Geheilt, aber nicht richtig gesund Mammakarzinom: Empfehlungen für die psychoonkologische Begleitung in der Nachsorge

DGS 2025 Autor: Mascha Pömmerl

Nach der Primärtherapie erfordert die Nachsorge Kontrolle, psychoonkologische Begleitung und individuelle Beratung. Nach der Primärtherapie erfordert die Nachsorge Kontrolle, psychoonkologische Begleitung und individuelle Beratung. © volha_r – stock.adobe.com

Mit dem Abschluss der Primärbehandlung beginnt für Brustkrebspatient:innen die Nachsorge. Neben den Kontrolluntersuchungen müssen die Betroffenen auch psychoonkologisch begleitet werden. Welche wichtigen Aspekte sollten Frauenärztinnen und -ärzte berücksichtigen?

Der Übergang von der strukturierten, überwachten Therapiephase in eine weniger intensive Begleitung und den alten oder neuen Alltag sei für viele Betroffene ein kritischer Punkt und psychisch belastend, erklärte PD Dr. Friederike Siedentopf, Berlin.1 Auf der anderen Seite bleiben die Nachsorgetermine stark angstbesetzt. „Während wir unseren Fokus auf den Übergang in die Normalität und die Bearbeitung eventueller Therapiefolgen legen, haben Patient:innen Angst vor einem Rezidiv und fordern vielleicht eine engere Nachsorge ein, wobei eine intensivierte apparative Nachsorge das Gesamtüberleben nicht verbessert.“

Gerade bei älteren Patient:innen bleibe eine mögliche Depression oft unerkannt, so die Referentin weiter. Daher sollten Ärzt:innen einen einfacher Screening-Test in das Gespräch integrieren und folgende Fragen stellen, um eine depressive Episode zu erkennen:

  • Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos?
  • Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Mediziner:innen unterschätzten häufig die subjektive Krankheitstheorie, die jede:r Erkrankte in irgendeiner Form entwickle. Diese sei wichtig bei der Krankheitsverarbeitung. Dr. Siedentopf riet dazu, einmal folgende Frage zu stellen: „Warum, denken Sie, sind Sie krank geworden?“ Dies diene der Integration der Krankheit in den eigenen Lebensentwurf und der Sinnfindung. „Das Ziel dabei ist, die kognitive Kontrolle in einer aus der Kontrolle geratenen Situation wiederzuerlangen.“

Nach einem Jahr geht es meistens bergauf

Grundsätzlich habe sich gezeigt, dass bei allen Krebserkrankungen die Ängste der Erkrankten über die Zeit abnehmen. Außerdem liegen die Ängste umso höher, je intensiver die Therapie war. Die psychosoziale Belastung entstehe durch die Diagnose „Brustkrebs“ und lasse sich daher nicht verhindern, meinte die Kollegin. Aber man könne ganz generell sagen, dass sich etwa ein Jahr nach der Operation bei den Betroffenen die psychosoziale Funktion – die Lebensqualität, die Sexualität, das Körperbild, Angst und Depressionen – wieder verbessere.

Sexuelle Gesundheit proaktiv ansprechen

„Hier gibt es wenige belastbare Studien, aber man kann sagen, dass etwa zwei Drittel der Frauen von einer reduzierten sexuellen Lebensqualität in der Nachsorge berichten. Man sollte den Patient:innen das Gespräch anbieten und Offenheit signalisieren“, erläuterte Dr. Siedentopf. Zwei Dinge könne man den Überlebenden mitgeben: Wer vor der Krankheit eine erfüllte Sexualität hatte, wird sie auch danach mit hoher Wahrscheinlichkeit wiedererlangen. Und wer die Unterbrechung der sexuellen Aktivität während der belastenden Krankheitsphase akzeptiert, ermöglicht auch deren Wiederaufnahme.

Krankheit bietet Chance zur Lebensstil-Änderung

Die psychische Belastung der Lebenspartner:innen könne ähnlich hoch ausfallen wie die der Erkrankten, erklärte die Expertin. Dabei bildeten sie die wichtigste Ressource der Unterstützung. Insofern sollten auch Partner:innen unterstützt werden. Insgesamt sieht Dr. Siedentopf in der Nachsorgephase einen günstigen Zeitpunkt, Lebensstilfaktoren anzugehen: „Ähnlich wie eine Schwangerschaft ist die Nachsorge eine gute Chance für sekundär-präventive Verhaltensänderungen.“

Digitale Interventionen in die Behandlung integrieren

Generell würden Möglichkeiten der psychosozialen Unterstützung nur wenig in Anspruch genommen, konstatierte Prof. Dr. Imad Maatouk, Universitätsklinikum Würzburg.2 Die Gründe hierfür reichen von knapper Zeit, fehlender Information oder Scham bis zu eingeschränkter Mobilität. Hier könnten digitale Interventionen einen Ausweg darstellen. Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie merkte an: „Für viele ist es einfacher, sich Hilfe zu holen, wenn man dabei nicht in ein Gesicht blicken muss.“ Verschreiben Kolleg:innen Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), sollten diese optimalerweise nicht als Stand-alone-Angebot genutzt werden, sondern in die Behandlung integriert und in den Betreuungsterminen angesprochen werden.

Prof. Maatouk forderte einen integrierten Ansatz der psychosomatischen Medizin: „Ich denke, psychosomatische Grundversorgung sollte in allen klinischen Fächern der Medizin verpflichtend sein, denn sie gehört zum ärztlichen Handwerkszeug dazu.“

Quellen:
1. Siedentopf F. 44. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag „Mammakarzinom – Aspekte der psychoonkologischen Begleitung in der Nachsorge“.
2. Maatouk I. 44. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag „Digitale Interventionen in der Psychoonkologie – Ansätze bei der Behandlung des Mammakarzinoms“.