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Diagnostik Der Demenz auf der Spur

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Patienten mit leichter kognitiver Störung und gesicherter Diagnose kann eine Untersuchung mittels FDG-PET angeboten werden, um ihr Demenzrisiko einschätzen zu können. Patienten mit leichter kognitiver Störung und gesicherter Diagnose kann eine Untersuchung mittels FDG-PET angeboten werden, um ihr Demenzrisiko einschätzen zu können. © Naeblys – stock.adobe.com
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Immer mehr Menschen entwickeln eine Demenz – doch wem sollte eine Diagnostik angeboten werden und wann? Hausärzte und Neurologen vertreten in der aktualisierten Leitlinie unterschiedliche Positionen. Ein Überblick zu den Nachweismöglichkeiten.

Die zeitgerechte Diagnose bildet die Basis für eine optimale Therapie und Versorgung von Demenzkranken. Sie sollte deshalb allen Betroffenen ermöglicht werden, fordern die Autoren der Empfehlungen von DGN*, DGPPN** und weiterer Fachgesellschaften. Die DEGAM hat sich diesem Vorschlag nicht angeschlossen. Sie rät in ihrem Sondervotum, die Diagnosemitteilung von der Situation des Patienten und seiner Angehörigen abhängig zu machen. Schließlich gäbe es auch ein Recht auf Uninformiertheit. Außerdem sei mit einer erhöhten Sui­zidrate und einer Minderung der Lebensqualität zu rechnen. 

Ein wegweisendes Früh- und ­Risikosyndrom für eine Demenz ist die leichte kognitive Störung. Sie ist definiert als nachweisbare kognitive Beeinträchtigung, die mit Einschränkungen in komplexen Alltagsfunktionen einhergeht, aber die selbstständige Lebensführung noch nicht beschneidet. Eine Alzheimer-Diagnose kann bei typischen Symptomen und eindeutig veränderten Befundmarkern (Tau- und Beta-Amyloide) bereits in diesem Frühstadium gestellt werden, so die Leitlinie. Die DEGAM widerspricht: Solange die international konsentierten Diagnosekriterien nicht erfüllt sind, bestehe noch kein Morbus Alzheimer und es sei unklar, wie viel Zeit bis zur Manifestation vergehe. 

Die Rolle der Gene

Früher Beginn und positive Familienanamnese können auf eine monogen verursachte Demenz hinweisen. Betroffenen sollte deshalb eine genetische Beratung und Testung angeboten werden, um die Ursache zu klären. Für eine Kontrolle des Apolipoprotein-E-Genotyps zur Diagnostik der Alzheimerkrankheit und zur Einschätzung der Prognose sehen die Autoren hingegen keine Notwendigkeit.

Zur hausärztlichen Abklärung geistiger Einbußen im Verdachtsfall empfiehlt die Leitlinie kognitive Kurztests. Wegen der höheren Sensitivität ist der Montreal Cog­nitive Assessment Test (MOCA) dem Mini Mental Status Test (MMST) vorzuziehen. Der verbreitete Uhrentest erreicht nicht die für eine Gedächtnisprüfung geforderte Genauigkeit. Wichtige Hinweise gibt auch die Befragung der Angehörigen, sofern der Patient damit einverstanden ist. Ein anlassloses Screening ohne Hinweis auf eine Beeinträchtigung wird nicht propagiert. Bisher konnte dafür kein Nutzen belegt werden, allerdings auch kein Schaden. 

Depressivität kann die Hirnleistung mindern

Patienten mit Verdacht auf eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder Demenz wird eine vertiefte neuropsychologische Diagnostik angeraten, selbst wenn die Kurztests einen unauffälligen Befund ergaben. Eine begleitende Depressivität kann die geistige Leistung ebenfalls mindern und sollte deshalb eruiert werden.

