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Unklares Fieber Aufklärung anstreben statt auf Verdacht therapieren

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Hinter jedem vierten Fall unklaren Fiebers 
steckt ein Karzinom. Hinter jedem vierten Fall unklaren Fiebers steckt ein Karzinom. © iStock/demaerre
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Das Fieber unbekannter Ursache ist eine harte Nuss. Trotzdem sollte man bei der Suche nach dem Auslöser nicht lockerlassen. Zwei Experten erläutern, wie man dabei strategisch vorgeht.

Wenn ein Fieber > 38,3 °C mehr als drei Wochen andauert und sich mit den Standardmethoden keine Ursache ermitteln lässt, spricht man von einem Fieber unbekannter Ursache (Fever of Unknown Origin, FUO). Um selbstlimitierendes Fieber auszuschließen, ist die zeitliche Grenze von drei Wochen nur als Orientierung zu sehen, schreiben Dr. Ghady Haidar und Dr. Nina Singh vom Department of Medicine, University of Pittsburgh School of Medicine. Bei den Ursachen führen weltweit noch immer Infektionen. In Ländern mit höheren Einkommen werden inzwischen Infektionen sowie Autoimmun- und inflammatorische Erkrankungen zu gleichen Teilen als Auslöser ermittelt. In etwa der Hälfte der Fälle bleibt der Hintergrund jedoch unklar.

Kontakt zu Tieren und Milchkonsum abfragen

Grundlage der Diagnostik bilden eine detaillierte Anamnese und die körperliche Untersuchung. Dabei muss man insbesondere auf die Haut, Gelenke, Lymphknoten, Medikamentenanamnese (inklusive Antibiotika), Exposition gegenüber Nahrungsmitteln (z.B. unpasteurisierte Milch), Kontakt zu Tieren sowie zurückliegende Reisen achten. Falls der Patient stabil und nicht neutropenisch ist, werden Antibiotika abgesetzt.

Das initiale Labor umfasst neben Differenzialblutbild und umfassenden Stoffwechselparametern auch Entzündungsparameter (CRP, BSG), Blutkulturen (zweifach) und einen HIV-Test. In Abhängigkeit von Anamnese und körperlicher Untersuchung können Echokardiographie und CT-Aufnahmen von Thorax, Abdomen, Becken und ggf. weiteren Regionen erforderlich werden. Je nach Verdacht kommen weitere Verfahren ins Spiel, diese reichen von spezifischen Laboruntersuchungen (Serologie, Rheumadiagnostik) bis zur Biopsie von Lymphknoten oder Temporalarterie.

Um Struktur in die Vielfalt der möglichen Hintergründe eines Fiebers unklarer Ursache zu bringen, erweist sich die klassische Einteilung weiterhin als hilfreich. Sie umfasst die vier Kategorien:

  • klassisch
  • nosokomial
  • immundefizienz-assoziiert
  • reiseassoziiert

Auslöser des klassischen FUO sind z.B. Infektionen, Krebserkrankungen, autoinflammatorische oder autoimmune Erkrankungen und Medikamentenwirkungen. Zu den potenziellen bakteriellen Ursachen gehören u.a. Tuberkulose, Morbus Whipple, Salmonellosen, Endokarditis, Abszesse und Syphilis. Unter möglichen viralen Erregern befinden sich das Cytomegalie­virus, das Epstein-Barr-Virus und verschiedene Herpesviren. Schließlich kommen auch Pilzinfektionen, Zoo­nosen und vektorübertragene Erkrankungen als Auslöser in ­Betracht.

25 % aller FUO-Fälle gehen auf Krebserkrankungen wie z.B. Nierenzellkarzinome, Lymphome sowie hepatozelluläre und ovarielle Karzinome oder Vorhofmyxome zurück. Pathophysiologisch wird das Fieber vermutlich durch die Produktion pyrogener Zytokine und/oder eine spontane Tumornekrose ausgelöst.

Autoinflammatorische und autoimmune Erkrankungen finden sich etwa in 5–32 % als Auslöser eines Fiebers unklarer Ursache, Beispiele sind der Morbus Still, die Riesenzellarteriitis oder die rheumatoide Arthritis. Eine neuere Ursache ist das Immunrekonstitutionssyndrom, eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf eine opportunistische Infektion nach Ende einer immunsuppressiven Therapie.

Moderne Diagnostik bei unklarem Fieber

Oft lässt sich trotz intensiver Suche kein Auslöser für ein FUO finden. Dann kommen zwei Verfahren ins Spiel, die nach Ansicht der Autoren zukünftig immer wichtiger werden. Eines davon ist die PET-CT mit schwach radioaktiv markierter Zuckerlösung (18F-FDG). Sie weist eine erheblich bessere Ausbeute aus als die konventionelle CT und spürt vor allem Neoplasien und Infektionen auf. Nachteile sind jedoch Verfügbarkeit und Kosten. Große Hoffnung setzt man auch auf die Molekulardiagnostik, speziell das Next Generation Sequencing. Mit dieser verbesserten DNA-Sequenzierung sollen pathogene Erreger schneller und zuverlässiger erkannt werden als mit konventionellen Methoden.

Betalaktam-Antibiotika lassen oft fiebern

Zwischen 3 % und 7 % aller klassischen FUO bei hospitalisierten Patienten lassen sich auf Medikamente zurückführen, ein knappes Drittel davon auf Antibiotika, insbesondere Betalaktame. Nosokomiale FUO beruhen oft auf Infektionen, z.B. einer Pneumonie oder einer Clostridium-difficile-Infektion. Typische Herde sind infizierte Katheter oder ein Dekubitus. Es können aber auch nicht-infektiöse Ursachen wie ein Apoplex oder thromboembolische Ereignisse dahinterstecken. Ein immundefizienzassoziiertes Fieber unklarer Ursache findet sich vor allem bei Organtransplantierten, Patienten mit Neutropenie, HIV-Infizierten ohne hochaktive Therapie und Patienten nach Stammzelltransplantation. Das reiseassoziierte FUO wird am häufigsten durch Malaria, Typhus und Leptospirose ­induziert. Bleibt die Ursache des Fiebers trotz moderner Diagnostik weiterhin unklar, empfehlen die Autoren eine empirische antiinflammatorische Behandlung. Außerdem soll der Patient darüber informiert werden, dass bei bis zu 50 % der FUO kein Auslöser gefunden wird und zunächst Watchful Waiting angesagt ist.

Quelle: Haidar G, Singh N. N Engl J Med 2022; 386: 463-477; DOI: 10.1056/NEJMra2111003