
Medizinisches Gaslighting Fehlende Empathie bei intimen Beschwerden

Viele Patientinnen mit vulvovaginalen Erkrankungen fühlen sich von ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten nicht ernst genommen. Mehr noch: Abweisendes oder sogar entwertendes Verhalten scheinen im klinischen Alltag an der Tagesordnung zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam aus den USA und Kanada, das Betroffene zu ihren Erfahrungen befragt hat.
Ein Hauptproblem der Arzt-Patienten-Beziehung bei Frauen mit Vulvovaginalerkrankungen ist offenbar das sogenannte medizinische Gaslighting, erläutert Dr. Chailee Moss vom Zentrum für Vulvovaginalerkrankungen in Washington, DC. Hierunter versteht man die Entkräftung eines echten klinischen Anliegens einer Patientin oder eines Patienten durch den Arzt oder die Ärztin, ohne dass eine fachgerechte medizinische Beurteilung und Abklärung der geschilderten Beschwerden erfolgt. Gründe hierfür können Unwissenheit, Voreingenommenheit oder medizinische Bevormundung sein. Im schlimmsten Fall stellen die Betroffenen ihre eigene Krankheitserfahrung infrage oder brechen die Behandlung ganz ab.
In Zusammenarbeit mit Patientinnenorganisationen entwickelten Dr. Moss und ihr Team einen Fragebogen, der negative Erlebnisse im Zuge der Abklärung von Vulvovaginalbeschwerden abbildet. 447 Betroffene, die sich an einem Spezialzentrum für Vulvovaginalerkrankungen vorstellten, beantworteten diesen. Sie waren zwischen 18 und 83 Jahren alt und hatten im Vorfeld durchschnittlich 5,5 Ärztinnen und Ärzte konsultiert. Die Frauen fühlten sich allerdings nur von rund 44 % ihrer früheren Behandlerinnen und Behandler unterstützt. Etwa 27 % der Fachleute nahmen die Beschwerden nicht ernst und 21 % glaubten den Patientinnen nicht. Mehr als die Hälfte der Frauen erhielt trotz einer schmerzhaften Untersuchung den Befund „unauffällig“. 186 Frauen (42 %) bekamen den Rat, sich mehr zu entspannen, und 92 (21 %) bekamen den Rat, Alkohol zu konsumieren. Etwa ein Fünftel wurde ohne medizinische Therapie in die Psychiatrie überwiesen und 176 (39 %) sagten, man habe ihnen das Gefühl gegeben, verrückt zu sein. Die Mehrzahl der Umfrageteilnehmerinnen erwog einen Behandlungsabbruch – sei es, weil ihre Sorgen nicht ernst genommen wurden oder weil sie davon ausgingen, dass auch niemand anderes ihnen helfen könne.
Als Grund für ihre negativen Erfahrungen vermuten viele betroffene Frauen den Mangel an Fachwissen bei ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten – insbesondere im Hinblick auf Schmerzen und sexualmedizinische Fragestellungen. Hier sehen die Forschenden dringenden Handlungsbedarf.
Quelle: Moss CF et al. JAMA Netw Open 2025; 8: e259486; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2025.9486
aktualisiert am 21.07.2025 um 14.30 Uhr