. Gerade bei internationalen Firmen ist fraglich, wie Rückmeldungen aus verschiedenen Ländern ihren Weg an die „richtige“ Stelle finden.
  • Zumindest einige Unternehmen haben Patienten-Advisory Boards, um Aussagen zu neuen Produktideen von PmD einzuholen. Allerdings ist es auch hier schwierig zu beurteilen, ob und inwieweit die Unternehmen auf die „Patientenstimmen“ hören.
  • In den letzten 10–15 Jahren hat sich ein reger Austausch zwischen PmD über soziale Medien und Internetseiten entwickelt. Die Hersteller monitoren entsprechende Diskussionen in solchen Medien sorgfältig, da positive oder negative Rückmeldungen zu einem bestimmten Produkt einen ausgeprägten Einfluss auf die Kaufentscheidung ihrer Kunden haben können. Da sich hier viele PmD äußern (wobei die Güte der Aussagen vielfach eher moderat ist), hat diese Kommunikation bestimmt einen Einfluss auf Produktentwicklungen.
  • Patienten mit Diabetes sprechen vermutlich vielfach mit ihrem behandelnden Diabetologen oder insbesondere mit der Diabetesberaterin über ihre Wünsche und Frustrationen bei bestimmten Produkten. Auf dieser Ebene könnten vermutlich viele relevante Rückmeldungen, auch durch den Außendienst der Hersteller erhalten werden.

In den USA verlangt die Regulierungsbehörde von den Herstellern die Durchführung von „Human Factor“-Studien als wesentlicher Bestandteil des klinischen Entwicklungsprozesses eines neuen Medizinproduktes. Solche Studien konzentrieren sich allerdings mehr darauf, ob und wie Patienten ein neues Produkt handhaben bzw. nutzen können, sie sind eher zu spät im Entwicklungsprozess, um noch Einfluss auf Design oder Funktionen eines neuen Produktes zu haben, es sei denn, es zeigen sich ernsthafte Schwächen bei diesen Studien.

Ob es Herstellern gelingt, durch solche Ansätze die Patientenerwartungen zu erfassen, ist schwierig abzuschätzen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass „Minderheiten“-Gruppen, die weniger aktiv ihre Wünsche vertreten, kaum Gehör finden. Dazu zählen: Kinder, Schwangere, ältere Patienten, Patienten mit eingeschränktem Sehvermögen, blinde Patienten, Patienten mit eingeschränkten manuellen Fertigkeiten usw. Da im Endeffekt aber eine nicht unbeträchtliche Menge an PmD in eine solche Gruppe gehören, gilt es diese Problematik irgendwie abzufangen.

Leider gibt es unserer Kenntnis nach kein Forum, in dem PmD ihre Wünsche, Anregungen, Ärger etc. in einer sinnvollen Art und Weise vorbringen und äußern können. Ziel dieses Artikels ist es, darüber nachzudenken, wie solch eine Struktur aussehen könnte. Es kann nicht darum gehen, bestimmte Firmen oder Medizinprodukte kritisch zu beleuchten, aber schon darum, dass es eine Option für PmD gibt, neben der Meldung von Nebenwirkungen, was eine andere Problematik ist, sich an einer öffentlich zugänglichen Stelle äußern zu können. Im Prinzip könnten solche Rückmeldungen dazu führen, dass neu zu entwickelnde Medizinprodukte noch besser auf die Wünsche und Bedürfnisse von PmD ausgerichtet wären, diese also besser bei der Krankheitsbewältigung unterstützen könnten.