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Testerosteronmangel Bei der Therapie auf Herz, Gefäße und Prostata achten

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Es gilt, einen möglichen Einfluss der Testosteronsubstitution auf Erythropoese und Prostatawachstum rechtzeitig zu erkennen. Es gilt, einen möglichen Einfluss der Testosteronsubstitution auf Erythropoese und Prostatawachstum rechtzeitig zu erkennen. © jarun011 – stock.adobe.com
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Der Hypogonadismus des Mannes kann Organfunktionen und Lebensqualität erheblich beeinflussen. Eine Testosteronersatztherapie ist für Betroffene deshalb mitunter ein Segen – sofern sie indikationsgerecht und sorgfältig durchgeführt wird.

Ausgehend von der Ätiologie lassen sich grundsätzlich zwei Formen des männlichen Hypo­gonadismus unterscheiden: Dem primären Hypogonadismus liegt eine testikuläre Störung zugrunde, während bei der sekundären Variante eine Störung des Hypothalamus oder der Hypophyse besteht. Als Ursachen kommen sowohl genetische Anomalien als auch erworbene Erkrankungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten infrage. Seltener wird ein Hypogonadismus durch eine Androgenresistenz hervorgerufen, erläutern Dr. ­Jens ­Rosellen und Kollegen, Klinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie der Universität Gießen.

Diabetes und Übergewicht lassen das Testosteron sinken

Davon abgesehen kommt es natürlicherweise zu einem physiologischen Abfall des Testosteronspiegels ab einem Alter von 35 Jahren. Dieser Effekt kann durch Übergewicht und Komorbiditäten wie Dia­betes mellitus oder das metabolische Syndrom verstärkt werden und zu einem funktionellen Hormonmangel mit entsprechenden Symptomen führen. Wird jenseits des 40. Lebensjahres nach vorher unauffälligem Pubertätsverlauf und normaler Virilisierung ein Hypogonadismus nachgewiesen, spricht man vom einem Altershypogonadismus (late-onset hypogonadism, LOH). 

Der Phänotyp des Patienten hängt von der Schwere des Testosteronmangels und dem Zeitpunkt seines Eintritts ab. Während man beispielsweise bei einem vollständigen Androgenmangel mit Beginn in utero eher einen weiblichen Phänotyp beobachten kann, kommt es bei prä- oder peripubertal auftretenden Störungen wie dem Klinefelter-Syndrom typischerweise zu einem eunuchoidem Phänotyp. Dahingegen äußert sich ein LOH oftmals nur durch milde und unspezifische Symptome. 

Allgemeiner Leistungsverlust, sexuelle Funktionsstörungen und depressive Verstimmungen können auf einen Hypogonadismus hindeuten und Anlass für eine laborchemische Bestimmung des Testosteronspiegels geben. Die Blutabnahme erfolgt idealerweise im nüchternen Zustand zwischen sieben und elf Uhr morgens. Liegt das Gesamttestosteron unter 12 nmol/l, ist ein Hypo­gonadismus wahrscheinlich. Um die Diagnose zu bestätigen, braucht es jedoch mindestens eine zweite Messung. Darüber hinaus sollte zusätzlich das luteinisierende Hormon (LH) und der Prolaktinspiegel sowie ggf. freies Testosteron und sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) bestimmt werden.

Insbesondere Patienten mit ­Altershypogonadismus profitieren oft von einer Lebensstilmodifikation und einer Gewichtsreduktion, ggf. mithilfe einer baria­trischen Operation. Generell sollten alle Patienten mit Hypogonadismus auf die positiven Effekte eines aktiven und gesunden Lebensstils hingewiesen werden. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass eine Änderung des Lebensstils den Effekt einer Testosteronersatztherapie bei symptomatischen hypogonadalen Männern verstärkt.

Kontraindikationen von Krebs bis Kinderwunsch

Ziel der Testosterontherapie ist es, die Werte in den physiologischen Normalbereich zurückzuführen. Vor Behandlungsbeginn sollten Medikamente, die Einfluss auf den Testosteronstoffwechsel haben, abgesetzt werden. Außerdem gilt es, etwaige Kontra­indikationen abzuklären. Zu den absoluten Kontraindikationen zählen:

  • lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Prostatakarzinom
  • Mammakarzinom des Mannes
  • aktiver Kinderwunsch
  • Hämatokrit > 54 %
  • schwere Herzinsuffizienz

Zurückhaltung ist ebenfalls angezeigt bei schweren Symptomen des Harntrakts (lower urinary tract symptoms, LUTS) mit einem International Prostate Symptom Score (IPPS) größer 19, einem Hämatokrit von 48–50 % sowie einer positiven Anamnese für Thromboembolien.

Für die Hormonsubstitution stehen Präparate mit unterschiedlichen Applikationsformen zur Verfügung, die entweder Testosteron oder eines seiner Derivate enthalten. Da Vergleichsdaten fehlen, richtet sich die Wahl nach dem Wunsch des Patienten und der klinischen Situation. Am gängigsten sind hierzulande orale, transdermale und parenterale Formulierungen.

Bereits drei Monate nach Therapiebeginn kann mit einer Besserung der sexuellen Funktion (inklusive vermehrten Erektionen und steigender Libido) gerechnet werde. Deshalb steht spätestens zu diesem Zeitpunkt der erste Kontrolltermin an, weitere sollten nach sechs und zwölf Monaten erfolgen.

In den gleichen Intervallen wird auch eine Bestimmung von BMI und Bauchumfang sowie eine Blutdruckmessung angeraten. Darüber hinaus sollten sowohl vor als auch während der Therapie Hämatokrit und prostataspezifisches Antigen (PSA) bestimmt und eine digital-rektale Untersuchung durchgeführt werden. 

Blutzucker und Lipide im Auge behalten

Es gilt, einen möglichen Einfluss der Testosteronsubstitution auf Erythropoese und Prostatawachstum rechtzeitig zu erkennen. Insbesondere bei Patienten mit LOH sind außerdem jährliche Erhebungen des Blutzucker- und Lipidprofils angezeigt. In schweren Fällen von Hypogonadismus sollte weiterhin die Durchführung einer Knochendichtemessung vor der Therapie sowie nach 18 bis 24 Monaten erwogen werden, um eine Osteopenie auszuschließen bzw. deren Verlauf zu kontrollieren.

Quelle: J et al. Urologie 2022; 61: 1260-1275; doi: 10.1007/s00120-022-01957-7