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Schwangerschaft Behandelte und unbehandelte Depressionen beeinflussen das kindliche Gehirn

Autor: Sabine Mattes

Als Behandlungsalternative biete sich eine Psychotherapie an, sie sei jedoch nicht in allen Situationen geeignet oder durchführbar. Als Behandlungsalternative biete sich eine Psychotherapie an, sie sei jedoch nicht in allen Situationen geeignet oder durchführbar. © Mary Long - stock.adobe.com
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Sollen depressive Frauen eine SSRI-Medikation fortführen, wenn sie schwanger werden? Die Entscheidung ist schwierig. Einer Studie zufolge haben sowohl die Einnahme von SSRI in der Schwangerschaft als auch eine unbehandelte Depression Folgen auf das Kindliche Gehirn.

Bei der Behandlung depressiver Symptome in der Schwangerschaft sollte der Einsatz von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) sorgfältig abgewogen werden. Die Ergebnisse einer niederländischen Studie weisen darauf hin, dass eine fetale Arzneimittelexposition für die Gehirnentwicklung der Kinder nicht folgenlos bleibt – genauso wie unbehandelte depressive Symptome bei den Müttern. 

In die Studie eingeschlossen wurden insgesamt 3.198 Mutter-Kind-Paare mit Geburtstermin zwischen 2002 und 2006. Die Wissenschaftler um Dr. Dogukan Koc von der Erasmus Universität Rotterdam teilten die Mütter in fünf verschiedene Gruppen ein: 

  • SSRI-Einnahme pränatal (n = 41)
  • SSRI-Einnahme bis Schwangerschaftsbeginn (n = 77)
  • unbehandelte pränatale depressive Symptome (n = 257)
  • unbehandelte postnatale depressive Symptome (n = 74)
  • Kontrollen (n = 2.749)

Zur Analyse der Gehirnstruktur führten die Forscher bei den Kindern im Alter zwischen sieben und fünfzehn Jahren mehrere MRT-Scans durch. 
Bei Kindern mit pränataler SSRI-Exposition zeigten die Scans im Vergleich zu den Kontrollen ein um 5–10 % geringeres Volumen an grauer Masse im Gehirn. Besonders betroffen war das kortikolimbische System, das an der Emotionsverarbeitung beteiligt ist. Der Unterschied blieb bis zum Ende der Follow-ups mit 15 Jahren bestehen. Zu Beginn der Auswertung beobachtete Größenunterschiede in Gyrus fusiformis und Amygdala glichen sich bis zum Teenageralter wieder aus. 

Auch unbehandelte depressive Symptome der Mütter beeinflussten die Gehirnentwicklung: Pränatal standen sie mit einem geringeren Volumen des posterioren Gyrus cinguli, postnatal mit einem kleineren Gyrus fusiformis in Verbindung. Setzten die Frauen die SSRI zu Schwangerschaftsbeginn ab, ließ sich im Vergleich zu den Kontrollen keine Veränderung der cerebralen Struktur erkennen. 

Bei den Ergebnissen handle es sich um einen ersten wichtigen Schritt, erklärt Prof. Dr. Ardesheer Talati, Department of Psychiatry, Columbia University, New York, im begleitenden Editorial. Um klinische Implikationen abzuleiten, bedürfe es weiterer Analysen, die Rückschlüsse auf mögliche psychologische bzw. psychiatrische Folgen erlaubten. Auf Basis der vorliegenden Studie alleine ließe sich weder der Verzicht auf Antidepressiva noch deren Einsatz während einer Schwangerschaft befürworten. Als Behandlungsalternative biete sich eine Psychotherapie an, sie sei jedoch nicht in allen Situationen geeignet oder durchführbar.

Quellen:
1. Koc D et al. JAMA Psychiatry 2023; DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2023.3161
2. Talati A. JAMA Psychiatry 2023; DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2023.2664