Anzeige

Sauerstoff verordnen Das richtige System für den richtigen Patienten

Autor: Manuela Arand

Die Indikation zur Sauerstoff­therapie kann gegeben sein, wenn der Patient in einer stabilen Krankheitsphase hypoxämisch ist. Die Indikation zur Sauerstoff­therapie kann gegeben sein, wenn der Patient in einer stabilen Krankheitsphase hypoxämisch ist. © Jade – stock.adobe.com
Anzeige

Zu oft, zu viel, zu früh, zu lange: Bei der Sauerstofflangzeittherapie kann man viel falsch machen. Die aktuelle Leitlinie gibt zwar gute Empfehlungen. Doch lassen sie sich im Praxisalltag immer umsetzen? 

Hausärzte sollten nicht auf eigene Faust eine Sauerstoff­therapie verordnen, wenn das Puls­oxymeter eine Hypoxämie anzeigt. Sie sollten auf das pneumologische Urteil setzen, forderte Dr. Jens Callegari vom Asthma- und Al­lergiezentrum Leverkusen. Er erlebt es immer wieder, dass die Kollegen Patienten mit der Bitte um Einleitung einer Sauerstofftherapie zu ihm überweisen. „Bitte tun Sie das nicht –das führt zu wilden Diskussionen“, sagte er. Patienten würden verständlicherweise ungehalten reagieren, wenn ihnen der Hausarzt Sauerstoff verspricht, der Pneumologe aber befindet, das sei nicht indiziert. 

Die Indikation zur Sauerstoff­therapie kann gegeben sein, wenn der Patient in einer stabilen Krankheitsphase hypoxämisch ist. Erreicht er bei der Pulsoxymetrie eine Sättigung von maximal 92 %, sollte ein Pneumologe die Indikation für die O2-Gabe evaluieren und eine Blutgasanalyse (BGA) durchführen. Diese gilt als Goldstandard für den Nachweis einer Hypoxämie. Wer wie die meisten Pneumologen die praktikablere kapilläre BGA am Ohrläppchen nutzt, muss sich der Limitationen der Methode bewusst sein. Da sie den PaO2 leicht unterschätzt, sollte man in Zweifelsfällen eine arterielle BGA nachschieben. So steht es auch in der aktuellen Leitlinie. Sie fordert vor einer Sauerstoffverordnung außerdem zwei BGA innerhalb von drei Wochen in einer stabilen Krankheitsphase.

Die Smartwatch misst auch Sättigung

Smartwatches können weit mehr als nur Schritte zählen. Sie sind in der Lage, alle möglichen Gesundheitsdaten zu sammeln und dem Patienten zu präsentieren. Darunter ist auch die Sauerstoffsättigung. Doch wie verlässlich sind diese Werte? Dr. Peter Kardos, Frankfurt/Main, erspart sich die Diskussion darüber. Patienten, die Smartwatchdaten mit in die Praxis bringen, lässt er fünf Minuten stillsitzen und misst die Sättigung dann selbst.

Die Datenlage zum Nutzen der Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) über mindestens 15 Stunden pro Tag ist ausgesprochen dünn. Der Nachweis einer Lebensverlängerung exis­tiert nur für COPD-Kranke, doch stammen die beiden Studien dazu aus den frühen 1980er-Jahren und wurden nie repliziert. Für andere Indikationen, z.B. Lungenparenchym­erkrankungen und Post-Tbc-/Post-Polio-Syndrome ohne Hyperkapnie, gibt es Studien, die eine verbesserte Belastbarkeit durch die LTOT zeigen. Bei vielen weiteren Erkrankungen wie der pulmonalen Hypertonie, der Herzinsuffizienz oder der Mukoviszidose stützen sich die Empfehlungen allein auf einen Expertenkonsens. 

Null Evidenz findet sich für die O2-Behandlung rein nächtlicher Hyp­oxämien. Die nächtliche Sauerstoffgabe ist daher allenfalls bei schwer kranken Patienten mit zentraler Schlafapnoe plus Herzinsuffizienz zu erwägen, wenn keine andere Therapieoption bleibt. 

Bei der mobilen (ambulatory) O2-Therapie (AOT) stehen niedergelassene Ärzte vor der Herausforderung, den Patienten belasten zu müssen, um den Abfall der Sättigung und einen Wiederanstieg unter Sauerstoffapplikation zu dokumentieren. „Ich kann aus unserer Praxis sagen: Das ist nicht einfach. Einen Sechs-Minuten-Gehtest können wir nicht leitliniengerecht durchführen“, sagte Dr. Callegari. Laut Leitlinie müssen im Test zwei von drei Aspekten besser werden, um die Verordnung zu rechtfertigen: 

  • Anstieg der Sättigung auf mindes­tens 90 %, 
  • Zunahme der Gehstrecke um 10 m, 
  • Rückgang der Dyspnoe auf der Borg- oder VAS-Skala um 1 Punkt. 

