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Koronarsyndrom Eng, aber vielleicht läuft’s ja noch

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ein bisschen Platz gibt es noch in dieser Koronararterie. Ob der aber für die Sauerstoffversorgung ausreicht? Ein bisschen Platz gibt es noch in dieser Koronararterie. Ob der aber für die Sauerstoffversorgung ausreicht? © Science Photo Library/Downer, Nigel
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Nicht jeder Patient mit chronischem Koronarsyndrom braucht einen Herzkatheter. Entscheidend ist die hämodynamische Relevanz der Stenose. Und die sollte man primär möglichst nicht-invasiv bewerten.

Die Bedeutung einer Kranzgefäßverengung für die Sauerstoffversorgung des Myo­kards hängt nicht nur von deren Ausmaß ab, betonen Alexander Schulz und Professor Dr. Andreas­ Schuster­ vom Herzzentrum Göttingen. Im Intermediärbereich zwischen 40 und 80 % haben trotz identischen Stenosegrades manche Patienten eine fast normale Flussreserve, während sie bei anderen schon stark eingeschränkt ist. Die hämodynamische Bedeutung der Stenose lässt sich mit funktionellen Tests eruieren.

Los geht’s mit EKG und Herzecho

Im Praxisalltag erfolgt die Abklärung klinischer Hinweise auf ein chronisches Koronarsyndrom zunächst mit rasch verfügbaren Verfahren wie 12-Kanal-EKG und Echokardiographie. Das weitere Vorgehen hängt von der Prätestwahrscheinlichkeit (PTP) ab, die sich anhand anamnestischer Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und Symptomatik in einem Score einschätzen lässt. Patienten mit Werten über 15 % sollten genauer untersucht werden, unter 5 % nur bei hochgradigem Verdacht.

Im Bereich < 15 % liegt das Risiko für einen Myokardinfarkt innerhalb der folgenden zwölf Monaten unter 1 %. Deshalb wird empfohlen, das weitere Vorgehen von der klinischen Wahrscheinlichkeit abhängig zu machen. Diese berücksichtigt zusätzlich die Familienanamnese sowie die Ergebnisse der Vordiagnostik (Ruhe- und Belastungs-EKG, Echokardiographie). Auch CT-Befunde finden neuerdings Eingang in die Beurteilung: Von den Patienten mit einem Kalziumscore von null haben weniger als 5 % eine stenosierende KHK.

Die Einschätzung der Prätest- und klinischen Wahrscheinlichkeit für ein chronisches Koronarsyndrom ermöglicht den optimalen Einsatz der apparativen Diagnostik. Bei niedrigem bis mittlerem Risiko gilt die morphologische Darstellung mittels computertomographischer Angiographie (CTA) als Methode der Wahl. Sie kann ein Koronarsyndrom mit hoher Sensitivität ausschließen. Die diagnostische Genauigkeit der dreidimensionalen CTA ist der herkömmlichen zweidimensionalen Koronar­angiographie ebenbürtig.

Funktionelle Tests, z.B. ein Perfusions-CT oder die Bestimmung der fraktionellen Flussreserve in der CT (FFR-CT), sollten vor allem bei unklaren Vorbefunden und mittlerer bis hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für ein chronisches Koronarsyndrom genutzt werden. Aufgrund ihrer hohen Spezifität eignen sie sich zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose chronisches Koronarsyndrom. Bei intermediären Stenosen zwischen 50 % und 90 % ermöglichen sie eine Einschätzung der hämodynamischen Relevanz.

Gut etabliert hat sich darüber hinaus die Stressechokardiographie. Dabei werden Wandbewegungsstörungen, die unter körperlicher oder pharmakologischer Belastung (z.B. Dobutamin) auftreten, als Ischämiezeichen gewertet. Der physiologische Stresstest (Fahrradergometrie) hat zwar eine höhere Sensitivität und Spezifität. Er scheitert aber oft an der praktischen Durchführbarkeit, weil sich 40 % der Patienten nicht ausbelasten oder dies gar nicht können. Außerdem mindern Thoraxbewegungen und Hyperventilation die Bildqualität.

Eine nuklearmedizinische Methode zum Ischämienachweis ist die Single-Photonen-Emissions-CT (SPECT). Sie nutzt die myokardiale Anreicherung von Technetium (99Tc) in Ruhe und unter maximaler Gefäßdilatation (Adenosin-Stress) oder ergometrischer Belas­tung zur Darstellung der Perfusion. Die Methode erlaubt die zusätzliche Detektion von Narbengewebe. Von einer interventionellen Therapie profitieren hinsichtlich einer prognostischen Verbesserung vor allem Patienten mit einer Ischämie > 10 % und weniger als 10 % narbig verändertem Myokard.

Auch die Kombination von Positronenemmissions- und Computertomographie (PET-CT) erfolgt unter Applikation von Radiopharmaka. Ihr Vorteil: Sie erzielt eine wesentlich bessere Bildqualität und räumliche Auflösung als die SPECT. Das ermöglicht eine Quantifizierung der myokardialen Perfusion sowie eine Stoffwechseldiagnostik zum Vitalitätsnachweis.

Strahlungsfrei arbeitet die kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie (CMR). Wie bei der SPECT wird die Perfusion unter Adenosin-Stress dargestellt. Alternativ lassen sich Störungen der Wandmotilität mit Dobutamin induzieren oder verstärken. Die späte Kontrastmittelanreicherung (late gadolinium enhancement) ermöglicht den Nachweis auch kleinerer, aber prognostisch bedeutsamer fokaler Narben. Hinsichtlich Sensitivität und diagnostischer Genauigkeit ist die CMR der SPECT mindestens ebenbürtig.

Für den klinischen Nutzen einer an der Hämodynamik orientierten interventionellen Therapie gibt es klare Belege: So behandelte Patienten haben eine geringere Mortalität, erleiden seltener einen Myokardinfarkt und benötigen weniger erneute Revaskularisationen. Insgesamt profitieren Menschen mit chronischem Koronarsyndrom von einer invasiven Therapie vor allem hinsichtlich der symptomatischen Besserung. Ein prognostischer Gewinn lässt sich nur bei hämodynamisch relevanter Einengung erzielen­.

Quelle: Schulz A, Schuster A. Internist 2021; 62: 729-740; DOI: 10.1007/s00108-021-01035-8