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Demenz und psychische Belastung Besteht auch ein kausaler Zusammenhang?

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Psychisch belastete Patienten erkranken häufiger an einer Demenz. (Agenturfoto) Psychisch belastete Patienten erkranken häufiger an einer Demenz. (Agenturfoto) © De Visu – stock.adobe.com
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Können psychische Erkrankungen dazu führen, dass Patienten später eine Demenz entwickeln? Es wäre möglich meinen Wissenschaftler, allerdings zeigen sich nicht alle Kollegen überzeugt.

Psychisch belastete Patienten erkranken häufiger an einer Demenz. Unklar war bisher, ob es sich bei dieser wiederholt gezeigten Assoziation um eine Kausalität handelt. Wissenschaftler gingen dieser Frage in einer großen populationsbasierten Langzeitstudie mit knapp 68.000 Finnen nach.

Die Teilnehmer waren zu Beginn zwischen 25 und 75 Jahre alt und geistig gesund. Die Nachbeob­achtungszeit reichte von zehn bis 45 Jahre. Personen mit einem kürzeren Follow-up waren wegen der möglichen umgekehrten Kausalität ausgeschlossen, schreiben Dr. Sonja Sulkova vom Finnish Institute for Health and Welfare in Helsinki und Kollegen

Die psychische Belastung ermittelten die Forschenden anhand einer Selbstauskunft der Teilnehmer zu verdächtigen Symptomen wie vermehrtem Stress, depressiver Verstimmung, Nervosität und Erschöpfung bzw. Überarbeitung im vorangegangenen Monat. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Demenz war bei allen der genannten Beschwerden um etwa 20 % erhöht. Gleichzeitig zeigte das finnische Gesundheitsregister, mit dem die Daten zur Feststellung einer Demenzdiagnose abgeglichen wurden, dass es während der Beobachtungszeit deutlich häufiger zu Todesfällen kam (19.600) als zur Entwicklung einer Demenz (7.900). 

In ihrer Analyse werten die Autoren den kognitiven Abbau und die Mortalität daher als konkurrierende Risiken. Das verringerte zwar die Assoziation zwischen Psychosymptomen und kognitivem Verfall, hob sie aber nicht auf. Insgesamt gehen die Wissenschaftler davon aus, dass es sich zwar um einen eher geringfügigen, aber kausalen Zusammenhang handelt. 

Wesentlich skeptischer äußert sich Prof. Dr. Yoram Barak von der Universität Otago in seinem Kommentar. Er bemängelt, dass die psychische Belastung nur anhand des von den Teilnehmern selbst eingeschätzten Befindens im vorangegangenen Monat erfasst wurde. Eine ursächliche Rolle für die Entwicklung einer Demenz lasse sich mit solchen vagen Angaben nicht nachweisen. Zudem vermutet der neuseeländische Kollege, dass nicht die Belas­tung selbst, sondern das ungünstige Stressmanagement mit dem höheren Risiko für den schweren kognitiven Abbau verbunden ist.

Quellen:
1.    Sulkova S et al. JAMA Netw Open 2022; 5: e2247115; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.47115
2.    Barak Y. JAMA Netw Open 2022; 5: e2247124; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.47124