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Antibiotikatherapie nicht unnötig in die Länge ziehen

Autor: Kathrin Strobel

In den letzten Jahren wurde das Bewusstsein für die mit Antibiotika in Zusammenhang stehenden Probleme (allen voran die Resistenzbildung) geschärft. In den letzten Jahren wurde das Bewusstsein für die mit Antibiotika in Zusammenhang stehenden Probleme (allen voran die Resistenzbildung) geschärft. © iStock/Scharvik
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Mittelohrentzündung, Harnwegsinfekt, Pneumonie: Bei all diesen Krankheiten werden in der Regel Antibiotika verordnet – und das oft unnötig lange, kritisiert ein Kollege. Er fordert ein grundlegendes Umdenken, hin zu einer vernünftigen Verschreibungspraxis.

Pro Jahr werden in Deutschland etwa 1000 Tonnen Antibiotika verschrieben. Zwei Drittel davon gehen auf das Konto von Tierärzten. Für das verbleibende Drittel ist die Humanmedizin verantwortlich – und davon stammen wiederum ca. 85 % aus dem ambulanten Bereich.

In den letzten Jahren wurde das Bewusstsein für die mit Antibiotika in Zusammenhang stehenden Probleme (allen voran die Resistenzbildung) geschärft. Dieses vermehrte Verständnis schlägt sich inzwischen auch in den Verordnungszahlen nieder, erklärte Professor Dr. Reinhard Berner vom Uniklinikum Dresden. So hat der Gesamtverbrauch in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2018 um insgesamt 21 % abgenommen. „Und Kinderärzte sind die Vorreiter, was die vernünftige Antibiotikaverschreibungspolitik angeht“, betonte der Kollege mit Blick auf Zahlen aus Deutschland und den USA.

Im Osten gibt’s die niedrigsten Verschreibungszahlen

Allerdings beobachte man in beiden Ländern noch erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Regionen. Hierzulande findet man über alle Patientenaltersgruppen im Osten des Landes die niedrigsten Verschreibungszahlen. Eine richtig gute Erklärung gibt es dafür nicht, so der Experte.

Relevant ist aber nicht nur, wie viel insgesamt verordnet wird, sondern auch wie lange. Denn: Eine der effektivsten Möglichkeiten, Antibiotika einzusparen, ist, die Behandlung möglichst kurz zu halten. Noch immer werden zahlreiche Infektionskrankheiten unnötig lange behandelt, beklagte der Kollege. Die Empfehlungen zur Dauer antibiotischer Therapien seien ein Paradebeispiel für Irrationalität in der Medizin. Die Streptokokken-Angina über zehn Tage zu behandeln, habe sich beispielsweise „ohne jegliche wissenschaftliche Evidenz“ etabliert – und diese Praxis sei dann für zahlreiche weitere Infektionskrankheiten ungeprüft übernommen worden. Dabei haben inzwischen alle zu diesem Thema durchgeführten randomisiert-kontrollierten Studien bewiesen, dass eine kurze Therapie genauso effektiv ist wie eine längere. So reicht für die Behandlung einer unkomplizierten Otitis media aus Sicht des Referenten in der Regel eine fünftägige Therapie aus.

Studien zeigen, dass sich die bisherigen Empfehlungen zur Behandlungsdauer tief in die Köpfe der Ärzte eingebrannt haben – trotz aller Beweise dafür, dass diese nicht gerechtfertigt sind. Ein möglicher neuer Ansatz wäre beispielsweise, im stationären Sektor „standards of care“ zu etablieren, die z.B. von der Krankenhausleitung und einer Kommission aus Experten verabschiedet und von allen angestellten Ärzten umgesetzt werden.

Kurze Behandlungsdauer fördert wohl keine Resistenzen

Abweichungen muss der verschreibende Arzt schriftlich begründen. In einer US-amerikanischen Studie an einem Krankenhaus mit knapp 700 Betten konnte man durch ein solches Vorgehen den Antibiotika-Verbrauch für alle Krankheitsbilder deutlich reduzieren – und zwar ohne Auswirkungen auf die Sterblichkeit.

Übrigens: Dass eine kurze Behandlungsdauer zur vermehrten Resistenzbildung führt, ist nicht belegt. Vielmehr scheinen Resistenzen gehäuft aufzutreten, wenn Antibiotika zu lange und in zu niedriger Dosierung gegeben werden, erklärte der Referent.

Quelle: 13. Pädiatrie-Update-Seminar (Online-Veranstaltung)