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Zuverlässigkeit von Verhütungsmethoden mit dem Pearl-Index erklären

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Eine unerwünschte Schwangerschaft kann dem beratenden Arzt Probleme bereiten. Eine unerwünschte Schwangerschaft kann dem beratenden Arzt Probleme bereiten. © iStock/JPC-PROD
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Noch verhütet die Hälfte der Frauen mit der Pille. Doch es gibt inzwischen weit mehr Optionen und teils überraschende Erkenntnisse. Der folgende Überblick erleichtert die Beratung junger Patientinnen.

Kombinierte orale Kontrazeptiva enthalten ein Östrogen und ein Gestagen, wobei der Verhütungseffekt ausschließlich auf Letzterem beruht. Das Östrogen ist für die Zyklusstabilisierung zuständig und verhindert Zwischenblutungen. Die Ovulationshemmung ermög­licht eine sichere Kontrazeption mit einem Pearl-Index (PI) < 1. Das bedeutet: Wenn 100 Frauen ein Jahr lang eine kombinierte Pille einnehmen, kommt es zu weniger als einer unerwünschten Schwangerschaft. Das vermehrte Auftreten venöser Thromboembolien sorgt jedoch für zahlreiche Kontraindikationen, u.a.:

  • auffällige Gerinnungsanamnese
  • Rauchen
  • Migräne mit Aura
  • schlecht eingestellter Hypertonus bzw. Diabetes

Reine Gestagenpillen, früher auch Minipillen genannt, hemmen im Gegensatz zu kombinierten Präparaten nicht die Ovulation. Stattdessen nutzen sie andere kontrazeptive Wirkungen der Gestagene. Sie reduzieren z.B. die Spermienaszension, verengen den Zervikalkanal und erschweren die Nidation des Embryos. Aufgrund des fehlenden Thrombose­risikos können sie auch Frauen mit Kontraindikationen für kombinierte Präparate verordnet werden. Ein Einsatz in der Stillzeit ist ebenfalls möglich, erklärt Dr. Sebastian­ ­Findeklee vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Allerdings kann schon das Vergessen einer Pille zum Wirkverlust führen, entsprechend liegt der PI mit 1–1,5 etwas höher.

Neben den Pillen gibt es diverse andere Möglichkeiten der hormonellen Kontrazeption – alle mit dem Vorteil, dass die Frau nicht mehr täglich an die Verhütung denken muss. Ein im Arm implantiertes Kunststoffstäbchen beispielsweise setzt kontinuierlich Etonogestrel frei und sorgt drei Jahre lang für eine zuverlässige Kontrazeption (PI 0,3–0,5). Eine Alternative mit Östrogen und Gestagen bietet der im hinteren Scheidengewölbe platzierte Vaginalring. Seine Zuverlässigkeit entspricht der kombinierten oralen Kontrazeption (PI 0,5–1), mit den gleichen Kontraindikationen, aber weniger Blutungskomplikationen. Das wasserfeste Hormonpflaster, das auf Oberkörper, Bauch oder Gesäß geklebt wird und dort sieben Tage verbleibt, hat einen Pearl-Index von 1–1,5.

Spritze erst nach Abschluss des Knochenwachstums

Eine hohe kontrazeptive Sicherheit (PI 0,5–0,7) ermöglicht die Drei­monatsspritze auf Gestagenbasis. Der damit verbundene Östrogenentzug beeinträchtigt allerdings den ossären Stoffwechsel. Deshalb kommt die Methode erst nach Abschluss des Knochenwachstums in Betracht. Zudem kann es nach der Beendigung bis zu ein Jahr dauern, bis sich der Menstruationszyklus normalisiert.

Entgegen bisheriger Befürchtungen kann die Spirale auch Frauen implantiert werden, die noch kein Kind geboren haben. Das Infektionsrisiko ist nur während der Insertion erhöht. Die Wirkung der gestagenfreisetzenden Intrauterinpessare beruht auf der lokalen Hormonwirkung, die Ovulation wird nicht gehemmt (PI 0,1–0,3). Gestagen-Spiralen eignen sich z.B. für Frauen mit Kontraindikationen für orale Hormonpräparate, insbesondere nach dem 40. Lebensjahr. Bei der Kupferspirale induziert die kontinuierliche Abgabe des Metalls eine abakterielle Endometritis und verhindert so die Nidation (PI 0,8–1,5). Beide Varianten haben eine Liegezeit von drei bis fünf Jahren.

Riskante Kontrazeption

  • Kondom (Pearl-Index 2,5–3)
  • Portioklappe/Diaphragma (PI 5–10)
  • Spermizid (PI 10)
  • Coitus interruptus (PI 20–30)

Oft unterschätzt wird die Sicherheit der verschiedenen natürlichen Kontrazeptionsverfahren. Für die Kalendermethode nach Knaus-Ogino muss die Frau das ganze Jahr über die Dauer ihrer Menstruationszyklen penibel dokumentieren. Bei der Berechnung der fertilen Phase ist zu berücksichtigen, dass die Ovulation etwa in der Mitte des Zyklus erfolgt und Spermien drei Tage im Uterus überleben können. Der erste fruchtbare Tag errechnet sich, indem vom kürzesten Zyklus der vergangenen zwölf Monate 18 Tage abgezogen werden. Zur Ermittlung des letzten fertilen Tages müssen vom längsten Zyklus elf Tage subtrahiert werden. Voraussetzung für die Sicherheit sind regelmäßige Zyklen. Das Verfahren eignet sich nicht für Adoleszenz, Menopause und Stillzeit.

Zervikalschleim zusammen mit Basaltemperatur analysieren

Eine weitere natürliche Option, die Temperaturmethode, basiert auf dem postovulatorischen Anstieg der morgendlichen Basaltemperatur um 0,6 °C. Gemessen wird oral, vaginal oder rektal direkt nach dem Aufwachen. Mithilfe von Apps lassen sich die fertilen und infertilen Tage ermitteln. Inzwischen gibt es auch Zykluscomputer mit eigenem Temperaturmessfühler. Beim dritten Verfahren, der Billings-Methode, beobachtet die Frau täglich die Konsistenz ihres Zervikalsekrets. Lässt sich dieses zwischen Daumen und Zeigefinger aufziehen (Spinnbarkeit), spricht dies für einen präovulatorischen Östrogeneffekt. Ein nicht mehr spinnbares Sekret weist dagegen auf eine post­ovulatorische Progesteronwirkung hin – vorausgesetzt, die Veränderung des Zervikalschleims basiert nicht auf einer Interaktion mit Medikamenten (z.B. Antihistaminika, Vaginalcremes). Allerdings haben alle drei Varianten bei alleiniger Anwendung einen zu hohen Pearl-Index, warnt Dr. Findeklee­ Um die Sicherheit zu verbessern, wurde die symptomthermale Methode entwickelt. Diese kombiniert die Kontrolle der Basaltemperatur mit der Analyse des Zervikalsekrets. So lässt sich bei optimaler Anwendung ein PI von 1–1,5 erreichen. Eine unerwünschte Schwangerschaft kann dem beratenden Arzt juristische Probleme bereiten. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Aufklärung mit genauer Dokumentation. Bei starkem Kontrazeptionswunsch oder aus medizinischen Gründen indizierter Verhütung sind andere Methoden zu bevorzugen.

Quelle: Findeklee S. internistische praxis 2021; 63: 680-692