Anzeige

PMR und RZA Behandlung mit Treat-to-Target vereinheitlichen und optimieren

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Komorbiditäten sollten bei der Festelgung des Behandlungsziels immer mit betrachtet werden. (Agenturfoto) Komorbiditäten sollten bei der Festelgung des Behandlungsziels immer mit betrachtet werden. (Agenturfoto) © toa555 – stock.adobe.com
Anzeige

Bislang sind die Managementstrategien bei Poly­myalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis heterogen. Eine Expertengruppe hat nun erstmals ein Treat-to-Target-Konzept für beide Erkrankungen entwickelt.

Riesenzellarteriitis (RZA) und Polymyalgia rheumatica (PMR) sind einander überlappende entzündlich-rheumatische Krankheitsentitäten, die vor allem ältere Menschen treffen. Beide werden standardmäßig mit Glukokortikoiden behandelt, was mit den bekannten Nebenwirkungen einhergeht. Inzwischen wurde der Interleukin-6-Hemmer Tocilizumab für die RZA zugelassen, zudem befinden sich für beide Erkrankungen weitere Medikamente in der klinischen Prüfung.

Vor diesem Hintergrund hat eine 29-köpfige multidisziplinäre ­Expertengruppe um Dr. Christian ­Dejaco von der Abteilung für Immunologie und Rheumatologie an der Medizinischen Universität Graz erstmals Treat-to-Target-Empfehlungen für RZA und PMR entwickelt. Sie sollen ein strategisches Konzept für das Management dieser Erkrankungen bieten. Zahlreiche Grundlagen wie ­Definitionen und Tools zur Beurteilung von Ansprechen, Remission, Rezidiv oder vaskulärem Schaden müssen für diese Krankheiten überhaupt erst noch erarbeitet werden, betonen die Autoren. Die erarbeiteten Prinzipien von A bis E lauten wie folgt:

A

„Beim klinischen Management der RZA und PMR ist zu bedenken, dass es sich um zwei eng miteinander verwandte Krankheiten innerhalb eines gemeinsamen Spektrums aus inflammatorischen Erkrankungen handelt, die separat, gleichzeitig oder nacheinander auftreten können.“ Dies ist nach Ansicht der Autoren deshalb von praktischer Relevanz, weil die PMR häufig vom Hausarzt und die RZA meist vom Spezialisten behandelt wird. Hier sind eine gemeinsame Betreuung und/oder eine regelmäßige Vorstellung beim Spezialisten sinnvoll. 

B

„Bei der RZA handelt es sich aufgrund des Risikos für einen Verlust der Sehkraft und andere ­ischämische Ereignisse um einen medizinischen Notfall. Daher ist unbedingt eine sofortige Behandlung nötig. Das Management erfordert typischerweise eine multidisziplinäre Zusammenarbeit.“ Wie die Autoren außerdem betonen, können ischämische Ereignisse unterschiedliche Gefäße im Körper betreffen. Eine rasche Behandlung mit Glukokortikoiden sollte im Zweifel noch vor der endgültigen Diagnose beginnen.

C

„Patienten sollten Informa­tionen zu RZA und PMR angeboten werden, inklusive klinischem Erscheinungsbild, Patienten-berichteten Outcomes, möglichen Komplikationen, behandlungsassoziierten Vorteilen und Risiken sowie relevanten Komorbiditäten.“ Auch wenn sie „nur“ an einer RZA oder einer PMR leiden, sollten die Patienten nach Ansicht der Autoren immer Informationen zu beiden Erkrankungen erhalten. 

D

„Das Management von RZA und PMR sollte auf Basis eines Shared Decision Makings zwischen Patient und Arzt erfolgen.“ Dafür müssen dem Patienten Vor- und Nachteile der Behandlung sowie ­deren erforderliche Dauer ausführlich erklärt werden.

E

„Ziel der Behandlung von RZA und PMR ist die bestmögliche gesundheitsbezogene Lebensqualität. Dabei sollen unter Berücksichtigung relevanter Komorbiditäten die Symptome kontrolliert, krankheitsassoziierte Schäden vermieden und behandlungsassoziierte Nebenwirkungen minimiert werden.“ Aus Patientensicht stehen insbesondere Schmerzen, Steifigkeit, Behinderung und Fatigue im Vordergrund, im Fall der RZA zudem der Erhalt der Sehfähigkeit.

Neben den Grundprinzipien für das Management von RZA und PMR haben die Experten auch sechs spezielle Empfehlungen erarbeitet.

Behandlungsziel wählen

Als Behandlungsziel definiert ist die Remission im Sinne von Abwesenheit von klinischen Symptomen und systemischer Inflammation. Allerdings fehlt bis heute ein anerkanntes Instrument zur Feststellung einer Remission; insbesondere ist der Stellenwert von bildgebenden Verfahren unklar, wie die Autoren einschränken.

Gefäßschäden vermeiden

Die Behandlung der RZA sollte auch darauf abzielen, eine Gewebeischämie und vaskuläre Schäden zu vermeiden. Dies bezieht sich sowohl auf krankheitsbedingte als auch auf behandlungs- oder steroidbedingte Schäden von Gefäßen.

Therapie anpassen

Die Therapieauswahl sowohl bei der RZA als auch bei der PMR sollte auf der Krankheitsschwere und -aktivität, das Vorhandensein von relevanten Komorbiditäten und Prädiktoren für das Outcome basieren. Die Behandlung ist bei Bedarf während des Follow-ups anzupassen. Nach Auskunft der Autoren sind insbesondere organbedrohende Manifestationen als schwer zu betrachten und bedürfen einer raschen intensiven Therapie. Bei allen weiteren Manifestationen sind Abwägungen möglich.

Komorbiditäten berücksichtigen

Komorbiditäten können die Beurteilung des Behandlungsziels beeinflussen und müssen vor einer Änderung der Therapie berücksichtigt werden. So können bei Patienten mit PMR Schulterschmerzen auch durch eine Omarthrose ausgelöst sein, und RZA-Patienten unabhängig von der Vaskulitis Kopfschmerzen haben.

Medikamente reduzieren

Sobald eine Remission erreicht ist, sollte diese mit einer möglichst ­minimalen Dosis an Medikamenten aufrechterhalten werden. Bei einem Teil der Patienten ist der Erhalt der  Remission auch medikamentenfrei möglich. 

Krankheitsaktivität kontrollieren

Die Krankheitsaktivität ist regelmäßig zu kontrollieren, und zwar alle ein bis vier Wochen bis zum Erreichen einer Remission und alle drei bis sechs Monate bei stabiler Remission.

Quelle: Dejaco C et al. Ann Rheum Dis 2023; DOI: 10.1136/ard-2022-223429