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Gynäkologische Tumoren: Behandlung kann zu sexuellen Störungen führen

Autor: Michael Brendler

Bereits vor der OP eines Zervixkarzinoms muss über die Folgen für Fertilität und Sexualität geredet werden. Bereits vor der OP eines Zervixkarzinoms muss über die Folgen für Fertilität und Sexualität geredet werden. © iStock.com/bymuratdeniz
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Die Behandlung von Zervixkarzinom, Ovarial- oder Vulva-Krebs wirkt sich aufs Sexleben der Patientin aus. Deshalb ist es wichtig, das Thema anzusprechen – am besten so früh wie möglich und mit dem Partner.

Eigentlich hat Carla noch Glück gehabt. Das Zervixkarzinom wurde bei der 34-Jährigen früh entdeckt, als Therapie reichte eine Konisation. Die Beziehung zu ihrem Freund bestand diese Prüfung ohne Schaden, auch die Arbeit als Bankkauffrau konnte sie bald wieder aufnehmen. Und trotzdem hatten sich Zweifel in ihrem Leben eingenistet, wie Dr. Susanne Ditz von der Klinik für Allgemeine Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Uniklinik Heidelberg berichtet. Wie stand es nun um Ehe und Kinderwunsch? Konnte man wirklich soweit planen, angesichts der weiterhin empfundenen Bedrohung des eigenen Lebens? Auch die sexuelle Lust war Carla vergangen.

Oft leidet das Selbstwertgefühl und viele ziehen sich zurück

Gynäkologische Malignome stellen Paarbeziehungen oft auf eine harte Probe. 50 % der Frauen unterhalb der Vierzig erlebten aufgrund der Erkrankung eine deutliche Einschränkung ihres Selbstwertgefühls, sexuelle Probleme oft eingeschlossen. Und die sollte man ernst nehmen. Verschiedene Studien hätten gezeigt, berichtet die Ärztin, dass ein enger Zusammenhang zwischen sexueller Gesundheit und der allgemeinen Lebenszufriedenheit besteht. Das macht sich auch bei den Tumorleiden von älteren Patientinnen bemerkbar.

Der Partner ist in dieser Situation oft nur bedingt eine Hilfe. Frauen ziehen sich in dieser Lebensphase häufig zurück. Allein schon das führt mit ihm zu Kommunikationsproblemen. Gleichzeitig beginnen manche, an der eigenen Attraktivität zu zweifeln oder sich im eigenen Körper nicht mehr wohl zu fühlen. Schaffen die Frauen es nicht, mit dem Partner über solche Probleme zu reden, kann das laut Dr. Ditz in einen „Teufelskreis aus Erwartungsängsten und sich selbsterfüllenden Prophezeiungen“ münden. Manchmal geht das so weit, dass schließlich auf jede Form von Sexualität, teilweise sogar auf Zärtlichkeit und Körperkontakt verzichtet wird.

Vier physiologische Wege zum Lustverlust

  • vaskulär: Durchblutungsverminderungen im Bereich von Vagina und Klitoris können zu einer Verringerung von Erregung und Lubrikation führen.
  • neuronal: Es kommt zu Erregungs- und Orgasmusproblemen durch Nervenschäden mit sensorischen Beeinträchtigungen.
  • muskulär: Durch Beeinträchtigung der Muskulatur des Beckenbodens können sexuelle Reaktionen gestört werden.
  • hormonell: Senkung der Sexualhormon-Spiegel hemmt die Erregungsabläufe und das sexuelle Empfinden.

Umso wichtiger ist laut Dr. Ditz die Rolle des Arztes. Das beginnt schon mit dem präoperativen Aufklärungsgespräch. Zur Planung des Eingriffs gehört ihrer Meinung nach auch die Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit Fertilität und Sexualität erhalten werden können. Optimal ist es, wenn der Partner dabei einbezogen werden kann.

Sexualmedizinische Beratung erleichtert die Betroffenen

Auch für die Nachsorge gilt: Zu einer patientengerechten onkologischen Versorgung gehört nach Abschluss der Therapiemaßnahmen das Angebot einer sexualmedizinischen Beratung – auch dabei sollte der Partner nicht ausgeschlossen werden. Immer wieder berichten Betroffene, so hat die Kollegin es erlebt, wie erleichternd es sei, dazu konkret und offen in der Praxis befragt zu werden. Aber Achtung: Von sich aus sprechen die Frauen das Thema nur selten an. Stattdessen gehen sie in der Regel davon aus, dass der Arzt die Initiative übernimmt. Wie steht es mit der Qualität der Beziehung? Hat sie sich durch die Diagnose verändert? Wie haben sie den Sex vor und nach der Erkrankung erlebt? Gibt es irgendwelche Einschränkungen? Das sind die Fragen, die in einem solchen Gespräch geklärt werden sollten. Erkundigen sollte man sich auch nach dem Zeitpunkt des letzten Sexualkontakts oder nach eventuell damit verbundenen negativen Gefühlen. Ein weiterer Punkt auf der Liste: die Exploration von Körperbildstörungen. Spezielle Fragebogen, beispielsweise der Sexual Activity Questionnaire oder der Female Sexual Function Index, dienen als Hilfestellung. Als Ziel gibt Dr. Ditz aus, die Frau wieder „zur Expertin in eigener Sache zu machen“. Und ihre verbleibenden entwicklungsfähigen Ressourcen zu aktivieren. Zum Beispiel könne Achtsamkeitstraining die Wahrnehmung von Erregung und damit die sexuelle Reaktion fördern. Auch eine kognitive Verhaltenstherapie hat sich als hilfreich erwiesen. Manchmal ist aber auch schon ein großer Schritt getan, wenn die Probleme bloß ein Stück weit eingeordnet werden.

Handeln, bevor das Problem chronisch wird

Die enge Beziehung zwischen Gesundheit und Lebensqualität sollte für jeden Arzt Ansporn und Motivation sein, in dieser Hinsicht aktiv tätig zu werden, mahnt die Autorin. Denn auch reaktive sexuelle Störungen können chronifizieren – und dann wird alles umso schwerer.

Quelle: Ditz S. internistische praxis 2019; 60: 273-284