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Zytogenetik zählt: Empfehlungen zu AML anpassen?

Autor: Josef Gulden

AML-Patienten mit Hochrisiko-Karyotyp überleben kürzer. AML-Patienten mit Hochrisiko-Karyotyp überleben kürzer. © iStock/BlackJack3D
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Sofern interne Tandem-Duplikationen in FLT3 höchstens in geringer Allel-Konzentration vorkommen, wird NPM1-Mutationen bei der AML eine gute Prognose zugeschrieben. Eine gepoolte Analyse zeigt: Das ist so nicht richtig.

Mutationen im NPM1-Gen stehen seit 2005 für eine gute Prognose, wenn die Zellen der akuten myeloischen Leukämie (AML) keine Tandem-Duplikationen im FLT3-Gen (FLT3-ITD) aufweisen. Etwas später wurde gefunden, dass dies auch für Erkrankungen mit einer niedrigen Allel-Konzentration von FLT3-ITD gilt. In der ELN*-Leitlinie von 2017 wurde diesen Patienten eine gute Prognose zugesprochen – ohne Rücksicht auf sonstige (zytogenetische) Alterationen.

Dabei ist die Evidenz dafür relativ spärlich: Bislang wurden systematisch nur Patienten mit abnormer und normaler Zytogenetik verglichen. Zusätzlich zu den NPM1-Mutationen vorliegende Karyotyp-Anomalien mit definitiv ungünstigem Risiko wurden nicht getrennt analysiert (z.B. Deletionen/Monosomien von Chromosom 5 oder 7, 17p-Anomalien oder komplexe bzw. monosomale Karyotypen).

Auswirkungen auf die Therapiewahl

Diese Fälle sind vergleichsweise selten, aber eine ungünstige Prognose hätte erhebliche Konsequenzen vor allem für die Post-Remissionstherapie, betonen die Autoren um Dr. Linus Angenendt, Universitätsklinikum Münster. Bisher wird hier nämlich für Personen mit mutiertem NPM1 und fehlender oder niedrig konzentrierter FLT3-ITD keine allogene Stammzelltransplantation empfohlen, weil ihr Rezidivrisiko als gering gilt. Ob das tatsächlich auch bei ungünstigem Karyotyp gilt, untersuchten die Wissenschaftler nun in einer retrospektiven Studie.

Aus den Registern von neun Studiengruppen weltweit wurden die individuellen Daten von insgesamt 2426 Patienten mit AML und NPM1-Mutationen sowie fehlendem oder niedrig konzentriertem FLT3-ITD extrahiert. 2000 von ihnen hatten einen normalen (82,4 %), 426 (17,6 %) einen abnormen Karyotyp. Darunter waren 329 mit chromosomalen Aberrationen, die mit einem intermediären, und 83, deren Zytogenetik mit einem ungünstigen Risiko assoziiert waren.

Schlechteres Überleben auch nach multivariater Analyse

Die Unterschiede im Überleben blieben auch nach einer multivariaten Regressionsanalyse signifikant erhalten. In dieser wurden andere bekannte klinisch-pathologische Risikofaktoren berücksichtigt (bei allen Endpunkten p < 0,001). Umgekehrt war bei den Patienten mit ungünstigem zytogenetischem Risiko eine NPM1-Mutation nicht wie gewohnt mit einer besseren Prognose assoziiert, schreiben Dr. Angenendt und Kollegen.

Ungünstiges Risiko sorgt für weniger Komplettremissionen

Nur letztere Gruppe unterschied sich von den beiden übrigen hinsichtlich der Prognose:
  • Eine Komplettremission war von den Patienten ohne abnormen Karyotyp in 87,7 % der Fälle und von denen mit intermediärem Risiko in 86,0 % der Fälle erzielt worden; von denen mit Hochrisiko-Karyotyp hingegen nur in 66,3 % der Fälle (jeweils p < 0,001).
  • Die stärksten Unterschiede waren beim Fünf-Jahres-Gesamtüberleben (52,4 % vs. 44,8 % vs. 19,5 %; p < 0,001) zu beobachten sowie
  • beim ereignisfreien Fünf-Jahres-Überleben (40,6 % vs. 36,0 % vs. 18,1 %; p < 0,01).
  • Umgekehrt war das kumulative Fünf-Jahres-Risiko für ein Rezidiv bei den Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik am höchsten (43,6 % vs. 44,2 % vs. 51,9 %; p = 0,0012).
Das Fazit der Autoren: Patienten mit ungünstigem zytogenetischem Risiko haben also auch beim Vorliegen einer NPM1-Mutation das gleiche hohe Risiko für Rezidiv und Tod wie diejenigen mit NPM1-Wildtyp. Das zytogenetische Risiko dominiert damit das molekulare Risiko bezüglich NPM1 und FLT3-ITD. Diese Patienten sollten daher entgegen den ELN-Empfehlungen entsprechend klassifiziert und behandelt werden, sprich, ihnen sollte nach einer Remission eine allogene Stammzelltransplantation angeboten werden. 

* European LeukemiaNet

Quelle: Angenendt L et al. J Clin Oncol 2019; 37: 2632-2642; DOI: 10.1200/JCO.19.00416