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Medikamentenallergie im Kindesalter Allergiepass nicht ungeprüft ausstellen

Autor: Maria Weiß

Nach Auswertung von Fragebögen konnten nur 0,11 % der angegebenen Antibiotikaallergien bestätigt werden. Nach Auswertung von Fragebögen konnten nur 0,11 % der angegebenen Antibiotikaallergien bestätigt werden. © Kostia – stock.adobe.com
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Jedes zwanzigste Kind, das in die Notaufnahme kommt, hat den Angaben der Eltern zufolge eine Medikamentenallergie. Oft stecken aber ganz andere Dinge dahinter, sodass die Hauptaufgabe darin besteht, zu „de-labeln“.

Echte Medikamentenallergien (MA) sind bei Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahre sehr selten, betonte Prof. Dr. ­Eckard ­Hamelmann, Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel Bielefeld. Von den 5 % selbst berichteten MA sind nur etwa 5 % echte Allergien, bei 13- bis 17-Jährigen liegt der Anteil bei etwa 10 %. Die häufigsten Auslöser einer echten MA bei Kindern sind Antibiotika, NSAR und oft auch die spezifische Immuntherapie. Einmal ausgesprochen, wird die vermeintliche Diagnose einer MA oft ungeprüft über viele Jahre fortgetragen – mit weitreichenden Konsequenzen.

75 % dieser zumeist falschen Dia­gnosen werden bereits vor dem dritten Lebensjahr gestellt. Bei einer Umfrage mit über 10.000 Fragebögen kreuzten 7,9 % der Eltern an, dass ihr Kind unter einer Antibiotikaallergie leidet. Dies ließ sich aber nur bei 0,11 % durch ein positives Testergebnis bestätigen. Oftmals werden dann bei vermeintlichen Allergien alternative Antibiotika eingesetzt, die nicht nur teurer, sondern oft auch weniger wirksam und nebenwirkungsreicher sind. 

Wie kommt es aber zu diesen Fehldiagnosen? Häufig handelt es sich bei der vermeintlichen Reaktion auf ein Medikament um einen Hautausschlag als Symptom der Virus­infektion. Bei urtikariellen Symptomen ist zu bedenken, dass im Rahmen von kindlichen Virus­infekten auch häufiger eine spontane Urtikaria auftritt. Bekommen Kinder mit einer Epstein-Barr-Virus-Infektion Ampicillin, entwickeln 50 % von ihnen einen Hautausschlag. Hierbei handelt es sich nicht um eine echte Allergie, die Reaktion wird nur über die Viren vermittelt. Ein Allergiepass wäre hier also fehl am Platz, betonte der Allergologe.

Natürlich gibt es auch bei Kindern echte MA, die durchaus zu gefährlichen Situationen führen können. Dazu gehört die IgE-vermittelte Anaphylaxie (Typ 1), bei der 1–6 Stunden nach der Medikamentengabe Symptome wie Urtikaria, Angioödem, Rhinokonjunktivitis, gastrointestinale Störungen, Bronchospasmus oder Schock auftreten. Davon abzugrenzen ist die nicht-IgE-vermittelte Pseudoallergie durch Mastzellaktivierung. Dabei kommt es unmittelbar nach der Medikamentengabe zu Urtikaria, Ausschlag, Angio­ödem und leichtem Fieber.

Darüber hinaus gibt es verzögert auftretende Typ-4-Reaktionen wie die Typ-4b-Reaktion, bei der sich 7–14 Tage nach der Medikamentengabe typischerweise ein makulopapilläres Exanthem zeigt. Gefürchtet ist das Stephens-Johnson-Syndrom (Typ 4c). Dabei entwickeln die Betroffenen 4 bis 28 Tage nach der Medikamentengabe ein makulöses Exanthem mit Blasenbildung, Mukositis, hohem Fieber und reduziertem Allgemeinzustand. Das DRESS (drug rash with eosinophilia and systemic symptoms) ist ebenfalls eine Typ-4c-Allergie. Nach 2–8 Wochen imponiert ein masernähnlicher Ausschlag mit Eosinophilie und Fieber.

Bei jedem Kind mit vermeintlicher Medikamentenallergie sollte eine sorgfältige allergologische Abklärung erfolgen, forderte Prof. Hamelmann. Diese schließt eine gründliche Anamnese ein, die die klinischen Manifestationen und Vorbefunde, alle Angaben zur Medikation (Indikation, Präparat, genaue Dosierung, Dauer) sowie den genauen zeitlichen Ablauf erfasst. Die alleinige Aussage der Eltern „das Kind hat eine Allergie“ reicht also nicht.

Zur weiteren Abklärung gehören Hauttests (Pricktest vor Intradermal-Test), die aber nur bei einem Teil der Betroffenen positiv sind. Um auch verzögerte Reaktionen zu erfassen, sollte unbedingt eine Spätablesung erfolgen. Systemische Reaktionen auf die Hauttests sind zwar selten, können aber im Einzelfall vorkommen, sodass ein Notfallset bereitstehen sollte. 

Bei negativem Hauttest und schweren anaphylaktischen Reaktionen sollte in vitro bevorzugt spezifisches IgE bestimmt werden. Zelluläre Tests wie der Basophilen-Aktivierungstest sind bei Kindern schwer durchzuführen, da sie eine umfangreiche Blutabnahme erfordern und nur in spezialisierten Zentren vorgenommen werden können. Tatsache ist, dass es nur für wenige Medikamente validierte Tests gibt, sodass eine sichere Diagnose der MA nicht möglich ist. Passen die Befunde nicht zusammen, bleibt oft nur der Provokationstest. Dieser sollte ausschließlich in erfahrenen Zentren unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen erfolgen.

Quelle: Kongressbericht 14. Allergologie-Update-Seminar