Anzeige

Fahrtüchtigkeit bei Parkinson „Ich kann noch Auto fahren“

Autor: Friederike Klein

Vielen Patienten fällt es schwer zu akzeptieren, dass sie wegen eines Parkinsons nicht mehr Auto fahren dürfen. Vielen Patienten fällt es schwer zu akzeptieren, dass sie wegen eines Parkinsons nicht mehr Auto fahren dürfen. © iStock/ oatawa
Anzeige

Fahrtüchtigkeit ist ein durchaus heikles Thema. Dennoch muss es auch bei Patienten mit Parkinsonerkrankung aufs Tapet – und zwar von Anfang an. Bestehen Zweifel an der Fahreignung, ist ein Gutachten erforderlich.

Die Frau eines Parkinsonpatienten berichtet, dass sie sich in letzter Zeit als Beifahrerin im Auto unwohl fühlt. Solch ein Hinweis ist durchaus ernst zu nehmen, denn die Angehörige kennt die Fahrpraxis ihres Partners ja oft über Jahrzehnte, meinte Prof. Dr. Dirk Woitalla, Klinik für Neurologie des St. Josef-Krankenhauses in Essen-Kupferdreh.

Er forderte, die Kommunikation über die Fahreignung schon bei  Erstdiagnose eines M. Parkinson zu starten. Allerdings ist der Patient zu diesem Zeitpunkt durch die lebensverändernde Diagnose emotional sehr belastet und er muss viele Informationen aufnehmen und verarbeiten. Hinweise auf eine potenziell eingeschränkte Fahreignung werden dann häufig verdrängt. Bestehen aktuell nur geringe Symptome, kann man das Thema beim nächsten Besuch wieder aufgreifen. Gibt es dagegen bereits Komplikationen durch den Parkinson, muss die Fahreignung dringend überprüft werden, erklärte Prof. Woitalla.

Trotz Parkinson E-Bike-tauglich?

E-Bikes oder normale Pedelecs, bei denen man den Motor nur beim Treten zuschaltet, sind per Definition keine Kraftfahrzeuge und die Fahreignung von Menschen mit Parkinson muss nicht wie beim Auto begutachtet werden. Anders sieht es beim S-Pedelec oder Mofa aus, die ein Kennzeichen tragen. Parkinsonkranke können also ein normales E-Bike fahren, es gelten die gleichen Regeln wie bei anderen Fahrrädern auch. Parkinsonspezifische Probleme mit Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit oder Motorik stellen aber auch für das Radfahren ein Problem dar. In ländlichen Gebieten ist das Fahrradfahren sicher länger möglich als im Berufsverkehr in der Stadt, meinte Prof. Woitalla

LKW und Busse fahren wird zum No-Go

Die Aufklärung hinsichtlich des Führens eines Kraftfahrzeuges muss mündlich erfolgen und dokumentiert werden. Dem Kranken ein Merkblatt auszuhändigen, genügt nicht, betonte der Neurologe. Die Diagnose eines M. Parkinson schließt von vorneherein das Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 (vereinfacht LKW und Busse) aus. Die Fähigkeit, Motorräder und PKW (Gruppe 1) sicher zu lenken, ist bei extrapyramidalen oder zerebellären Erkrankungen nur unter einer erfolgreichen Therapie oder in leichteren Fällen gegeben. Voraussetzung: die nervenärztliche und – je nach Umständen – psychologische Zusatzbegutachtung.  

Die Untersuchungen erfolgen in der Praxis häufig anlassbezogen, z.B. nach einem Unfall oder aufgrund von Auffälligkeiten in einer Verkehrskontrolle. Die Begutachtung der Fahreignung erfolgt dann durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, und das darf nicht der betreuende Neurologe sein, erläuterte Prof. Woitalla die rechtlichen Rahmenbedingungen. Er empfahl, einen verkehrsmedizinisch qualifizierten Kollegen zu suchen, der sich mit Parkinson auskennt. Der muss auch tätig werden, wenn trotz fehlender Fahreignung der Patient uneinsichtig ist.

Gerade für ältere Menschen oder Patienten in ländlichen Gebieten ist der Verlust der Automobilität eine existenzielle Frage. In einigen Fällen kann eine Fahreignung unter Auflagen gegeben sein, z.B. nur bei Tageslicht, in einem bestimmten Umkreis oder in einem Fahrzeug mit bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit. Die Fahreignung muss aber je nach Ausgangssituation wegen des Krankheitsprogresses alle ein, zwei oder vier Jahre erneut überprüft werden.

Die im Rahmen eines Parkinsons häufig auftretenden Impulskontrollstörungen (IKS) beeinträchtigen nicht automatisch Fahrleistung und -sicherheit. Dies zeigte eine Studie an Parkinsonpatienten mit und ohne IKS im Fahrsimulator.  Die Teilnehmer hatten allerdings nur leichte bis moderate, im Alltag sozial kontrollierte Impulskontrollstörungen, berichtete Mazen Fadhel von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zudem wurden im Fahrsimulator keine Situationen nachgestellt, die im Alltag hohe Emotionen hervorrufen, zum Beispiel eine genommene Vorfahrt.

Unverbindliche Fahrprobe  mit Schweigepflicht

Jeder Autofahrer hat die Pflicht zu prüfen, ob er am Straßenverkehr sicher teilnehmen kann. Ein Patient mit früher Parkinsonkrankheit kann zum Beispiel eine unverbindliche Fahrprobe beim TÜV oder bei bestimmten Fahrschulen mit entsprechender Qualifikation machen, berichtete Prof. Woitalla. Bezahlen muss sie der Betroffene zwar selbst. Der große Vorteil für ihn ist jedoch, dass für den Prüfer die Schweigepflicht gilt. Daher empfiehlt sich diese Möglichkeit besonders in den Fällen, in denen die Fahreignung des Parkinsonpatienten unklar erscheint.

Hirnstimulation macht keinen Unterschied

Dr. Odette Fründt, Neurologin am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam ergänzte, dass für Patienten mit tiefer Hirnstimulation (THS)  hinsichtlich der Fahreignung das Gleiche gelte wie für alle anderen Parkinsonkranken. Die zeigten in ihrer Fahrsimulator-Studie generell  eine schlechtere Fahrperformance als Gesunde – aber es gab keinen Unterschied zwischen Betroffenen mit oder ohne tiefe Hirnstimulation.

Kongressbericht: Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2022