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Antibiose bei Säuglingen fördert die Entwicklung von Allergien, Übergewicht und ADHS

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Antibiotika setzen der empfindlichen Darmflora von Säuglingen zu und können dabei Erkrankungen den Weg bahnen. Antibiotika setzen der empfindlichen Darmflora von Säuglingen zu und können dabei Erkrankungen den Weg bahnen. © Pavlo – stock.adobe.com
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Bakterienkiller ebnen womöglich einer Vielzahl von Krankheiten den Weg. Wahrscheinlich sind es Veränderungen in der Darmflora, die den Stoffwechsel durcheinanderbringen und Immunsystem sowie Neuro­physiologie stören.

Das Mikrobiom des menschlichen Organismus interagiert in vielfacher Weise mit den Körperzellen. Antibiotika, die der Darmflora zusetzen, könnten daher die gesundheitliche Entwicklung insbesondere von Kindern beeinflussen.

70 % der Kleinen bekamen mindestens einmal Antibiotika

Bislang waren die Auswirkungen der Antiinfektiva lediglich mit Blick auf einzelne und ganz bestimmte Krankheiten analysiert worden. Nun haben Wissenschaftler den Einfluss der bakterientötenden Substanzen auf eine ganze Reihe von Erkrankungen untersucht, die potenziell auf eine gestörte Darmflora zurückzuführen sind. Sie griffen dabei auf die Datensätze von 14 572 Kindern zurück, die im Rahmen des ­Rochester ­Epidemiology ­Projects erhoben worden waren. 70 % der Mädchen und Jungen hatten in ihren ersten beiden Lebensjahren zumindest eine Antibiotikaverordnung erhalten. Die Wissenschaftler ermittelten, ob diese Kinder später häufiger an bestimmten Krankheiten litten als ihre Altersgenossen, die keine solchen Medikamente bekommen hatten. 

In der Nachbeobachtungszeit von median 8,8 Jahren zeigten sich deutliche Zusammenhänge zwischen der Antibiotikaeinnahme und dem erhöhten Risiko für frühes Asthma, allergische Rhinitis, atopische Dermatitis, Zöliakie, Übergewicht und Adipositas sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Die ­Hazard ­Ratios lagen zwischen 1,20 und 2,89. Die Risikoerhöhungen für die einzelnen Erkrankungen variierten mit dem Alter der Kinder bei Antibiotikaeinnahme, die mehrfache Verordnung steigerte die spätere Erkrankungsrate.

Antiinfektiva werden auch für die Schweinemast eingesetzt

Zwar lässt die Methodik der vorliegenden Studie keine Kausalschlüsse zu, dennoch ist die Assoziation zwischen den Antiinfektiva und der Zunahme von Erkrankungen deutlich, schreiben die Studienautoren. Zusammen mit ganz ähnlichen Resultaten aus prospektiven Tierstudien und angesichts plausibler theoretischer Erklärungen legt das ihrer Ansicht nach einen ursächlichen Zusammenhang nahe.

Zum einen kompromittiere eine frühe Antibiotikaexposition­ das noch unreife Mikrobiom und könne über Störungen der Immunentwicklung zu Asthma, allergischer Rhinitis und Dermatitis führen, erläutern die Wissenschaftler. Zum Zweiten könne eine frühe Antibio­tikaeinnahme eine Gewichtszunahme zur Folge haben, was bereits in anderen Be­obachtungsstudien dokumentiert und im Mausmodell prospektiv verifiziert worden sei. Bekanntlich werde in der Schweinemast zur Wachstumsförderung schon lange auf niedrig dosierte Antibiotika zurückgegriffen, erinnern die Autoren. Und dass, wie in ihrer Studie gezeigt, ein verändertes Mikrobiom auch Verhaltensstörungen wie ADHS begünstigt, sei ebenfalls bereits gut dokumentiert­.

Quelle: Aversa Z et al. Mayo Clin Proc 2021; 96: 66-77; DOI: 10.1016/j.mayocp.2020.07.019