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Parkinson Zusammenhänge mit Alter, Wohnort, Einkommen

Autor: Dr. Sonja Kempinski

Die weltweit steigende Inzidenz an Parkinson-Fällen ist wahrscheinlich multifaktoriell zu begründen. Die weltweit steigende Inzidenz an Parkinson-Fällen ist wahrscheinlich multifaktoriell zu begründen. © Alessandro Grandini – stock.adobe.com
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Weltweit leiden immer mehr Menschen an einem Morbus Parkinson. Dabei variiert die Epidemiologie der Erkrankung immens, sowohl geografisch als auch in puncto Geschlecht, Alter und Einkommen. Daneben kristallisieren sich immer mehr Risikofaktoren heraus – von denen sich einige beeinflussen lassen.

Der Morbus Parkinson tritt global auf – allerdings in einer geografisch unterschiedlich ausgeprägten Verteilung. So ist im Vergleich zu Europa und Nordamerika die Prävalenz in Afrika niedriger, in Asien niedriger bis gleich und in Lateinamerika gleich hoch. Differenzen gibt es zudem in puncto Lebensstandard. Vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind Prävalenz und Mortalität der Parkinsonkrankheit deutlich angestiegen, schreiben Prof. Dr. Yoav Ben-Shlomo von der Universität Bristol und Kollegen nach Analyse der neuesten Daten. 

Manche Experten erklären dies damit, dass in diesen Ländern aufgrund einer höheren Lebenserwartung mehr Menschen die Erkrankung entwickeln – und an ihr sterben. Andere halten die zunehmende Industrialisierung für verantwortlich. Von diesen Hypothesen sind die Autoren nicht überzeugt. Denn gravierende Unterschiede zeigen sich auch im reichen Europa: In den Niederlanden sank die Parkinsonprävalenz in den Jahren 1990 bis 2016 um 7,5 %, in Norwegen stieg sie im gleichen Zeitraum um 87 % an. Diesen uneinheitlichen Unterschieden könnte ein Mix aus Umwelteinflüssen, sozialen Faktoren – etwa der Zugang zur Gesundheitsversorgung – und genetischen Einflüssen zugrunde liegen, vermuten die Autoren. 

Etwas mehr Klarheit gibt es, wenn man individuelle Faktoren betrachtet. Den offensichtlichsten Einfluss auf die Entwicklung eines M. Parkinson hat das Alter. Mehr Lebensjahre bedeuten höheres Risiko. Ob es sich dabei um einen linearen oder exponentiellen Zusammenhang handelt, ist noch ungewiss. Mit dem Alter steigt den Experten zufolge auch das Risiko, dass ein vorhandener M. Parkinson nicht erkannt wird. In einer Studie waren in der Gruppe der 65- bis 70-Jährigen 18 % der daran Erkrankten nicht diagnostiziert, bei den 80- bis 85-Jährigen betrug der Anteil 36 %.

Ein weiterer eindeutiger Risikofaktor ist das männliche Geschlecht. Männer haben im Vergleich zu Frauen eine um 40 % höhere Wahrscheinlichkeit, eine Parkinsonkrankheit zu entwickeln oder daran zu sterben. Im Gegensatz zum kardiovaskulären Risiko gleicht sich das Parkinsonrisiko von Männern und Frauen im höheren Alter nicht an: Frauen sind ihr ganzes Leben lang weniger gefährdet, warum weiß man nicht. Vermutet wird, dass weibliche Hormone sich schützend auswirken und Männer länger schädlichen Umweltfaktoren ausgesetzt sind. 

Liegt’s an den Genen?

Derzeit werden sieben Gene als monogene Ursachen für den Morbus Parkinson betrachtet. Dabei führen vier zu später auftretenden, autosomal dominant vererbten Krankheiten (LRRK2, CHCHD2, VPS35 und SNCA) und drei zu früh auftretenden, autosomal rezessiv vererbten Erkrankungen (PARKIN, DJ1 und PINK1). Varianten in einem achten Gen, GBA, gelten als der häufigste genetische Risikofaktor für die Parkinsonkrankheit, mit einer Penetranz von bis zu 30 %.

Rauchen scheint vor Parkinson zu schützen

Beeinflussbare Faktoren für die Entwicklung eines M. Parkinson gibt es viele, und zwar positive wie negative. Schützend wirkt beispielsweise Bewegung. Je mehr körperliche Aktivität und Sport praktiziert werden, desto seltener bildet sich die neurodegenerative Erkrankung aus. Daneben ist schon lange bekannt, dass bei Rauchern das Parkinsonrisiko reduziert ist. So sind offenbar genetische Varianten, die die Anfälligkeit für das Rauchen bestimmen, mit einem geringeren Risiko verbunden. 

Der Mechanismus dieser Assoziation ist nicht bekannt, ebensowenig, ob Nikotin eine zentrale Rolle spielt. Nikotinpatches scheinen jedenfalls bei Parkinsonpatienten die Krankheitsaktivität nicht zu beeinflussen. Kaffee und Tee sollen – vor allem bei Männern – das Parkinsonrisiko ebenfalls reduzieren. 

Das Gleiche gilt für die Einnahme antiinflammatorischer Wirkstoffe und eine ballaststoffreiche gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Getreide. Der Konsum von Milch soll dagegen das Parkinsonrisiko steigern. All diese Lifestylefaktoren scheinen additiv zu wirken und könnten präventiv genutzt werden, meinen die Autoren.

Von einem gesteigerten Parkinsonrisiko betroffen sind auch Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status. Als mögliche Ursache vermutet man, dass diese häufiger neurotoxischen Umweltfaktoren ausgesetzt sind – und davon gibt es in puncto Parkinson einige.

Kopfverletzungen begünstigen die Krankheit

Assoziiert mit der Erkrankung sind beispielsweise Pestizide wie Paraquat und Organochlorverbindungen. Sie führen zu mitochondrialer Dysfunktion, Entzündungen, epigenetischer Methylierung und Veränderungen des Mikrobioms, die als wichtig, wenn nicht gar ursächlich für die Parkinsonkrankheit angesehen werden. Auch von organischen Lösungsmitteln wie Trichlorethylen ist bekannt, dass sie das Risiko für eine Parkinsonerkrankung erhöhen. Viele dieser Gifte persistieren langfristig in Böden, Luft, Grundwasser und der Muttermilch. 

Schlussendlich sollen auch Kopfverletzungen die Genese eines Parkinsons begünstigen. Die Studienlage dazu ist allerdings nicht einheitlich. Eine große retrospektive Analyse deutet aber darauf hin, dass es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Parkinson und der Schwere vorangegangener Kopfverletzungen gibt. Ob im individuellen Fall ein Schädel-Hirn-Trauma zu Parkinson führt, könnte den Autoren zufolge auch von der genetischen Empfänglichkeit des Betroffenen abhängen.

Quelle: Ben-Shlomo Y et al. Lancet 2024; 403: 283-292; DOI: 10.1016/S0140-6736(23)01419-8