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Die wichtigsten Regeln für Diabetiker auf Reisen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Auch im Urlaub hat der Diabetiker seine Krankheit immer mit im Gepäck und muss daher einige Dinge beachten. Auch im Urlaub hat der Diabetiker seine Krankheit immer mit im Gepäck und muss daher einige Dinge beachten. © iStock/Fertnig
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Patienten mit Diabetes können heute die ganze Welt erkunden. Vorausgesetzt, sie sind gut eingestellt und haben keine ernsten Folgeschäden. Dennoch lauern auf Reisen Gefahren für Zuckerkranke. Deshalb empfiehlt sich vor dem Urlaub ein Besuch beim Arzt.

Die häufigste medizinische Reisekomplikation ist bei Diabetikern die Hypoglykämie. Im Beratungsgespräch sollte man daher nach Schweregrad und Anzahl der im vergangenen Halbjahr aufgetretenen Unterzuckerungen fragen. Vielleicht lassen sich auch mögliche Auslöser eruieren und prohylaktische Maßnahmen ergreifen. Außerdem rät Dr. Andreas H. Leischker­ von der Klinik für Geriatrie am Alexianer Krankenhaus Krefeld, das Blutzuckerziel auf Reisen etwas höher anzusetzen und bei Bedarf die Hypoglykämie-Wahrnehmung nachzuschulen.

Die klinische Untersuchung konzentriert sich auf Folgeschäden wie Polyneuropathie, diabetischen Fuß, PAVK und Niereninsuffizienz. Zum Augenarzt muss der Patient, wenn die letzte Untersuchung länger als ein Jahr zurückliegt.

In den Tropen ist das ganze Jahr Grippesaison

Aufgrund der krankheitsbedingt geschwächten Immunität besteht ein deutlich höheres Infektionsrisiko. Umso wichtiger: ein guter Impfschutz, z.B. gegen die Influenza. Sie hat in den Tropen ganzjährig Saison und auf der Südhalbkugel von April bis Oktober. Auch auf Kreuzfahrten muss man mit Ausbrüchen rechnen. Die Immunisierung senkt auch das im Gefolge der Grippe bestehende Herzinfarktrisiko, das bei Diabetikern ohnehin deutlich höher liegt.

Die Pneumokokken-Impfung soll vor allem invasive Infektionen verhindern, die bei Zuckerkranken fünfmal häufiger auftreten als bei Gesunden. Infektionen drohen vor allem in Skandinavien und Großbritannien. Auch die Tuberkulosegefahr ist größer, vor allem bei lang dauernden Verwandtenbesuchen mit engen Kontakten in Endemiegebieten.

Viel Bedeutung für einen gesunden Urlaub hat das richtige Reisegepäck: Wegen des erhöhten Hypoglykämie-Risikos sollten Dia­betiker öfter selbst messen und mindestens doppelt so viele Blutzucker-Teststreifen wie üblich einpacken. Vor allem Typ-1-Diabetiker brauchen auch Teststreifen zur Frühdiagnose einer Ketoazidose. Der Insulinbedarf kann auf Reisen steigen, z.B. durch Infektionen. Der Autor empfiehlt daher, ebenfalls die doppelte Menge und zusätzlich für den Fall eines Verlustes ein Privatrezept dafür mitzunehmen. Falls am Ziel keine Pens zu bekommen sind, helfen mitgebrachte Einweginsulinspritzen. Ein internationaler Diabetikerausweis bzw. eine ärztliche Bescheinigung in Englisch über die benötigten Medikamente und Utensilien erleichtert die Zollkontrolle.

Hormon im Brustbeutel

Insulin hält bei einer Temperatur bis 30 °C mindestens vier Wochen, zwischen 30 und 40 °C nur wenige Tage und jenseits der 40 °C nur Stunden. Deshalb darf das Hormon nie im Auto vergessen werden. Bei dauerhaft erhöhten Temperaturen über 30 °C gehört es in den Kühlschrank oder eine Kühltasche. Kurzfristig kühlt eventuell ein feuchtes Handtuch. Auch beim Einfrieren verliert Insulin seine Wirkung. Bei sehr niedrigen Temperaturen empfiehlt sich das Tragen in einem Brustbeutel unter der Kleidung, das verhindert das Einfrieren. Während des Fluges gehört Insulin ins Handgepäck, weil es im Frachtraum gefrieren könnte.

Orale Antidiabetika zur lokalen Zeit einnehmen

Besondere Herausforderungen kann die Zeitverschiebung mit sich bringen. Am einfachsten gelingt die Umstellung bei oralen Antidiabetika aufgrund der langen Halbwertszeit. Sie sollten zur lokalen Zeit eingenommen werden – also z.B. wenn am Reiseziel morgen ist. Die Insulin-Applikation muss bei einer Zeitverschiebung unter vier Stunden nicht modifiziert werden. Bei mehr als vier Stunden wird die erste Dosis des Basalinsulins angepasst: Führt die Reise Richtung Westen (verlängerter Tag), spritzt der Patient am besten pro Stunde Zeitverschiebung 1/24 mehr Basalinsulin, bei Reisen nach Osten entsprechend weniger.

Aktive Urlauber sollten einen Blutzucker > 150 mg/dl haben

In manchen Ländern erkrankt jeder zweite Tourist an einer Reisediarrhö. Oberste Priorität hat die Aufnahme von Flüssigkeit und Elektrolyten. Falls die Kranken keine Nahrung aufnehmen können, sollten sie die Applikation des kurz wirksamen Insulins unterbrechen und die Dosis des Basalinsulins halbieren. Sportliche Ambitionen müssen Diabetiker im Urlaub nicht aufgeben: Allerdings wird vor längeren Belastungen ein Blutzucker über 150 mg/dl gefordert. Bei Werten über 250 mg/dl muss man die Ketonkörper im Urin bestimmen. Im Fall einer Ketoazidose, die fast ausschließlich Typ-1-Diabetiker betrifft, heißt es: Schluss mit Sport. Denn dieser würde die Stoffwechselentgleisung noch verschlimmern. Zur Sicherheit sollten Diabetiker immer ein Messgerät, Insulin und zusätzliche Kohlehydrate mitnehmen, zehn Minuten schnelles Laufen „kostet“ etwa eine Broteinheit.

Autofahren nur mit Protokoll

Diabetiker sollten vor jeder Autofahrt ihren Blutzucker messen und aus juristischen Gründen dokumentieren (Ziel 120–180 mg/dl). Spätestens alle zwei Stunden sind Pausen fällig – selbstverständlich mit Blutzuckerkontrolle und Dokumentation. Zwischenmahlzeiten und Glukose liegen am besten griffbereit. Bei den ersten Zeichen einer Hypoglykämie heißt es: sofort anhalten. Mit erfolgreich behandelter Unterzuckerung darf sich der Fahrer frühestens nach 30 Minuten wieder ans Steuer setzen.

Sogar sportliche Höchstleistungen sind mit Diabetes möglich. In einer ärztlich begleiteten Expedition schafften es 6 von 16 Typ-1-Diabetikern auf den Gipfel des Kilimandscharos (5895 m). Zuckerkranke können auch tauchen, aber frühestens ein Jahr nach dem Insulinstart und drei Monate nach dem Beginn einer oralen Behandlung. Außerdem darf im vergangenen Jahr keine schwere Hyper- oder Hypogykämie aufgetreten sein und die Betroffenen müssen sich jährlich einer neuen Tauglichkeitsprüfung unterziehen.

Quelle: Leischker AH. internistische Praxis 2019, 61: 554-555