Neu eingeführt haben die Leitlinienautoren den Begriff der postakuten O2-Therapie, abgekürzt PoaOT. Patienten, die nach einer Akuterkrankung mit Hypoxämie aus der stationären Behandlung entlassen werden, erhalten wegen (noch) dürftiger Sättigung und Symptomen Sauerstoff. Die Namensgebung soll Arzt und Patient bewusst machen, dass die Sauerstoffgabe nicht lebenslang weiterläuft, sondern ihre Indikation immer wieder auf den Prüfstand gehört. Die erste Reevaluation sollte sechs bis zwölf Wochen nach der Entlassung aus der Klinik erfolgen. 

Wie wichtig das ist, illustrieren Studien, nach denen nur eine Minderheit von Patienten ein bis drei Monate nach Exazerbation noch Sauerstoff benötigt. Um die Kontrollen zu gewährleisten, ist allerdings eine gute Kooperation zwischen ambulanter und stationärer Versorgung nötig. Der Patient muss die Möglichkeit haben, innerhalb von zwölf Wochen einen Termin beim niedergelassenen Pneumologen zu bekommen –keine leichte Aufgabe, befand Dr. Callegari. 

Sauerstoff für Raucher?

Anders als viele internationale Leitlinien lehnt die deutsche eine O2-Therapie für Raucher nicht strikt ab, sondern überlässt dem behandelnden Arzt die Einzelfallentscheidung. Sie weist aber nachdrücklich darauf hin, die Aufklärung über Risiken gut zu dokumentieren und sich vom Patienten abzeichnen zu lassen. Das Argument, dass der Therapienutzen bei persistierendem Nikotinkonsum möglicherweise leidet, könnte zum Rauchstopp ermutigen. 

Steht die Indikation für eine Sauerstofftherapie, gilt es, aus der Fülle von Systemen das richtige Gerät auszuwählen. Zu beachten sind nicht nur O2-Bedarf und angestrebte Flussrate, sondern auch die Mobilitiät des Patienten. Jemand, der sich auch bei ausreichender Oxygenierung kaum noch fortbewegen kann, braucht keinen tragbaren Sauerstoff. Für den häuslichen Gebrauch kommen Flüssigsauerstoff oder O2-Konzentratoren (gibt es auch mobil oder tragbar) infrage, für mobile Patienten außerdem Druckgasflaschen. 

Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Mit Flüssigsauerstoff oder Druckgasflaschen erreicht man zwar hohe Flussraten, doch das regelmäßige Nachfüllen will organisiert sein und die Kosten liegen vergleichsweise hoch. Konzentratoren sind günstig zu haben und brauchen keine Nachfüllung, leisten aber maximal 5 l/min, mobile Konzentratoren sogar nur 3 l/min. Kleine tragbare Konzentratoren gibt es nur als Demandsys­teme, d.h. der Patient muss einen ausreichenden Atemzug erzeugen können. Die Leitlinie fordert deshalb, vor Verordnung eines Demandsys­tems die Eignung des Patienten in Ruhe und unter Belastung zu testen. 

Ist die Entscheidung für ein System getroffen, kann die Verordnung über spezielle Formulare erfolgen, aber auch per Rezept. Dabei ist zu beachten, dass der Konzentrator als Hilfsmittel gilt, Flüssigsauerstoff dagegen als Medikament. Die Krankenkasse muss nicht nur die Kosten für Geräte und Sauerstoff  übernehmen, sondern auch für den Strom, den das System benötigt. 

Die Zielwerte bei chronischer Hyp­oxämie sind andere als in der Akutsituation. „Sie haben es mit Patienten zu tun, die schon seit Monaten, wenn nicht seit Jahren mit grenzwertigen Sauerstoffwerten leben“, erinnerte der Kollege. Deshalb darf der Zielwert für die O2-Titration niedriger liegen, bei 90–92 %. Die BGA sollte mit einem pO2 von 60 mmHg widerspiegeln, dass dieses Ziel erreicht ist.     

Kongressbericht: Kongress der Westdeutschen Gesellschaft für Pneumologie (WDGP) 2023

Quelle: 1. Haidl P et al. S2k-Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie. AWMF-Registernr. 020-002