Anzeige

Arterielle Hypertonie Den Druck rausnehmen

DGK-Jahrestagung 2024 Autor: Dr. Anja Braunwarth

Reguläre Blutdruckmessungen werden ab 40 Jahren empfohlen. Reguläre Blutdruckmessungen werden ab 40 Jahren empfohlen. © megaflopp - stock.adobe.com
Anzeige

Bei etwa 40 % der Frauen und 50 % der Männer bleibt eine Hypertonie unentdeckt. Grund genug, einen Blick in die jüngste europäische Leitlinie zu werfen, um den Patienten eine adäquate Diagnostik und Therapie zu ermöglichen.

Im letzten Jahr hat die European Society of Hypertension (ESH) eigene Hypertonieleitlinien veröffentlicht. Auf der DGK-Jahrestagung haben vier Experten das Wichtigste daraus für die Praxis zusammengefasst. Da im Alltag viele Patienten schlicht nicht diagnostiziert werden, empfiehlt die ESH ein opportunistisches Screening für alle Erwachsenen. Reguläre Messungen sieht sie für alle ab 40 Jahren vor, bei hohem Risiko ggf. früher. Bei Normotonen richten sich die Kontrollintervalle nach der Höhe des Drucks und dem Risiko für eine Hypertonie und andere kardiovaskuläre Erkrankungen, führte Prof. Dr. Oliver Dörr vom Universitätsklinikum Gießen aus. Ein hohes Risiko erfordert jährliche Kontrollen.

Die häusliche Messung – vorzugsweise mit einem digitalen Oberarmgerät – eignet sich vor allem zum Ausschluss eines Weißkittelhochdrucks und zum Langzeit-Follow-up (s. Kasten). Das Gleiche gilt für die ambulante 24-Stunden-Messung. Sie dient zudem der Aufdeckung einer resistenten Hypertonie. Beide Methoden kann man ergänzend zum Praxisblutdruck erwägen, um durch bessere Reproduzierbarkeit und prognostische Wertigkeit das kardiovaskuläre Risiko besser abschätzen zu können. 

Daheim richtig messen

Mindestens über drei, idealerweise über sieben Tage sollten Patienten die häuslichen Messungen durchführen, und zwar immer zweimal täglich mit jeweils mindestens zwei Messungen im Abstand von einer Minute. Die erste Messung erfolgt am besten morgens innerhalb einer Stunde nach dem Aufwachen und nach dem ersten Wasserlassen, aber vor jeglicher Tabletteneinnahme und dem Frühstück. Die Abendmessung bietet sich vor dem Schlafengehen an. Das Vorgehen muss man gründlich erläutern, denn „dass gerade mal bei 20 % aller Patienten die Hypertonie kontrolliert ist, könnte auch daran liegen, dass wir das Messen nicht richtig erklären“, betonte Prof. Dörr.

Das Blutdruckziel liegt für 18- bis 64-Jährige bei 130/80 mmHg, für 65- bis 79-Jährige bei 140/80 mmHg. Wenn Letztere die Behandlung vertragen, kann man auch Werte unter 130/80 mmHg anstreben. Für über 80-Jährige lautet die Vorgabe 140–150 mmHg systolisch, bei guter Verträglichkeit evtl. 130–139 mmHg. Vorsicht ist geboten, wenn der diastolische Druck unter 70 mmHg liegt.

Was die medikamentöse Therapie angeht, gilt generell die Empfehlung: Fixkombis verwenden. Mit ihnen lässt sich nicht nur die Adhärenz verbessern, erklärte Prof. Dr. Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Durch ein frühes Kombinieren erzielt man auch eine stärkere Blutdrucksenkung – bei gleichzeitig weniger Nebenwirkungen.

Betablocker haben lange ein Schattendasein gefristet. In der aktuellen Leitlinie erleben sie ein Comeback. Grund für die Wiederaufnahme sind laut Prof. Mahfoud neuere Metaanalysen, in denen die Substanzen neben der Blutdrucksenkung eine deutliche Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen und Mortalität gezeigt haben. Betablocker können in jeder Eskalationsstufe der Behandlung erwogen werden, vor allem aber bei spezifischen Indikationen wie begleitender Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Vorhofflimmern oder Schwangerschaft.

Für Patienten mit therapieresistenter Hypertonie und einer eGFR ≥ 30 ml/min/1,73m2 rät die Leitlinie nach Ausschöpfung der klassischen Medikamente zu Alpha-Blockern, zentral wirksamen Agenzien oder renaler Denervierung. Bei einer eGFR < 30 ml/min/1,73m2 ist dann Chlortalidon erste Wahl. 

Über interventionelle Therapien sprach Prof. Dr. Roland Schmieder von der Universitätsklinik Erlangen. Er informierte zunächst über das Vorgehen bei Nierenarterienstenosen. Eine starke Indikation für die perkutane, transluminale renale Angioplastie besteht bei einem Stenosegrad > 70 % plus einem der folgenden Kriterien:

  • resistenter Bluthochdruck
  • neu aufgetretene oder seit Neuestem unkontrollierte Hypertonie
  • akutes Lungenödem oder akute dekompensierte Herzinsuffizienz
  • rapider Abfall der GFR (bilaterale Stenose oder Einzelniere)
  • Intoleranz gegenüber ACE-Hemmern oder Sartanen (≥ 30 %iger eGFR-Abfall)
  • Nierenersatztherapie bei noch vitalem renalem Gewebe, sofern die Stenose vor höchstens drei Monaten entdeckt wurde oder eine medikamentös nicht kontrollierbare Hypertonie besteht
  • akutes Nierenversagen aufgrund von Nierenarterienverschluss oder hochgradiger Stenose
  • Nierentransplantat mit Nierenarterienstenose

Hochdruck bei Mann und Frau

In jungen Jahren sind Männer eher von einem Hochdruck betroffen als Frauen. Nach der Menopause und dem Abfall des schützenden Östrogens holt das weibliche Geschlecht dann auf. Ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung eines arteriellen Hypertonus haben Frauen mit schwangerschaftsassoziierter Hypertonie, polyzystischem Ovarsyndrom und Infertilität bzw. unerfülltem Kinderwunsch.

Die renale Denervierung kommt infrage für Patienten mit einer unkontrollierten, resistenten Hypertonie unter Therapie mit mindestens drei Antihypertensiva und einer eGFR ≥ 40 ml/min/1,73m2. Unkontrolliert ist der Bluthochdruck, wenn der Praxiswert ≥ 140/≥ 90 mmHg liegt und die ambulante 24-Stunden-Messung einen mittleren systolischen Druck > 130 mmHg oder einen Tagesmittelwert ≥ 135 mmHg ergab.

Ob Frauen grundsätzlich eine andere antihypertensive Therapie brauchen als Männer oder man für sie andere Ziele anstreben sollte, lässt sich nicht beantworten. Denn in Studien sind sie regelmäßig unterrepräsentiert, es gibt dazu keine Post-hoc-Analysen und es erfolgt keine Randomisierung nach Geschlecht. 

Frauen bekommen weniger Medikamente verschrieben

Fakt ist laut Dr. Christina Strack vom Universitätsklinikum Regensburg aber, dass Frauen bei gleichen Blutdruckwerten seltener Medikamente verschrieben bekommen als Männer, weniger Medikamente einnehmen und höhere Drucke haben. Zudem leiden sie unter mehr Nebenwirkungen der Antihypertensiva, eine geschlechterspezifische Dosierung gibt es nicht. 

Quelle: 90. Jahrestagung der DGK