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Frailty Damit aus fit nicht pflegebedürftig wird

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Krafttraining ist für ältere Personen unerlässlich, um der physischen Frailty entgegenzuwirken. Krafttraining ist für ältere Personen unerlässlich, um der physischen Frailty entgegenzuwirken. © Mladen – stock.adobe.com
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Zwischen vollständiger Autonomie und ­irreversibler Pflegebedürftigkeit liegt meist eine mehr oder weniger lange Phase von Gebrechlichkeit, auch als Frailty bezeichnet. So manche funktionelle Einschränkung kann in dieser Zeit mit einem mehrdimensionalen Ansatz erfolgreich behandelt werden.

Die physische Frailty ist gekennzeichnet durch verminderte Gehgeschwindigkeit und/oder Handkraft, reduzierte körperliche Aktivität sowie Fatigue und Gewichtsabnahme. Dieser Prozess ist prinzipiell reversibel. Das gilt besonders dann, wenn frühzeitig damit begonnen wird, die Alltagsaktivität zu steigern und mit einem gezielten körperlichen Training Funktionsdefizite auszugleichen, schreiben Dr. ­Christian ­Werner vom Geria­trischen Zentrum am Uniklinikum Heidelberg und Kollegen.

Ausgangspunkt für die Therapie ist ein mehrdimensionales geria­trisches Assessment, das neben physischen Faktoren auch kognitive, psychische, nutritive und soziale Komponenten einbezieht. Ziel ist es, individuelle Defizite und Komorbiditäten zu erfassen. Oft stehen einer Trainingstherapie körperliche Einschränkungen entgegen, die erst behoben werden müssen. So können z.B. die Optimierung einer Schmerz- oder Herzinsuffizienztherapie, Gelenkersatz bei Arthrose, die Korrektur eines Eisenmangels sowie die Behandlung einer Depression oder einer Hypothyreose notwendig sein.

Zentrale Maßnahme zur Förderung von funktioneller Unabhängigkeit und Lebensqualität ist körperliches Training. Denn es verbessert viele physiologische Prozesse, die bei Frailty beeinträchtigt sein können, angefangen von der muskuloskelettalen Funktion über das Herz-Kreislauf-System bis hin zu endokrinologischen und immunologischen Funktionen. 
Auch funktionell stark beeinträchtigte ältere Menschen können körperlich trainieren und davon profitieren. Die besten Effekte hat ein Mehrkomponententraining, das Kraft-, Gleichgewichts-, Ausdauer- und funktionelle Übungen einschließt. Entscheidend ist dabei die Kraftkomponente, betonen die Autoren. Intensität und Dauer des Trainings müssen individuell angepasst werden, wobei die Belastung schrittweise zu steigern ist. 

Mehr Bewegung in den Alltag integrieren

Nach aktuellen Leitlinien der International Conference of ­Frailty and Sarkopenia Research sollten ältere Menschen mit Frailty 2- bis 3-mal wöchentlich ein progressives moderates Krafttraining mit 40–80 % des One-Repetition-Maximums absolvieren. Empfohlen werden 1–3 Sätze mit 8–12 Wiederholungen und dazwischen Pausen von 1–3 ­Minuten. Wichtig sind auch funktionelle Übungen, z.B. Aufstehen vom Stuhl mit zunehmender Gewichtsbelas­tung sowie Balance- und Gang­übungen (Tandem- oder Einbeinstand, Linien- oder Fersengehen). Die Patienten müssen zudem dazu angeleitet werden, sich im Alltag mehr zu bewegen. Denn alle körperlichen Aktivitäten wirken einer Frailty entgegen – auch Hausarbeit und Spazierengehen.

Eine Protein-Energie-Malnutrition trägt wesentlich zu einem Verlust an Muskelmasse und -kraft bei. Frailty kommt zwar häufig ohne Malnutrition vor. Umgekehrt ist eine Malnutrition fast immer mit Frailty verbunden. Liegt eine Malnutrition vor, sollte sie möglichst frühzeitig durch Proteinsupplemente behoben werden. Metaanalysen haben gezeigt, dass die Supplementation die Handkraft verbessert und insgesamt Frailty reduziert. Auch Defizite an Mikronährstoffen sollten ausgeglichen werden, insbesondere ein Vitamin-D-Mangel, weil dies das Sturzrisiko senkt.

Medikation überprüfen und ggf. optimieren

Damit die Muskelmasse erhalten bleibt, sollten kranke ältere Personen pro Tag 1,2–1,5 g/kgKG Proteine zu sich nehmen. Eventuelle Ursachen der Malnutrition müssen identifiziert und behoben werden, z.B. unzureichende Mahlzeiten, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Entzündungsprozesse, die Appetitlosigkeit zur Folge haben. Zur Optimierung der Energiezufuhr eignen sich Trinksupplemente am besten.

Darüber hinaus muss man regelmäßig überprüfen, welche Medikamente der Patient nimmt, und die Medikation ggf. optimieren. Vor allem Substanzen mit anticholinergen oder sedierenden Eigenschaften sind bei Frailty mit einem erhöhten Risiko (z.B. für Stürze) assoziiert. 

Insgesamt erfordert die Frailty-Therapie einen umfassenden Versorgungsplan, der körperliches Training, Ernährungstherapie, Reduktion der Polypharmazie sowie Behebung behandelbarer Ursachen von Gewichtsverlust und Fatigue einschließt. Die in Deutschland häufig verordnete ambulante Physiotherapie ist nach Ansicht der Autoren zu wenig.

Quelle: Werner C et al. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 38-44; DOI: 10.1055/a-2033-5001