Eine wichtige Rolle in der Ursachenfahndung spielen Blutparameter (s. Kasten). Wenn die Ätiologie nach klinischer und neuropsychologischer Untersuchung unklar bleibt und potenziell reversible Störungen ausgeschlossen sind, wird eine Kontrolle der Liquorbiomarker Aβ42, Gesamt-Tau und pTau empfohlen. Dieses Vorgehen dient der Differenzierung primärer Demenz­erkrankungen, v.a. zwischen Alzheimer, frontotemporale Demenz und vaskuläre kognitive Störung. Voraussetzung für eine solche Untersuchung ist allerdings, dass der Befund das klinische Management beeinflusst. 

Laborparameter bei Demenz

Zur Basisdiagnostik zählen Blutbild, Elektrolyte, GOT, Gamma-GT, Kreatinin, Harnstoff, CRP, TSH, Vitamin B12 und eGFR. In unklaren Situationen (atypische Symptome, junges Alter, rasche Progredienz) sowie klinischem Verdacht ist eine gezielte Abklärung indiziert (z.B. Differenzialblutbild, Drogenscreening, Lues-Serologie). Blutbasierte Biomarker für die Alzheimer-Krankheit werden derzeit entwickelt, eignen sich aber noch nicht für die klinische Praxis. Wenn sich anamnestische Hinweise auf eine entzündliche Hirnerkrankung ergeben, sollte diese mittels Liquordiagnostik ausgeschlossen werden.

Manche Patienten mit leichter kognitiver Störung möchten wissen, wie hoch ihr Demenzrisiko ist. Ihnen kann eine Liquordiagnostik mit Bestimmung der Biomarker für die Alzheimer-Krankheit angeboten werden, so die Leitlinie. Allerdings sollten sie vorher über die Unsicherheit der Einschätzung und eine etwaige psychische Belastung durch das Ergebnis aufgeklärt werden. Die DEGAM stimmt diesem Vorgehen nicht zu, auch wenn die Liquordiagnostik nur als Kann-Option erwähnt wird. Das Risiko für eine seelische Beeinträchtigung durch die Kenntnis der Demenzgefahr erscheint den Hausärzten ausreichend, um diesen Vorschlag abzulehnen. 

Die Leitlinie empfiehlt eine Bildgebung im Rahmen der Primär­diagnostik, u.a., um ­reversible Ursachen einer Demenz auszuschließen. Nach Ansicht der DEGAM gibt es jedoch keinen Hinweis auf einen generellen Nutzen. Eine Ausnahme bilden Patienten, bei denen Anamnese, klinischer Befund und Liquordiagnostik für eine spezifische Ursache sprechen, so die DEGAM.

Von der regelhaften Durchführung einer bildgebenden Diagnostik im Verlauf der Demenzerkrankung raten die Autoren mangels Nutzenbeleg ab. Diese kann jedoch beispielweise im Fall einer plötzlichen Verschlechterung oder eines ungewöhnlichen Verlaufs sinnvoll sein. 

Eine molekulare Untersuchung mittels FDG-PET*** empfiehlt die Leitlinie, wenn die Ursache einer Demenz oder geringen kognitiven Einschränkung trotz klinischer und neuropsychologischer Diagnostik und ggf. Liquormarkern unklar bleibt. Voraussetzung ist auch hier, dass die Abklärung das klinische Vorgehen beeinflusst. 

Die FDG-PET kann auch Patienten mit leichter kognitiver Störung und gesicherter Diagnose angeboten werden, wenn diese eine Einschätzung ihres Demenzrisikos wünschen – vorausgesetzt, sie wurden über die Vor- und Nachteile sowie mögliche Konsequenzen aufgeklärt. Die Option einer progres­sionsverzögernden Therapie ist nicht erforderlich, meinen die Leitlinienautoren. Ein weiteres Angebot ist die Amyloid-PET-­Untersuchung. Sie eignet sich zur Darstellung bzw. zum Ausschluss einer Alzheimer-Pathologie und kann auch zur Ermittlung des individuellen Demenzrisikos eingesetzt werden.

* Deutsche Gesellschaft für Neurologie 
** Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
*** Fluordesoxyglukose (18F)-Positronen-Emis­sionstomografie 

Quelle: S3-Leitlinie „Demenzen“, AWMF-Register-Nr. 038-013, www.awmf.org