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Demenz Die vier wichtigsten Testverfahren – und wann sie sinnvoll sind

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Beim Uhrentest soll der Patient ein Ziffernblatt mit Zeigern zu einer vorgegebenen Tageszeit zeichnen. Beim Uhrentest soll der Patient ein Ziffernblatt mit Zeigern zu einer vorgegebenen Tageszeit zeichnen. © iStock/AndreyPopov
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Beim Erkennen einer demenziellen Erkrankung kommt dem Hausarzt eine Schlüsselrolle zu. Mit einfachen Methoden kann er feststellen, ob eine genauere diagnostische Abklärung beim Spezialisten geboten ist.

Beim Verdacht auf Demenz stehen dem Hausarzt für eine erste orientierende Diagnostik verschiedene Verfahren zur Verfügung. Die Screeningtests nehmen zwischen fünf und fünfzehn Minuten in Anspruch und lassen sich ohne Weiteres in der Praxis durchführen.

Besonders gut geeignet ist der ­BrainCheck, verbunden mit dem Uhrentest. Die Untersuchung be­ginnt mit drei geschlossenen Fragen an den Patienten:

  • Haben Sie selbst kognitive Einschränkungen bemerkt?
  • Wurden Sie von Angehörigen deswegen kritisiert?
  • Fühlen Sie sich durch kognitive Einbußen im Alltag eingeschränkt?

Beim Uhrentest soll der Patient ein Ziffernblatt mit Zeigern zu einer vorgegebenen Tageszeit zeichnen. Das Verfahren ermittelt exekutive Funktionsstörungen und wird nur wenig durch sozio­demographische Faktoren beeinflusst, erklärt der Neuropsychologe Dr. ­Marc ­Schwind vom Kantonsspital Winterthur. Es eignet sich als Früh- und Verlaufsindikator zur Dokumentation des visuell-räumlichen Denkens. Wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenz liefert auch die Einschätzung von Angehörigen und Freunden. Sie können Auskunft zur aktuellen kognitiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen im Vergleich zum Zustand vor zwei Jahren geben.

Sind bereits die Antworten des Patienten oder seiner Familie auffällig, sollten weitere Untersuchungen folgen. Falls Uhrentest und Befragung keinerlei Anhaltspunkte für relevante geistige Einbußen ergeben, kann im Sinne des ­Watchfull ­Waitings mit der weiteren Abklärung gewartet werden. Eine Validierungsstudie ergab für den ­BrainCheck eine Sensitivität von 97,4 % und eine Spezifität von 81,6 %.

Als weiteres Screeninginstrument steht der Mini-Mental-Status-Test (MMST) zur Verfügung. Er erfasst neben der zeitlichen und örtlichen Orientierungsfähigkeit auch die Bereiche Gedächtnis und Arbeitsgedächtnis, Visuo­konstruktion und Sprache. Der MMST ist allerdings recht störungsanfällig. Außerdem ist er nicht zur Demenzfrüherkennung geeignet und kann nicht zwischen verschiedenen Typen der Erkrankung differenzieren. Bei einem Schwellenwert von 24 Punkten liegt die Sensitivität des Verfahrens bei 85 %, die Spezifität bei 90 %.

Sensitivität und Spezifität – was die Zahlen bedeuten

Die Sensitivität der Testverfahren gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Demenzkranker korrekt als dement eingestuft wird. Ein Wert von 85 % bedeutet also, dass 85 % der Patienten mit Demenz tatsächlich als solche erkannt werden. Andererseits werden 15 % der Dementen fälschlich als gesund beurteilt. Die Spezifität liefert eine Aussage darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich ein gesunder Patient als nicht dement erkennen lässt. Die Spezifität eines Testverfahrens von 90 % bedeutet demnach, dass neun von zehn der kognitiv Gesunden korrekt als nicht-dement beurteilt werden, während zugleich jeder Zehnte der gesunden Personen irrtümlich die Einstufung „dement“ erhält.

