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Diabetisches Fußsyndrom Entstehende Leitlinie zur Behandlung chronischer Wunden orientiert sich an der Praxis

Autor: Antje Thiel

In der Konsultationsfassung der neuen Leitlinie zur Lokaltherapie von Wunden wird empfohlen, dass die Wundreinigung primär mechanisch mit sterilen, wirkstofffreien Lösungen erfolgen sollte. In der Konsultationsfassung der neuen Leitlinie zur Lokaltherapie von Wunden wird empfohlen, dass die Wundreinigung primär mechanisch mit sterilen, wirkstofffreien Lösungen erfolgen sollte. © kirov1969 – stock.adobe.com
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Oberstes Ziel der Therapie eines Diabetischen Fußsyndroms (DFS) ist es, eine Amputation zu vermeiden. Angesichts eher dürftiger Evidenz für die unterschiedlichen Behandlungsoptionen ist die Leitlinienarbeit allerdings ein mühsames und zeitaufwendiges Unterfangen. 

In der AG Fuß der DDG wird an einer neuen Leitlinie zur Lokaltherapie von Wunden aufgrund peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), Dia­betes und chronischer venöser Insuffizienz (CVI) gearbeitet. Über den Stand der Beratungen und Diskussionen berichtete Dr. Florian Thienel, Chefarzt und Bereichsleiter Diabetisches Fußsyndrom am Diabetes-Zentrum Quakenbrück. „Die Empfehlungen haben nur einen niedrigen Evidenzgrad oder es ist gar keine Evidenz vorhanden“, schickte er voraus. 

In der Frage, wie oft eine aktive periodische Wundreinigung durchgeführt werden sollte, bleibt die Konsultationsfassung mangels Evidenz vage: „regelmäßig im Rahmen des Verbandwechsels“ heißt es, wobei die Wundreinigung primär mechanisch mit sterilen, wirkstofffreien Lösungen erfolgen sollte. Bei Verdacht auf eine Infektion kann der Einsatz zugelassener Antiseptika-Lösungen erwogen werden. Bei sichtbarem avitalem Gewebe sollte ein chirurgisches Débridement erfolgen, begleitet von einer adäquaten Schmerztherapie. Trockene Nekrosen sollten hierbei nicht rehydriert werden.

Heiße Diskussion in Fragen der Wundauflage

Zur Frage, welche Wundauflage auf welche Wunde gehört, haben sich schon viele „die Köpfe heißgeredet“, so Dr. Thienel. Herauskristallisiert hat sich die Empfehlung, ein physiologisch feuchtes Milieu zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Bei nicht-infizierten Wunden sind wirkstofffreie Abdeckungen einzusetzen, außerdem sollte man hier aufgrund möglicher Toxizität und allergener Potenz auf jodhaltige Substanzen und Abdeckmaterialien verzichten. Positiv bewertete der Referent, dass nun auch der autologe Hautersatz empfohlen wird, ebenso kann der Einsatz von synthetischem Hautersatz und beim DFS von autologen Fibrinpatches erwogen werden.

Kritisch bewertete Dr. Thienel hingegen, dass die Vakuumversiegelung mit dem Empfehlungsgrad 0 bewertet wurde, wohingegen die hyperbare Sauerstofftherapie mit Empfehlungsgrad B eingestuft wurde. Er merkte außerdem an, dass durch die starke Fokussierung auf die lokale Therapie leicht der Blick auf das große Ganze verloren gehe. Er rief seine Kolleg*innen deshalb dazu auf, vor dem Start der Lokaltherapie immer auch an die Wundursache zu denken: „Man muss sich nicht nur um die CVI kümmern, sondern auch um die Diagnostik der Neuropathie.“ Vor allem aber solle man chronische Wunden nicht unendlich lang allein behandeln.

Welche DFS-Klassifikation ist wirklich praktikabel? 

Sucht man in der Literatur nach Klassifikationen für das DFS, findet man bis zu 37 unterschiedliche Modelle, wie Dr. Karl Zink, Oberarzt an der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim berichtete. Die Wahl der jeweiligen Klassifikation sollte sich danach richten, ob sie für die Kommunikation unter medizinischen Fachkräften, Ulkusprognose, klinische Entscheidungsfindung, Wundbeurteilung oder Vergleiche von Populationen genutzt werden soll. Für Abheilraten bzw. Amputationswahrscheinlichkeit validiert seien die Klassifikationen nach Wagner, nach Armstrong, SINBAD – Site (Lage), Ischämie, Neuropathie, bakterielle Infektion, Area (Fläche) und Depth (Tiefe) – und WIFI (Wunde, Ischämie, Fuß-Infektion). Die Wagner-Klassifikation stelle allerdings PAVK oder Infektion eher schlecht dar, mit der Armstrong-Klassifikation wiederum sei u.a. keine Aussage über die Wundgröße möglich. 

„Wir müssen uns in der AG Fuß Gedanken machen, ob auch wir künftig den Schwenk Richtung SINBAD- und WIFI-Klassifikation anstatt der Wagner- und Armstrong-Klassifikationen machen wollen“, erklärte Dr. Zink. Solange dies für die für die Abrechnung relevant ist, bleibe man noch bei Wagner und Armstrong, doch nach einem Testlauf mit einigen Zentren und nach einer Übergangszeit werde man die Verwendung von SINBAD und WIFI empfehlen.

So wichtig der Fokus auf Amputationsvermeidung auch ist – es gibt Situationen, in denen eine Amputation unumgänglich ist, wie Claudia Fischer betonte. Die Allgemein- und Fußchirurgin arbeitet im Kölner MVZ St. Marien und hat sich auf die Versorgung von Menschen mit DF spezialisiert. „Amputationen sind oft der letzte Dienst am Patienten und können auch das Ende einer langen Leidensgeschichte sein“, erklärte sie. „Man muss wissen, wann Schluss ist. Und wenn es sein muss, dann sollte es richtig gemacht werden.“ Anders als oft praktiziert, seien Amputationen aber keine Operationen für Anfänger*innen. 

Wichtig: der Verweis an an spezialisierte Chirurg*innen

Leider enthalte selbst das Standardwerk von Baumgartner et al. (2007) „viele Methoden, die nicht hilfreich sind“, mahnte die Chirurgin. „Zehenmikado führt zu Druckstellen und Ulzera, die wir nicht hätten, wenn wir sie anders operiert hätten.“ Es sei wichtig, Betroffene über die Schwerpunktpraxen an spezialisierte Fußchirurg*innen zu verweisen, die z.B. einen Charcot-Fuß von einer Lisfranc-Fraktur unterscheiden und entsprechend therapieren können. An die Diabetolog*innen gerichtet, schloss sie augenzwinkernd: „Wenn Sie interdisziplinär zusammenarbeiten wollen, legen Sie doch bitte Ihre Vorurteile gegenüber Chirurgen ab – wir sind eigentlich wirklich nett!“

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