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Sarkome Genetik liefert genauere Grundlagen zur Klassifikation und Therapie von Sarkomen

ESMO 2022 Autor: Dr. Daniela Erhard

Durch molekulargenetische Verfahren lassen sich einige Sarkome von den mehr als 70 bekannten Subtypen unterscheiden. Durch molekulargenetische Verfahren lassen sich einige Sarkome von den mehr als 70 bekannten Subtypen unterscheiden. © ipopba– stock.adobe.com
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Teils sehr selten, manchmal schwer zu identifizieren, eingeschränkte Therapieoptionen: All das zeichnet Sarkome aus. Hoffnung auf Abhilfe kommt aus der Molekulargenetik.

Mehr als 70 Entitäten mit mittlerem oder hohem Aggressionspotenzial sind bisher für die Sarkome bekannt – und dank moderner Analyseverfahren werden es wohl noch mehr. Zumindest molekulargenetisch lassen sich nämlich einige weitere Sarkome von den bekannten Subtypen unterscheiden. Da man sonst jedoch nur wenig über diese „emerging entities“ weiß, stehen sie derzeit unter genauerer Beobachtung. Immer im Hinterkopf dabei, dass mit einer besseren Diagnose und mehr Wissen über die Tumorbiologie auch gezieltere Therapien möglich sein könnten.

Eine dieser Entitäten sind die Spindelzell-Sarkome mit Rearrangement in einem NTRK-Gen, wie Prof. Dr. Inga-Marie Schaefer von der Harvard Medical School in Boston betonte.1 Allgemein seien nur rund 1 % der Sarkome betroffen, sagte sie. Es gebe aber einige Tumoren wie das infantile Fibrosarkom, wo die Mutation nahezu pathognomonisch sei und in etwa 9 von 10 Fällen vorkomme.

Als hilfreichen Marker für die Immunhistochemie (IHC) empfahl die Pathologin panTRK, das die verschiedenen NTRK-Fusionen detektiert und in den Zellen anfärbt. Wichtig zu wissen: Dieser Marker ist nicht hochspezifisch. Daher müsse man immer den Kontext betrachten, sagte Prof. Schaefer. Da es gezielte Therapien mit NTRK-Inhibitoren gebe, sei es aber sehr wichtig, einen betreffenden Tumor zu erkennen.

Detektion von Sarkomen

Ein Problem bei Genfusionen ist, dass man ihre genaue Bedeutung für Krebserkrankungen noch nicht eingehend beurteilen kann. Prof. Dr. Dr. Fernanda Amary, Histopathologin am Royal National Orthopaedic Hospital in Stanmore, wies daher wie ihre Kollegin auf die Bedeutung der richtigen Detektionsmethode hin.2 Ihr Team hatte im Rahmen des britischen 100.000-Genome-Projekts circa 600 Sarkome sequenzieren lassen. In 13 davon fanden die Forschenden verändertes NTRK, das sie jedoch nur in einem Fall auch immunhistochemisch mittels panTRK anfärben konnten. „Die Mehrzahl der Veränderungen hat keine Funktion“, schloss die Wissenschaftlerin daraus und riet deshalb zur IHC oder sogar Sequenzierung der RNA. Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung sei dagegen als Nachweismethode nicht geeignet, da sie auch die irrelevanten Veränderungen detektiere.

Neben Genfusionen gibt es verschiedene andere neue Marker, beispielsweise beim malignen peripheren Nervenscheidentumor (MPNST). Dieses Sarkom ließ sich in der Vergangenheit nur schwer diag­nostizieren. Über die Detektion von H3K27me3 könnte es besser gehen. Die Abkürzung beschreibt die Tri­methylierung am Lysin 27 von Histon 3 – ein Marker, der assoziiert ist mit dem Abschalten von Genen. Ziemlich spezifisch für MPNST sei ein Verlust des trimethylierten His­tons, erklärte Prof. Schaefer.1 Er trete bei etwa 4 von 5 Tumoren auf, vor allem in hochgradigen Stadien, so die Referentin. Eine Färbung mit passenden Antikörpern in der IHC beschränke sich dann auf gesunde Zellen und Gefäße, beschrieb sie das typische histologische Bild.

