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Oropharyngeale Karzinome Entlang der Lippe und weiter

Autor: Dr. Andrea Wülker

Lippenkarzinome fallen auf. Werden sie früh behandelt, haben Betroffene vergleichsweise recht gute Überlebenschancen. Lippenkarzinome fallen auf. Werden sie früh behandelt, haben Betroffene vergleichsweise recht gute Überlebenschancen. © Science Photo Library/Clinical Photography
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Mundhöhle ist nicht gleich Rachen ist nicht gleich Lippe. Oropharyngeale Karzinome bilden eine heterogene Gruppe von Malignomen und bedürfen epidemiologisch der isolierten Betrachtung.

Mit Abstand am häufigsten handelt es sich bei oropharyngealen Tumoren um Plattenepithelkarzinome der Schleimhäute im oberen Aerodiges­tivtrakt, schreibt das Team um Dr. Lina Jansen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Die Forscher analysierten Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten, um Genaueres über Inzidenz, Stadienverteilung und Mortalität von Mundhöhlen- und Pharynxkarzinomen herauszufinden. Zudem wollten die Kollegen wissen, in welchen Altersgruppen die verschiedenen Tumoren bevorzugt auftreten und wie sich die verschiedenen Entitäten auf Männer und Frauen verteilen.

Im Jahr 2016 wurden in Deutschland knapp 13.800 Karzinome der Mundhöhle und des Rachens neu diagnostiziert, 5.457 Menschen starben im selben Jahr daran. Für Männer registrierten die Untersucher sowohl eine höhere Inzidenz als auch Mortalität (17,6 bzw. 7,0 Fälle pro 100.000 Personen) als für Frauen (6,5 bzw. 1,8). Das dürfte daran liegen, dass Männer mehr Alkohol und Tabak konsumieren als Frauen – die klassischen Risikofaktoren für diese Krebsarten. Bei beiden Geschlechtern hatten Oropharynxkarzinome die höchste Inzidenz.

Alkohol, Tabak und HPV als Treiber

Als bedeutsamste Risikofaktoren für die Entstehung von Mundhöhlen- und Pharynxkarzinomen galten lange Alkohol- und Tabakkonsum. In den letzten Jahren gewannen aber Virusinfektionen, insbesondere mit Hochrisikostämmen des humanen Papillomvirus (HPV), deutlich an Stellenwert – vor allem bei Tumoren des Oropharynx. Von HPV-assoziierten Oropharynxkarzinomen sind typischerweise jüngere Patienten betroffen.

Frauen weisen höhere Überlebensraten auf als Männer

Die Überlebenschancen der Patienten hingen stark davon ab, an welcher Entität sie erkrankten. Während das relative 5-Jahres-Überleben bei Lippenkarzinomen > 90 % betrug, lag es bei Hypopharynxkarzinomen bei < 40 %. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Lippenkarzinome meist früh erkannt und behandelt werden, während Hypopharynxkarzinome den Blicken von Patient und Arzt leicht entgehen und oft erst in deutlich fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert werden. Das schränkt die Behandlungsoptionen ein und verschlechtert die Prognose. Frauen wiesen nach Mundhöhlen-, Speicheldrüsen- und Oropharynxkarzinomen eine höhere relative 5-Jahres-Überlebensrate als Männer auf, was mit internationalen Vergleichsdaten übereinstimmt. Das mag einerseits an prognostisch bedeutsamen hormonellen Unterschieden liegen, andererseits aber auch daran, dass Frauen im Schnitt ein ausgeprägteres Gesundheitsbewusstsein haben und sich um einen gesünderen Lebensstil bemühen. Bei den meisten untersuchten Tumoren fand sich für das weibliche Geschlecht eine günstigere Stadienverteilung, was die Überlebensraten positiv beeinflusst haben dürfte. Möglicherweise gehen Frauen früher zum Arzt, wenn sie den Eindruck haben, dass etwas nicht stimmt. Das höchste Alter wurde bei Patienten mit Lippenkarzinom beobachtet, welches stark mit einer chronischen Exposition gegenüber UV-Strahlung assoziiert ist. Auch Karzinome der Speicheldrüsen und der Mundhöhle traten eher im fortgeschrittenen Alter auf. Am jüngsten waren Rachenkarzinompatienten, passend zum ätiologischen Zusammenhang mit Virusinfektionen.

Quelle: Jansen L et al. Bundesgesundheitsbl 2021; 64: 942-950; DOI: 10.1007/s00103-021-03368-z