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Asymptomatische Mitralinsuffizienz: Klare Empfehlungen für Klappeneingriff gesucht

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Bei guter Belastbarkeit lässt sich ein operativer Eingriff um ein Jahr hinausschieben. Bei guter Belastbarkeit lässt sich ein operativer Eingriff um ein Jahr hinausschieben. © iStock/miralex
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Die meisten Patienten mit schwerer primärer Mitralinsuffizienz müssen sich früher oder später einem Klappeneingriff unterziehen. Gerade bei asymptomatischen Betroffenen ist der optimale Zeitpunkt dafür umstritten.

Etwa jeder Zehnte über 75 Jahre hat eine deutliche Mitralinsuffizienz. Bis eine klare Indikation für eine Intervention vorliegt, vergehen mitunter Jahre. Im Allgemeinen richtet sie sich nach Symptomen und Untersuchungsbefunden. Die derzeitigen Leitlinien zum Vorgehen beruhen aber oftmals auf Studien, die unterschiedslos symptomatische und asymptomatische Betroffene einschlossen.

Ob man bei einem Kranken, der sich eigentlich gar nicht krank fühlt, ebenso zügig zum Skalpell greifen sollte wie bei fortgeschrittenen Insuffizienzzeichen, ist mindestens umstritten, schreibt das Team um Dr. Nir Flint vom Smidt Heart Institute am Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles in seiner Übersichtsarbeit.

Der Entscheidungsprozess über das optimale Vorgehen beginnt damit, die Schwere der Klappenfunktionsstörung einzuschätzen. Dazu ziehen Kardiologen in erster Linie die farbkodierte Doppler-Echokardiographie heran. Auch Parameter aus der klassischen zwei- und dreidimensionalen transthorakalen oder transösophagealen Echokardiographie können helfen (s. Tabelle). Sichere Grenzwerte, die den Weg zur weiteren Therapie weisen, existieren für asymptomatische Patienten bislang nicht.

Herz-Echo bei Mitralinsuffizienz
ParameterAussage über
linksventrikulärer endsystolischer Durchmesser (LV-ESD) Volumenbelastung
linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LV-EF)linksventrikuläre Funktionsfähigkeit (Spätmaß)
linksventrikulärer globaler longitudinaler „Strain“ (LV-GLS)Deformierung der linken Herzkammer, soll Pumpstörung früher erkennen als die EF

Kurzzeitprognose mittels BNP-Wert einschätzen

Daher sollten Sie sie wiederholt, in regelmäßigen Abständen nachuntersuchen, empfehlen die Kollegen. So können Sie den Verlauf der Werte beurteilen und eventuelle Verschlechterungen frühzeitig erkennen.

Das B-natriuretische Peptid (BNP) stellt möglicherweise einen relativ empfindlichen Parameter dar, der die Kurzzeitprognose einschätzen lässt. Bei Konzentrationen unterhalb einer bestimmten Schwelle – über deren genauen Wert die Experten sich aber noch nicht einig sind – entwickeln Betroffene wohl wesentlich seltener Symptome oder eine LV-Funktionsstörung, obwohl das Echo einen schweren Rückfluss über der Klappe gemessen hatte. Aber auch hier gilt: Nur bei Kontrollmessungen haben die Werte wirklich Aussagekraft. Ansteigende BNP-Spiegel (auch wenn sie alle noch im Normbereich liegen) warnen davor, dass das Myokard langsam in die Knie geht.

Auch die klassischen Belastungstests der Kardiologie sollte man nicht vergessen. Vorsicht, wenn die Echokardiographie im Vergleich zu Ruhemessungen während einer körperlichen Anstrengung plötzlich eine verstärke Regurgitation in den linken Vorhof zeigt: Diese Kranken laufen Gefahr, in absehbarer Zeit Beschwerden zu entwickeln.

Umgekehrt kann man bei Patienten mit guter Belastbarkeit einen operativen Eingriff um etwa ein Jahr hinausschieben, ohne sie damit zu gefährden, schreiben die Fachleute. Eine Blutabnahme zur BNP-Messung unter Belastung ergänzt die Diagnostik sinnvoll.

Und schließlich hat sich die Kardio-MRT als nützlich erwiesen, wenn die Echo-Befunde nicht eindeutig ausfallen oder verschiedene Verfahren zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Dabei sollten die Untersucher verschiedene MR-Sequenzen verwenden, denn den einzigen allein selig machenden Befund gibt es auch hier nicht.

Eine Rekonstruktion ist dem Klappenersatz vorzuziehen

Wenn sich das interdisziplinäre Team aus Kardiologen und Kardio­chirurgen geeinigt hat, dass der klinische Verlauf nun für die OP spricht, sollte wann immer möglich die Rekonstruktion der Klappe erfolgen, nicht deren Ersatz, betonen Dr. Flint und Kollegen. Und das geschieht am besten in einem Zentrum mit entsprechender Erfahrung. Denn zu häufig noch wird in kleineren Häusern eine Klappe ersetzt, die gut reparabel gewesen wäre.

Nach der Rekonstruktion entspricht die Lebenserwartung von Patienten meist der der Allgemeinbevölkerung. Dennoch sollten Sie die Valva weiter auf dem Schirm haben, denn über die Jahre kann eine erneute Insuffizienz auftreten. Und die macht dann tatsächlich oft eine Kunstklappe unausweichlich. Alternativ scheinen perkutane Techniken zur Behandlung der Mitralinsuffizienz, wie ein Edge-to-Edge Repair, vielversprechend, vor allem bei Hochrisikopatienten. Endgültige Aussagen zu ihrem Stellenwert lassen sich aber noch nicht treffen.

* B-Type Natriuretic Peptide

Quelle: Flint N et al. JAMA Cardiology 2020; DOI: 10.1001/jamacardio.2019.5466