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Chronische Nierenerkrankung Ballaststoffe hui, Phosphat pfui

Autor: Sabine Mattes

Gewichtsreduzierende Maßnahmen sollten immer von einem Arzt oder Ernährungstherapeuten begleitet werden. Gewichtsreduzierende Maßnahmen sollten immer von einem Arzt oder Ernährungstherapeuten begleitet werden. © Chinnapong – stock.adobe.com
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Die richtige Lebensmittelauswahl kann großen Einfluss auf den Verlauf einer chronischen Nierenerkrankung haben. Was gehört zu einer nierengesunden Ernährung und was muss der Patient vermeiden?

Nur wenige Lebensmittel wirken unmittelbar auf die Nieren. Viele beeinflussen sie jedoch auf Umwegen. Durch die richtige Ernährung lässt sich das Fortschreiten einer Niereninsuffizienz verlangsamen, erklärt Dr. Susanne Fleig aus der Klinik für Altersmedizin der Uniklinik RWTH in Aachen. Die typische westliche Ernährungsweise allerdings – mit viel Fett, Zucker und einem geringen Ballaststoffanteil – fördert Bluthochdruck, Übergewicht und schädigt die Gefäße. Darunter leiden letztendlich alle Organe.

Empfehlenswerter ist eine frische, pflanzenbasierte (und damit ballaststoffreiche) Kost, die zu etwa einem Drittel durch Fisch oder Fleisch ergänzt wird. Diese Voraussetzungen erfüllen z.B. die Okinawa- oder DASH-Diät sowie mediterrane Kostformen. „Eine herzgesunde Ernährung ist auch gut für die Nieren“, betont die Wissenschaftlerin, da diese kardiovaskuläre Schäden verhindert.

Von einer faserreichen Nährstoffaufnahme profitiert auch das intes­tinale Mikrobiom – und damit der ganze Körper. Für Nierenkranke ist dies von ganz besonderer Bedeutung: Ist die Aufnahme von Ballaststoffen zu gering, vermehren sich im Darm die eiweißzersetzenden Bakterien. Das führt dazu, dass extrem viele Toxine anfallen. Bei unzureichender Nierenfunktion­ können diese nicht mehr richtig ausgeschieden werden. Sie reichern sich an, schädigen die Gefäße und erhöhen das Atheroskleroserisiko.

Den Konsum von Salz und Phosphat einschränken

Eine direkte Nierenschädigung erfolgt meist durch Medikamente wie NSAR oder bestimmte Antibiotika, so Dr. Fleig. Es gibt jedoch auch Pflanzen, die nephrotoxische Inhaltsstoffe enthalten. So sind z.B. Osterluzeigewächse verantwortlich für die „Balkan-Nephropathie“. Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) sollten auf Sternfrüchte verzichten, da sie das darin enthaltene Toxin Caramboxin nicht richtig ausscheiden können. Neigen Menschen zu Nierensteinen, rät die Wissenschaftlerin dazu, Oxalsäure zu vermeiden.

Daneben müssen Nierenpatienten vor allem ihren Salz- und Phosphatkonsum überwachen: Die täglich aufgenommene Salzmenge sollte 5 g nicht überschreiten. Phosphat wirkt gefäßschädigend und findet sich in großer Menge in Geschmacksverstärkern, z.B. in Fertiggerichten und Softdrinks. Für CKD-Patienten ist der Ursprung des Phosphats sehr wichtig, präzisiert Dr. Fleig: „Als Zusatzstoff in Fertiggerichten wird es zu einem viel höheren Anteil vom Körper aufgenommen als aus natürlichen Quellen wie Salat oder Gemüse.“ Besonders Fleischersatzprodukte aus dem Supermarkt enthalten oft geschmacksverstärkende Zusatzstoffe und damit auch sehr viel Phosphat.

Obst- und Gemüsesorten mit wenig Kalium auswählen

Auch ihre Kalium- und Protein­zufuhr müssen Nierenkranke im Auge behalten. Die Empfehlungen sind heute allerdings weniger streng als früher. Ein Verzicht auf Obst und Gemüse aus Angst vor einer Hyperkaliämie wird nicht mehr befürwortet, da man dem Körper dadurch eine wichtige Ballaststoff­quelle entzieht, erläutert Dr. Fleig. Sie rät, die Obst- und Gemüsesorten auszuwählen, die bei hohem Ballaststoffanteil gleichzeitig möglichst wenig Kalium enthalten. Erhöhte Kaliumwerte müssen im Gegenzug nicht unbedingt mit der Ernährung zusammenhängen, oft hat diese einen geringeren Einfluss als angenommen.

Ein Umdenken empfiehlt sich auch hinsichtlich der Eiweißzufuhr: Die Empfehlungen zur Eiweiß­restriktion entstammen einer Studie aus dem Jahr 1989. Durch zeitgemäße Medikamente lässt sich der damals festgestellte leichte Effekt auf die GFR heute gut kompensieren. „Nimmt man zu wenig Eiweiß zu sich, werden Muskeln und Knochen abgebaut“, warnt Dr. Fleig. Es besteht die Gefahr einer Mangelernährung und einer Sarkopenie – beides erhöht das Mortalitätsrisiko. Das Ziel muss sein, die bestehende Muskelmasse wenigstens zu erhalten. Die dazu notwendige Eiweißmenge beträgt 0,8 g/kgKG/d. Entgegen der langjährigen Meinung ist es dafür unerheblich, ob das Eiweiß aus tierischer oder pflanzlicher Quelle stammt.

Den Eiweißshake nach dem Training kann die Wissenschaftlerin CKD-Patienten trotzdem nur bedingt empfehlen. Grundsätzlich könne eine höhere Eiweißmenge den Muskelaufbau unterstützen, aber die ehemalige Empfehlung zur Eiweißrestriktion kehre sich nicht ins Gegenteil um: „Es wird keine besonders proteinreiche Kost bei CKD empfohlen“, warnt sie – und der Grenzwert ist mit einer ausgewogenen Ernährung schnell erreicht. Gewichtsreduzierende Maßnahmen sollten immer von einem Arzt oder Ernährungstherapeuten begleitet werden.

Quelle: Fleig S. Nierenarzt/Nierenärztin 2023; 5: 36-42