Bei epithelioiden MPNST findet man dieses Phänomen nicht. Da ihnen SMARCB1-Mutationen zugrunde liegen, kommt es hier sogar eher zum vermehrten Auftreten von H3K27me3. Wie Prof. Dr. Antoine Italiano vom Institut Bergonié in Bordeaux darstellte, wird ein wesentlicher Teil des Enzymkomplexes, der für die Methylierung von H3K27 verantwortlich ist, durch die Mutation einfach nicht mehr abgeschaltet.3

Hemmten der Onkologe und sein Team das dysregulierte Enzym – EZH2 – über Tazemetostat, fanden sie einen gewissen Benefit für die Patient:innen mit SMARCB1-negativen soliden Tumoren. Inzwischen hat die US-Behörde FDA die Substanz für Personen ab 16 Jahren mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem epitheloidem Sarkom zugelassen. Aktuell, so der Referent, sei eine Phase-3-Studie im Gange, um die Substanz mit dem bisherigen Therapiestandard zu vergleichen.

Für Dr. Paul Huang, Institute of Cancer Research, London, liegt ein Schwerpunkt der Sarkomforschung auf den DNA-Reparaturmechanismen.4 Er fokussierte allerdings nicht auf die epigenetischen Veränderungen, sondern auf Mutationen in den Reparaturgenen selbst. BRCA1 und BRCA2 seien bei Sarkomen jedoch eher selten relevant, sagte der Wissenschaftler. Er untersucht daher andere Defekte der homologen Reparatur (HRD), die unabhängig von BRCA1/2 existieren und bei denen PARP-Inhibitoren ebenfalls wirken. Man spricht dann von BRCAness.

Häufigkeit von HRD-Gen-Mutationen hängt vom Subtyp ab

Ähnlich wie die NTRK-Fusionen scheinen auch Veränderungen in HRD-Genen selten bei Sarkomen aufzutreten, je nach Mutation liegt der Anteil bei 0,6–1,4 %. „Grundsätzlich darauf screenen würde man nicht“, sagte Dr. Huang. Doch man müsse auf die Verteilung unter den Subtypen schauen. In uterinen Leiomyosarkomen, malignen peripheren Nervenscheidentumoren oder auch perivaskulären epitheloiden Zelltumoren reicherten sich solche Auffälligkeiten mit 24–13 % an.

Ob ein PARP-Inhibitor effektiv sei, hänge aber von der Auswahl des richtigen Biomarkers ab, betonte Dr. Huang. Er verdeutlichte das unter anderem am Beispiel der Wirkstoffkombi Olaparib plus Temozolomid bei uterinen Leiomyosarkomen. Teilnehmerinnen mit mutiertem Reparaturgen RAD51 sprachen auf die Therapie besser an als solche mit funktionierendem Mechanismus: Laut Daten, die am ASCO 2022 vorgestellt wurden, betrug das mediane progressionsfreie Überleben 342 Tage vs. 56 Tage.

Wie seinen Kolleg:innen geht es Dr. Huang darum, herauszufinden, wie man bei mehr Betroffenen ein tieferes und lang anhaltendes Ansprechen erzielen kann. „Da dürfen wir nicht wild drauflos kombinieren, sondern müssen rational vorgehen“, mahnte der Experte. Er plädierte für die Ergänzung mit anderen DNA-Reparatur- oder auch Immuncheckpoint-Inhibitoren und brachte noch eine Idee ins Spiel: insensitive Patient:innen medikamentös zur BRCAness zu bringen, damit PARP-Inhibitoren auch bei ihnen wirken können. 

Quellen:
1. Schaefer I-M et al. ESMO Congress 2022; The role of molecular biology in defining new entities
2. Amary F et al. ESMO Congress 2022; Understanding the sarcoma genome
3. Italiano A et al. ESMO Congress 2022; Targeting the epigenetics regulatory machinery in sarcoma
4. Huang P et al. ESMO Congress 2022; Targeting the “crack” DNA damage repair deficiency in sarcomas