Leichte kognitive Einbußen mit dem DemTect erkennen

Ebenfalls innerhalb weniger Minuten durchführbar ist der Demenz-Detektions-Test, kurz als ­DemTect bezeichnet. Mit ihm lassen sich leichte kognitive Störungen und Frühformen der Demenz besser erkennen als mit dem MMST. Bei einem ­Cut-off von 13 Punkten, was der altersgemäßen kognitiven Leistung entspricht, erzielt der ­DemTect eine Sensitivität von 97 % und eine Spezifität von 93 %. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Stadien einer Demenz ist nicht möglich. Speziell für leichte kognitive Störungen wurde das ­Montreal ­Cognitive ­Assessment (­MoCA) entwickelt. Das Verfahren prüft verschiedene Teilbereiche ab, angefangen bei Exekutivfunktionen über die Gedächtnis- und Rechenleistung bis hin zum Orientierungsvermögen der Patienten. Der Test nimmt 10–15 Minuten in Anspruch und steht in mehr als 30 Sprachen zur Verfügung. In einer Validierungsstudie erwies sich die stark abweichende Sensitivität und Spezifität bei unterschiedlichen Grenzen des Normalbereichs als problematisch, weswegen zwei separate ­Cut-offs empfohlen werden: Ein Grenzwert von 23/24 Punkten ergibt eine Spezifität von 88 %, einer von 26/27 Punkten eine Sensitivität von 91 %. Bei Ergebnissen zwischen 24 und 26 Punkten sollte der Patient folglich zum Spezialisten überwiesen oder der Test nach sechs bis zwölf Monaten wiederholt werden. Alle vier Screeningverfahren ermöglichen nur die grobe Einschätzung der kognitiven Leistungsfähigkeit und können die detaillierte neuropsychologische Untersuchung nicht ersetzen, stellt Dr. ­Schwind klar. MMST und ­MoCA sind die ausführlicheren Verfahren und decken besonders viele Bereiche ab, erfordern aber eine gewisse Übung und Erfahrung. ­DemTect erkennt eine frühe Demenz besser als der MMST, aber keines der beiden Verfahren erlaubt eine Stadieneinteilung oder die Differenzierung der kognitiven Einbußen. Zudem prüfen alle vier Methoden vor allem Gedächtnis-, Sprach- und Exekutivfunktionen und weniger die soziale Kognition der Betroffenen.

Wann ist Major NCD dement?

Das Diagnosemanual DSM-5 kennt den Begriff Demenz nicht mehr, sondern subsumiert diese Erkrankungen unter der Kategorie der neurokognitiven Störung (Neurocognitive Disorder, NCD). Vorstadien werden als Minor NCD bezeichnet, die eigentliche Demenz als Major NCD. Dem DSM-5 folgend sind diese sechs Bereiche der Kognition betroffen:
  • komplexe Aufmerksamkeit
  • exekutive Funktionen
  • Lernen und Gedächtnis
  • Sprachvermögen
  • perzeptiv-motorische Fähigkeiten
  • soziale Kognition
Bei Minor NCD bestehen objektivierbare kognitive Einbußen ohne wesentliche Einschränkung im Alltag. Bei Major NCD sind die Alltagsfunktionen beeinträchtigt.

BrainCheck als Alternative bei wenig Erfahrung

In der Praxis stellt sich die Frage, welches Verfahren angewandt werden soll. Für Hausärzte, die mit neuropsychologischer Diagnostik vertraut sind und die nötige Zeit aufbringen können, ist der ­MoCA-Test empfehlenswert, erklärt Dr. ­Schwind. Andernfalls ist dem ­BrainCheck der Vorzug zu geben. Dieser Test lässt sich einfach auswerten und birgt nur ein sehr geringes Fehlerrisiko. In jedem Fall sind die Erkenntnisse aus dem hausärztlichen Screening auch für den Spezialisten wichtig, der mit ihrer Hilfe die nachgeordnete Diagnostik modifizieren kann.

Quelle: Schwind M. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 151-156; DOI: 10.1055/a-1542-6120