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Gestationsdiabetes Grenzwerte gesucht

Autor: Dr. Judith Lorenz

Die optimalen Grenzwerte zur Diagnose einer gestationsbedingten Blutzuckerstoffwechselstörung bleiben weiter unklar. (Agenturfoto) Die optimalen Grenzwerte zur Diagnose einer gestationsbedingten Blutzuckerstoffwechselstörung bleiben weiter unklar. (Agenturfoto) © Syda Productions – stock.adobe.com
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Wo die perfekten Grenzwerte für einen Gestationsdiabetes liegen, ist nicht leicht zu sagen. Auch scheinen strengere Kriterien nicht unbedingt mit einem besseren Outcome für das Kind verbunden zu sein.

Um eine gestationsbedingte Blutzuckerstoffwechselstörung frühzeitig erkennen und behandeln zu können, sollten alle Schwangeren im zweiten Trimenon einen oralen Glukosetoleranztest (oGTT) absolvieren. Unklar ist allerdings nach wie vor, ab welchen Grenzwerten die Diagnose Gestationsdiabetes (GDM) gestellt werden sollte. Auch eine aktuelle Studie aus Neuseeland kann diese Frage nicht abschließend klären.

Eine der größten Gefahren des GDM stellt die Geburt eines makrosomen Kindes dar, berichtet Professor Dr. Caroline Crowther von der Universität Auckland. Von einer sogenannten Large-for-Gestational-Age(LGA)-Geburt spricht man, wenn das Geburtsgewicht des Neugeborenen die 90. Perzentile überschreitet. In diesem Fall drohen unter anderem Komplikationen wie eine Schulterdystokie oder Geburtsverletzungen. Im Rahmen einer randomisierten Studie prüften nun Prof. Crowther und ihr Team, inwiefern die Wahl der oGTT-Blutzuckergrenzwerte das Risiko für eine LGA-Geburt beeinflusst. 4.061 Frauen mit einer Einlingsschwangerschaft absolvierten zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche einen 75-Gramm-oGTT. In etwa der Hälfte der Fälle wurde die GDM-Dia­gnose ab einem Nüchternwert von 92 mg/dl, einem Ein-Stunden-Wert von 180 mg/dl oder einem Zwei-Stunden-Wert von 153 mg/dl gestellt. Bei den übrigen Frauen wurden dagegen liberalere Diagnosekriterien verwendet (Nüchternwert 99 mg/dl oder Zwei-Stunden-Wert 162 mg/dl).

Erwartungsgemäß resultierten die strengeren im Vergleich zu den liberaleren Grenzwerten in einer höheren GDM-Rate (15,3 % vs. 6,1 %). Bezüglich der Häufigkeit von LGA-Geburten unterschieden sich die beiden Strategien jedoch nicht wesentlich (8,8 % vs. 8,9 %). Eine behandlungsbedürftige Neugeborenenhypoglykämie beobachteten die Forschenden in der Gruppe mit niedrigeren Grenzwerten signifikant häufiger, andere sekundäre neonatale Endpunkte traten dagegen in beiden Kollektiven ähnlich häufig auf. Die strengere GDM-Definition führte ferner zu häufigeren medizinischen Konsultationen und ging mit einer höheren Rate von Geburtseinleitungen und Antidiabetikatherapien einher.

Für die Studienteilnehmerinnen und ihre Kinder hatte die strengere GDM-Definition weder wesentliche Vor- noch Nachteile, resümiert Prof. Dr. Michael Greene von der Harvard University in Boston. Die Suche nach den perfekten Grenzwerten geht weiter, meint der Experte.

Quellen:
1. Crowther CA et al. N Engl J Med 2022; 387: 587-598; DOI: 10.1056/NEJMoa2204091
2. Greene MF. N Engl J Med 2022; 387: 652-654; DOI: 10.1056/NEJMe2208339