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Hypertonie-Therapie Entnervte Niere lässt den Druck sinken

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Der systolische Praxisblutdruck sank bei den Behandelten um 9–10,8 mmHg, der dia­stolische um 5–5,5 mmHg. Der systolische Praxisblutdruck sank bei den Behandelten um 9–10,8 mmHg, der dia­stolische um 5–5,5 mmHg. © iStock/ PeopleImages
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Aktuelle kontrollierte Studien belegen die Wirksamkeit und Sicherheit der renalen Denervation in der Hochdrucktherapie – nicht nur bei therapie­refraktärer Hypertonie. Es ist deshalb Zeit, den Stellenwert dieser Maßnahme in den Leitlinien neu einzuordnen.

Durch Senkung eines erhöhten Blutdrucks lässt sich das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduzieren. Lebensstilmodifikationen bilden die Basis der Hypertonietherapie, reichen aber allein selten aus. In der Regel müssen Antihypertensiva eingesetzt werden. Die meisten Patienten benötigen Kombinationen aus zwei oder mehr Wirkstoffen. Aber auch damit erreichen nur etwa 50 % ihre Zielwerte.

Interventionelle Methode bereits weit entwickelt

Eine erhöhte renale sympathische Aktivität gilt als einer der Hauptfaktoren bei Entstehung und Progression der arteriellen Hypertonie. Vor diesem Hintergrund wurde die renale Denervation entwickelt, die mittlerweile als ausgereifteste interventionelle Methode zur Blutdrucksenkung gilt. Mittels Radiofrequenz- oder Ultraschallenergie werden dabei afferente sensorische und efferente sympathische Nervenfasern, die zur Niere hin bzw. von ihr weg führen, unterbrochen. Der Zugang erfolgt minimal-invasiv per Katheter in den perivaskulären Raum. Durch diese de facto renale Sympathektomie beeinflusst man die Interaktionen zwischen Nieren und zentralem Nervensystem.

Mit der interventionellen Methode wurden im Rahmen von Studien zunächst nur Patienten behandelt, deren systolische Blutdruckwerte trotz ausgeschöpfter medikamentöser Therapie noch immer über 160 mmHg lagen. Die Ergebnisse waren widersprüchlich, in einer Metaanalyse von elf Pilotstudien wurde keine signifikante Blutdrucksenkung beobachtet, berichten Dr. ­Kristina ­Striepe und Kollegen von der Nephrologie und Hypertensiologie am Uniklinikum Erlangen. Daraufhin analysierte man potenzielle Störfaktoren und modifizierte die Studiendesigns in Bezug auf standardisierte Kathetertechniken und Patientenselektion. Man habe dabei gelernt, dass nur mit einer vollständigen Denervation eine gute Wirkung zu erreichen ist, erläutern die Autoren. Auch akzessorische Nierenarterien und Seitenäste müssten nach Möglichkeit mitbehandelt werden. Das inkomplette Vorgehen sei eines der Hauptprobleme in den frühen Studien gewesen.

Mittlerweile haben fünf sham-kontrollierte Studien eindeutig gezeigt, dass der Eingriff sowohl den ambulanten 24h-Blutdruck als auch den Praxisblutdruck von Patienten mit unkontrollierter Hypertonie (mit und ohne Antihypertensiva) kurz- und mittelfristig senkt. Der systolische Praxisblutdruck sank bei den Behandelten um 9–10,8 mmHg, der dia­stolische um 5–5,5 mmHg. Der Langzeitblutdruck reduzierte sich um 4,7–9 mmHg systolisch und 3,7–6 mmHg diastolisch. Es profitierten nicht nur Patienten mit schwerer, sondern auch mit milder bis mäßiger unkontrollierter Hypertonie. Zwischen Radio­frequenz- und Ultraschalltechnik gab es keine nennenswerten Unterschiede.

Aus dem Global Simplicity Register, das fast 3.000 Patienten mit Radiofrequenzablation einschließt, wurden kürzlich Drei-Jahres-Daten veröffentlicht. Zur Auswertung kamen Personen mit folgenden Risiko­faktoren:

  • Alter über 65 Jahre
  • Vorhofflimmern
  • hohes kardiovaskuläres Risiko
  • Diabetes
  • therapieresistente bzw. isolierte systolische Hypertonie

Es profitierten nicht nur Patienten aus letzterer Subgruppe. Auch unter den anderen erreichten viele eine signifikante Senkung des Praxis- und 24h-Blutdrucks.

Zudem hat sich die Maßnahme in den aktuellen Studien auch als sicher erwiesen. Relevante Nebenwirkungen traten unter Therapie nicht häufiger auf als unter Scheinbehandlung. Wie mehrere Auswertungen bezeugen, kommt es auch nach einem Jahr und darüber hinaus weder zur Entstehung bzw. Verschlechterung von Nieren­arterien­stenosen noch zu Perfusionsdefiziten in den Nieren oder zu einem Abfall der glomerulären Filtrationsrate.

Indiziert ist der interventionelle Eingriff aus heutiger Sicht nicht nur bei therapieresistenter Hypertonie, sondern kann jedem Patienten mit unkontrollierter Hypertonie angeboten werden, schreiben die Autoren. Die Präferenz des Patienten solle bei der Therapieentscheidung eine wesentliche Rolle spielen, meien Dr. Striepe und Kollegen. Ein Argument pro Denervation sei für viele, dass der Eingriff i.d.R. mit einer deutlichen Senkung der Medikamentenlast verbunden ist.

Möglicherweise doppelter Nutzen bei Niereninsuffizienz

Ein Sonderfall sind Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Ihr Blutdruck ist meist besonders schwer einstellbar. Sie scheinen jedoch aus pathophysiologischen Erwägungen heraus für eine renale Denervation­ besonders gut geeignet zu sein. Denn die sympathische Überaktivität erhöht nicht nur den Blutdruck, sondern treibt auch die Niereninsuffizienz voran.

Derzeit wird die renale Denervation deutschlandweit in einer ersten prospektiv-randomisierten, shamkontrollierten Doppelblindstudie bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz untersucht. Der Effekt scheint ähnlich gut zu sein wie bei Patienten ohne Niereninsuffizienz. Auch eine Reduktion der Albumin­urie wurde beobachtet. Zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion kam es bisher nicht, fassen die Autoren den aktuellen Stand ­zusammen.

Generell sollte eine renale Denervation nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Im Vorfeld gilt es, sekundäre Hochdruckursachen (z.B. Nierenarterienstenose) auszuschließen. Auch sollte die Medikation optimiert und die Relevanz von Lebensstiländerungen erneut thematisiert werden.

Quelle: Striepe K et al. Internist (Berl) 2022; 63: 330-340;  DOI: 10.1007/s00108-021-01242-3