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Nierentestwerte Gewicht und eventuelle Notfalltherapien bei Interpretation nicht vergessen

DGIM 2023 Autor: Dr. Sonja Kempinski

Um Nierenleiden konkret einordnen zu können, ist eine differenzierte Diagnostik unter Betrachtung aller relevanter Parameter notwendig. Um Nierenleiden konkret einordnen zu können, ist eine differenzierte Diagnostik unter Betrachtung aller relevanter Parameter notwendig. © Crystal light – stock.adobe.com
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Vorsicht bei der schnellen Beurteilung der Nierenfunktion über Kreatinin und Stix. Wer nicht auf das Gewicht achtet, kann eine schwere Nierenerkrankung übersehen, mahnte Prof. Dr. Peter­ Härle­ vom Marienhaus Klinikum Mainz. Das verdeutlichte er am Beispiel von drei 75-jährigen Patienten. 

Drei Männer weisen die gleiche deutliche Entzündungsreaktion (BSG 69 mm n.W., CRP 57 mg/l), ein Kreatinin von 1,1 mg/dl (Referenzbereich 0,8 bis 1,3) und eine Clearance von 65 ml/min nach CKD-EPI-Formel auf. Gleiches Kreatinin, gleiche Clearance – und doch haben die drei Männer keinesfalls die gleiche unauffällige Nierenfunktion. Denn sie unterscheiden sich deutlich im Körpergewicht: Herr Müller bringt 100 kg auf die Waage, Herr Schneider wiegt 75 kg und Herr Walter magere 50 kg.

Dass die verschiedenen Körper- und Muskelmassen einen Einfluss auf die gemessenen Parameter haben, liegt auf der Hand. Jetzt hilft die Cockcroft-Gault-Formel weiter. Denn in diese Berechnung fließen nicht nur Alter, Geschlecht und Kreatinin ein, sondern zusätzlich das Körpergewicht und damit die Muskelmasse, erinnerte Prof. Härle. Das ändert im Fall der drei Männer alles. Denn nun ist nur noch der 100-Kilo-Mann mit einer Clearance von 75 ml/min im Normbereich. Bei Herrn Schneider wird die Sache mit 56 ml/min schon grenzwertig. Und Herr Walter weist mit 37 ml/min eine leichte bis mittelgradige Niereninsuffizienz auf.

Mit diesem Befund wird Herr Walter stationär aufgenommen und nachmittags der Urin per Stix untersucht, führte Prof. Härle das Fallbeispiel weiter aus. Leukos, Erys, Eiweiß sind im grünen Bereich. Auffällig scheint jedoch das sehr niedrige spezifische Gewicht des Urins (1,004). Kein Wunder, hat der exsikkierte Mann am Vormittag in der Ambulanz doch zwei Liter Infusionslösung erhalten. In der Folge scheidet er viel Flüssigkeit aus, was die Konzentration der löslichen und zellulären Urinbestandteile stark verdünnt. Um den Einfluss der starken Diurese auszuschalten, wird das Labor angewiesen, Eiweiß und Albumin relativ zum Kreatinin zu berechnen. Mit 2.645 mg Eiweiß/g Krea und 832 mg Albumin/g Krea liegt bei Herrn Walter eine glomeruläre Proteinurie vor.

Nach weiterer intensiver Diagnostik stellt sich heraus, dass der 75-Jährige an einer ANCA-Vaskulitis mit Glomerulonephritis und einer Niereninsuffizienz G3b leidet. Ohne die erforderlichen Gewichtskorrekturen bei der Beurteilung der Nierenfunktion wäre die schwere Erkrankung vielleicht also gar nicht entdeckt worden, so das Fazit des Experten.

Quelle: Kongressbericht 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin