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Akupunktur Chronische Schmerzen wegnadeln

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Akupunktur hat spezifische und unspezifische Effekte. Akupunktur hat spezifische und unspezifische Effekte. © Peakstock – stock.adobe.com
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Die Akupunktur hat es als „Kann-Option“ in zahlreiche Leitlinien geschafft. Die spezifische Wirkung der Nadeltherapie bei Schmerzpatienten bleibt aber für viele umstritten. Darf man mehr als einen Placeboeffekt erwarten? Aktuelle Daten zeigen: Ja, man darf.  

Gemäß der Vorstellungen der traditionellen chinesischen Medizin beruht Krankheit unter anderem auf Blockaden der Lebensenergie Qi, die über Kanäle – Meridiane – durch den Körper fließt. Ziel der Akupunktur ist es, den Qi-Fluss zu regulieren und so krank machende Faktoren zu verdrängen. Naturwissenschaftler betrachten die Nadeltherapie als Reizereignis, das auf neuronaler, vegetativer und hormoneller Ebene schmerzhemmende Prozesse auslöst, erklären Dr Petra Klose und Dr. Marc Werner von der Klinik für Naturheilkunde & Integrative Medizin, KEM, Evangelische Kliniken Essen-Mitte.

Auch die Schein-Akupunktur wirkte in Studien

In Studien zum Nachweis der Wirksamkeit nach westlichen Standards nutzt man zur Kontrolle eine Scheinakupunktur, bei der die Nadeln nur oberflächlich und nicht entlang der Qi-Leitungsbahnen gesetzt werden. Zu Beginn der 2000er-Jahre gab es drei große von deutschen Krankenkassen geförderte Untersuchungen zu den Einsatzgebieten Spannungskopfschmerzen, Migräne, Gonarthrose und Lendenwirbelsäulenschmerz. Sie zeigten, dass die Verum-Akupunktur der Routinebehandlung in allen untersuchten überlegen war – die Scheinakupunktur allerdings ebenfalls.

Im Anschluss wurden Daten von knapp 18.000 Patienten durch eine neu formierte internationale Expertengruppe mit einem innovativen statistischen Verfahren namens „Individual Patient Data Meta-Analysis“ erneut ausgewertet. Sie fand heraus, dass die Verum-Akupunktur der Routinebehandlung mit einer mittleren Effektgröße und der Schein-Akupunktur mit einer kleinen Effektgröße überlegen war. Nach Ansicht der Autoren belegt dies, dass die Akupunktur sowohl einen unspezifischen Effekt hat, ausgelöst durch den Nadelreiz sowie durch die Interaktion zwischen Arzt und Patienten, als auch einen spezifischen Effekt, der nur bei der Verum-Akupunktur auftritt.

Zu den Anwendungsgebieten der Akupunktur zählen hierzulande Rücken- und Nackenschmerzen, Arthrose, Spannungskopfschmerzen und Migräne, Epikondylitis, Fibromyalgie, Geburtsschmerzen, Darmerkrankungen und krebsbedingte Schmerzen. Insbesondere für die Behandlung von Rücken- und Nackenschmerzen, Arthrose und Kopfschmerzen ist die Datenlage zugunsten einer Wirksamkeit von Akupunktur aus Sicht der Autoren überzeugend und durch Analysen der Acupuncture Trialists’ Collaboration sowie Cochrane-Übersichtsarbeiten belegt. Bei Problemen mit der Lendenwirbelsäule oder Gonarthrose übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Behandlung. Auch beim Fibromyalgiesyndrom zeigte sich die Akupunktur gegenüber jedweder Kontrolle signifikant überlegen.

Weniger eindeutig scheint die Lage beim Tennisellenbo­gen zu sein, was vor allem an methodisch schlechten Studien liegt. Bezogen auf den Einsatz bei Geburtsschmerzen sprechen die Autoren ebenfalls aufgrund lückenhafter und nicht immer eindeutiger Daten keine klare Empfehlung aus. Unabhängig davon hilft aber vielleicht der allgemeine beruhigende Einfluss der Akupunktur den werdenden Müttern­.

Mit Blick auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen zeichnet sich aus den wenigen verfügbaren Studien ein positiver Effekt der Akupunktur ab, doch insgesamt ist die Datenlage unzureichend und veraltet. Trotzdem kann ein Behandlungsversuch unternommen werden.

Bei Frauen mit Mammakarzinom zeigte sich unter Akupunktur, aber nicht unter Kontrollbehandlungen, eine signifikante Besserung von durch Aromataseinhibitoren induzierten Gelenkschmerzen. Ein Effekt auf die Gelenkfunktion- oder -steifigkeit wurde allerdings nicht beobachtet. Interessant: Patientinnen mit bestimmten Einzelnukleo­tidpolymorphismen in den Genen für die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) und T-Zell-Leukämie/Lymphom 1A sprachen besser auf die Akupunktur an als Patientinnen ohne diese genetischen Veränderungen (77,8 % vs. 45 %).

Schwere Komplikationen nur bei ungeschultem Personal

Des Weiteren hat sich die Akupunktur bei vielfältigen anderen krebsassoziierten Beschwerden als wirksam erwiesen, darunter Schmerzen nach einer Operation und neuropathische Schmerzen. Eine durch Chemotherapie induzierte Polyneuropathie lässt sich mittels Akupunktur zwar nicht verhindern, wohl aber lindern. Was die Risiken angeht, ermittelte man in einer Metaanalyse mit fast 13 Millionen Akupunkturbehandlungen 9,4 unerwünschte Ereignisse auf 100 Therapien. Dazu gehörten Schmerzen, Brennen und Bluten an der Einstichstelle sowie kurzfristige Probleme mit dem Blutdruck. Schwere unerwünschte Ereignisse traten mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10.000 auf. Auch das National Cancer Institute der USA konstatiert, dass schwerwiegende Komplikationen (z.B. Pneumothorax, Infektionen) sehr selten sind und nur bei ungeschultem Personal auftreten. In Deutschland besteht die Pflicht zur Zusatzweiterbildung.

Quelle: Klose P, Werner M. Schmerzmedizin 2022; 38: 24-29