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Bariatrische Eingriffe Gewicht und Komorbiditäten nachhaltig reduziert

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Beim Roux-Y-Magenbypass nehmen die Chirurgen zunächst einen kleinen Magenteil weg und legen ihn als Pouch an. Beim Roux-Y-Magenbypass nehmen die Chirurgen zunächst einen kleinen Magenteil weg und legen ihn als Pouch an. © AdobeStock/AGPhotography
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Eine wichtige Rolle in der Entstehung der Adipositas­ spielt die Störung des metabolischen Gleich­gewichts, zum Beispiel des Insulinstoffwechsels, der Sekretion des Glucagon-like Peptide 1 und der Produktion des Ghrelins­. Diese Faktoren lassen sich durch die bariatrische Chirurgie beeinflussen.

Die Assoziation der Adipositas mit einer Reihe anderer Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Lipidstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Gallensteine, einigen Krebsarten oder obstruktives Schlafapnoesyndrom ist hinlänglich bekannt. All diese Begleiterscheinungen lassen sich durch eine Gewichtsreduktion positiv beeinflussen, die sich aber oft mit konservativen Maßnahmen nicht erreichen lässt. Dann kann eine bariatrische Operation indiziert sein.

Insbesondere bei höhergradiger Adipositas ist sie nach derzeitiger Erkenntnis bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten der einzige Weg zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion, schreibt Dr. Sylvia Weiner von der Klinik für Bariatrische und Metabolische Chir­urgie am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt. Weltweit und auch hierzulande nimmt die Zahl der Eingriffe stetig zu, wobei allerdings bei uns weniger bariatrische Operationen durchgeführt werden als in anderen europäischen Ländern. Das Vorgehen ist in Deutschland in zwei S3-Leitlinien niedergelegt.

Wann operieren?

Grundsätzlich stehen konservative Therapiemaßnahmen an erster Stelle. Sind sie ausgeschöpft, kommt eine OP infrage für Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) über 40 kg/ m2, die keine Begleiterkrankungen haben. Wenn eine oder mehrere übergewichtsbedingten Begleiterkrankungen vorliegen, sollte ein bariatrischer Eingriff bereits ab einem BMI von 35 kg/m2 angebotenwerden. In speziellen Fällen kann ein Eingriff auch ohne vorherigen konservativen Therapieversuch indiziert sein:
  • Bei einem BMI ≥ 50 kg/m2.
  • Wenn ein multidisziplinäres Team den konservativen Therapieversuch als nicht erfolgversprechend bzw. aussichtslos beurteilt.
  • Bei Patienten mit besonders schweren Begleit- und Folgeerkrankungen, die es unmöglich machen, eine OP aufzuschieben.
  • Wenn bei einem BMI über 40 mg/m2 und bestehendem Diabetes die Besserung der glykämischen Stoffwechsellage im Vordergrund steht (metabolische Chirurgie).

Bariatrische Eingriffe erfolgen grundsätzlich mininmalinvasiv und gelten mit einer Krankenhausletalität von 0,1–0,3 % als sicher. Am häufigsten kommen die Schlauchmagenanlage und der Roux-Y-Magenbypass zur Anwendung, die Auswahl richtet sich nach den individuellen Gegebenheiten.

Übergewicht nach fünf Jahren halbiert

Schlauchmagen: Für seine Bildung wird die große Kurvatur vertikal inklusive Fundus reseziert, sodass ein schlauchförmiger Magen übrig bleibt. Mit diesem Verfahren lässt sich das Übergewicht nach fünf Jahren um etwa 50 % reduzieren, Komorbiditäten wie Diabetes mellitus und Hypertonie gehen signifikant zurück. Komplikationen sind häufig operationsspezifisch wie z.B. Fisteln der Klammernaht, Abszesse oder (Nach-)Blutungen. Roux-Y-Magenbypass (RYGP): Bei dieser OP nehmen die Chirurgen zunächst einen kleinen Magenteil weg und legen ihn als Pouch an. Dann durchtrennen sie den Dünndarm, ziehen das eine Ende hoch und verbinden es mit der Pouchhinterwand (Gastroenterostomie). Das andere Ende leiten sie so um (Bypass), dass sich Speisebrei und Verdauungssäfte erst im mittleren Dünndarm mischen. Dadurch kommt es einerseits zu einer Restriktion der Nahrungsaufnahme und andererseits zu einer Modulation von metabolisch aktiven Substanzen wie GLP-1, Peptid YY und Inkretinen wie Ghrelin.

Mitunter recht hohe Remissionsraten

Nach einem Jahr erzielt man mit dieser Methode eine Reduktion des Übergewichts um 73 %. Die Remissionsraten für Komorbiditäten wie Diabetes, Hypertonie, Hyperlipid­ämie und Schlafapnoe liegen zwischen knapp 50 und knapp 100 %. Zu den möglichen langfristigen Nebenwirkungen gehören das Dumping-Syndrom, innere Hernien und Mangelzustände, weil ein Teil des Dünndarms ausgeschaltet ist. Insgesamt scheint sich der Roux-Y-Bypass im Langzeitverlauf gegenüber dem Schlauchmagen als das überlegenere Verfahren herauszukristallisieren. Demselben Prinzip wie dem Roux-Y-Magenbypass folgt der Ein-Anastomosen-Bypass (OAGP) oder Mini-Bypass. Hier wird ein länglicher Magen-Pouch mit einer langen, biliären Dünndarmschlinge kombiniert. Es ist nur eine Anastomose nötig, was die Operationsdauer verkürzt. Hinsichtlich der Reduktion des Übergewichts und der Besserung des Typ-2-Diabetes erscheint das Verfahren dem Roux-y-Magenbypass mindestens ebenbürtig; auch scheint die Rate an Spätdumpings vermindert. Jedoch kommt es häufiger zu Gallenreflux, was die Gefahr von Geschwürbildungen und eventuell einer Entartung im Bereich der Anastomose birgt. Eine Konversion zu einem Roux-Y-Magenbypass kann erforderlich werden. Nach jeder Art von bariatrischem Eingriff ist eine konsequente, lebenslange Nachsorge inklusive regelmäßiger Vitaminsupplementation erforderlich. Im ersten Jahr nach der Operation werden Kontrollen vierteljährlich, im zweiten Jahr halbjährlich und danach jährlich empfohlen.

Quelle: Weiner S. internistische praxis 2021; 63: 400-411 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach