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Ernährung bei atopischer Dermatitis Fakten statt Mythen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ein möglichst bunter Speiseplan fördert bei Kindern die Toleranzentwicklung. Ein möglichst bunter Speiseplan fördert bei Kindern die Toleranzentwicklung. © Tetiana Soares/GettyImages
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Kein Ei für Säuglinge, Histamin besser meiden und auf Zucker ganz verzichten – zur Ernährung bei atopischer Dermatitis gibt es zahlreiche Mythen, die sich hartnäckig halten. Dadurch werden wirksame Therapien verhindert und ein positiver Einfluss der Nahrung bleibt ungenutzt.

Mythos Nr. 1

Die frühere Meinung, Allergien ließen sich durch das Meiden potenzieller Auslöser verhindern, ist heute obsolet. Denn die primäre Sensibilisierung erfolgt häufig über eine gestörte Hautbarriere. Toleranz kann nur gegenüber Nahrungsbestandteilen entstehen, die der Patient kennt, und sie muss durch regelmäßigen Verzehr aufrechterhalten werden, schreibt die Ökotrophologin Dr. Imke Reese aus München. Deshalb wird heute die gezielte Einführung von Hühnerei und Erdnuss in die Ernährung empfohlen. Alle Säuglinge sollten im Rahmen der Beikost ausreichend erhitztes Ei (hartgekocht oder gebacken) verzehren. Die Empfehlung zur Gabe von Erdnuss bezieht sich speziell auf Babys mit atopischer Dermatitis (AD), in deren Familie diese Nüsse regelmäßig konsumiert werden. Denn nur für diese besteht eine relevante Sensibilisierungsgefahr.

Mythos Nr. 2

Zur Prävention von Neurodermitisschüben wird oft empfohlen, ganze Lebensmittelgruppen wie Milch(produkte), Nüsse, Erdnüsse und eventuell sogar tierische Nahrungsmittel allgemein zu eliminieren. Aber nur etwa ein Drittel der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD hat eine Nahrungsmittelallergie. Deshalb empfehlen die Leitlinien eine individuelle Diagnostik mit eindeutigem Triggernachweis.

Mythos Nr. 3

Auch für bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe wird häufig ein prophylaktisches Pauschalverbot ausgesprochen in der Annahme, ein Verzicht reduziere die Reaktivität der Haut. Als besonders verdächtig gelten Histamin, Zusatzstoffe und Zucker. Es kann zwar im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass ein nicht-allergischer Trigger das Hautbild verschlechtert, aber das generelle Vermeiden ergibt keinen Sinn. Auch die Vorstellung, der Verzehr von Zucker könne den Hautzustand verschlechtern, ist wissenschaftlich nicht belegt. Bei begründetem Verdacht rät Dr. Reese, die Hautpflege zu optimieren und anschließend eine individuelle Diagnostik (Neurodermitis-Tagebuch) durchzuführen. Eine nur gelegentliche Symptomatik schließt die Unverträglichkeit aus.

Mythos Nr. 4

Längst nicht jede Sensibilisierung gegen Substanzen aus Lebensmitteln geht mit einer klinisch relevanten Abwehrreaktion einher. Wenn die Abklärung allein wegen der Neurodermitis durchgeführt wird, besteht die Gefahr, dass stumme Sensibilisierungen nicht von klinisch relevanten differenziert werden können. Deshalb muss das Ergebnis immer im Zusammenhang mit dem klinischen Befund betrachtet werden. Falls dies nicht möglich ist, muss vor einer Vermeidungsempfehlung eine Provokation unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.

Eine atopische Dermatitis durch die Meidung bestimmter Lebensmittel in Schach halten zu können, ist also ein Irrglaube. Stattdessen begünstigt eine vielfältige und möglichst uneingeschränkte Ernährung die Toleranzentwicklung und deren Persistenz, fasst Dr. Reese abschließend zusammen. Generell wird zudem viel zu oft übersehen, wie wichtig die Hautpflege und leitliniengerechte Medikation beim atopischen Ekzem sind.

Quelle: Reese I. Ernährungs Umschau 2022; 69: 373-375