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Mammakarzinom Junge Patientinnen über die chirurgischen Optionen umfassend aufklären

ESMO Breast Cancer 2023 Autor: Friederike Klein

Bei jungen Brustkrebspatientinnen steht häufig die schwierige Entscheidung der brusterhaltenden Therapie oder Mastektomie an. Entsprechend wichtig ist die Aufklärung der Patientinnen. Bei jungen Brustkrebspatientinnen steht häufig die schwierige Entscheidung der brusterhaltenden Therapie oder Mastektomie an. Entsprechend wichtig ist die Aufklärung der Patientinnen. © buravleva_stock – stock.adobe.com
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Junge Brustkrebspatientinnen stehen oft vor einer schwierigen Wahl: brusterhaltende Operation oder Mastektomie? Um das zu beantworten, müssen verschiedene Faktoren in die Entscheidung einfließen. Aufklärung spielt hierbei eine sehr wichtige Rolle.

Etwa 6 % der invasiven Mammakarzinome treten in einem Alter zwischen 18 und 39 Jahren auf.1 Sie machen 30 % aller Krebserkrankungen bei Frauen in dieser Altersgruppe aus und weisen besonders aggressive Charakteristika auf. Dennoch muss auch hier die Option einer brusterhaltenden Therapie (BET) erwogen werden, betonte Prof. Dr. ­Viviana ­Galimberti, Europäisches Institut für Onkologie in Mailand. Wichtig sei die Versorgung der jungen Patientinnen in einem multidisziplinären Team, das auch genetische Beratung und Testung sowie die Prüfung des Fertilitätserhalts einbezieht. 

Auf Basis des histologischen Subtyps in der Stanzbiopsie lässt sich bereits entscheiden, ob eine primäre Chirurgie (Luminal-A-Tumoren) oder zunächst eine neoadjuvante Therapie (tripelnegativer Brustkrebs, TNBC) infrage kommt. Da ein Mammakarzinom im jungen Alter eher auf eine genetische Prädisposition hinweist, ist es relevant, die Frauen frühzeitig auf Keimbahnmutationen zu testen, um gegebenenfalls risikoreduzierende Eingriffe wie die kontralaterale Mastektomie und die Salpingo-Oophorektomie erwägen zu können. 

Die lokale Kontrolle wie auch die Prognose insgesamt haben sich bei jungen Patientinnen in den vergangenen beiden Dekaden auch mit brusterhaltender Therapie und nachfolgender Bestrahlung stets verbessert, betonte Prof. ­Galimberti. Sowohl im Falle der primären OP als auch nach neoadjuvanter Behandlung muss entschieden werden, ob eine BET möglich und sinnvoll ist oder besser eine Mastektomie erfolgen sollte. Wichtig: Die Patientinnen umfassend über Aspekte wie Sexualität, Körperbild, Rekonstruktion, Fertilität und die Wahrscheinlichkeit einer familiären Prädisposition zu informieren. Gerade junge Frauen finden laut Prof. ­Galimberti die Entscheidung zwischen BET und Mastektomie schwierig.

Individualisierte Behandlung

Prof. Galimberti empfahl, die chirurgische Therapie für junge Frauen mit Brustkrebs immer zu personalisieren. Sie sollte sich aber nicht grundsätzlich von der Behandlung von Älteren unterscheiden. Eine Kernspintomografie vor der OP sei ratsam. Dann lassen sich schon vorab multifokale Tumoren erkennen, die für die OP-Planung von Bedeutung sind. Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie ist ihrer Erfahrung nach wichtig, da sie einer großen Zahl junger Patientinnen eine Axilladissektion ersparen kann, ein wesentlicher Faktor für nachfolgende Morbidität und verschlechterte Lebensqualität. 

BET oder Mastektomie?

Neben genetischen Markern und Tumorlast spielen das kosmetische Ergebnis, die Rekonstruktionsmöglichkeiten, eine vorherige Bestrahlung im Brustbereich und die Präferenz der Betroffenen eine wichtige Rolle, um sich für oder gegen eine BET zu entscheiden. Auffällig ist allerdings, dass die Häufigkeit der BET in der Gruppe junger Frauen mit frühem Brustkrebs abgenommen hat. Dabei weisen Studiendaten darauf hin, dass die BET in diesem Fall nicht grundsätzlich ein schlechteres onkologisches Ergebnis nach sich zieht als eine Mastektomie. Unter den 36- bis 40-Jährigen deutete sich sogar ein Gesamtüberlebensvorteil mit BET gegenüber Mastektomie an. Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Metaanalyse von sechs Studien, in der die Autor:innen die BET plus Ganzbrustbestrahlung mit der Mastektomie bei unter 40-Jährigen mit T1-T2 N-/N+ M0 Brustkrebs verglichen. Es muss den jungen Patientinnen klargemacht werden, dass eine aggressivere Chirurgie nicht zu einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit führt, betonte Prof. ­Galimberti. Auch lokale und regionäre Rezidive treten nach einer BET in der Gruppe junger Frauen mit frühem Mammakarzinom nicht häufiger auf als nach Mastektomie. 

Manche früh an Brustkrebs Erkrankte denken, ihre Brüste seien ihre Feinde, erklärte Prof. Galimberti die Häufigkeit nicht nur der unilateralen sondern auch der bilateralen Mastektomie. Dabei scheint Letztere keinen Überlebensvorteil für junge Patientinnen mit frühem Mammakarzinom zu bringen. 

Die Prognose von Frauen mit sporadischem oder einem mit einer BRCA-Keimbahnmutation assoziierten Brustkrebs sei im Alter von unter 40 Jahren ähnlich, erklärte Dr. ­Shani ­Paluch-Shimon, Hadassah Universitätskrankenhaus in Jerusalem.3 Auch hier ist eine BET im frühen Stadium eine zu prüfende Option, wenn auf sie eine Bestrahlung folgt. Das Risiko für ein kontralaterales Mammakarzinom erhöht sich nach einer ersten Diagnose in jungen Jahren bei BRCA-Mutationsträgerinnen deutlich.4 Ob die bilaterale Mastektomie im Falle einer nachgewiesenen BRCA-Mutation aber einen Langzeitüberlebensvorteil bringt, sei immer noch unklar, sagte die Referentin. In einer retrospektiven Datenbankanalyse fand sich acht Jahre nach BET beziehungsweise bilateraler Mastektomie kein Vorteil des aggressiveren Vorgehens im Hinblick auf die lokoregionäre Rezidivrate, das brustkrebsspezifische und das Gesamtüberleben.5 Die individuelle Therapieentscheidung unterstützt von einem multidisziplinären Team und unter Berücksichtigung des Prinzips „primum non nocere“ sei Pflicht, sagte Dr. ­Paluch-Shimon.

Quellen:
1.    Murphy BL et al. Healthcare 2022, 10 (12), 2542; DOI: 10.3390/healthcare10122542 
2.    Galimberti V. ESMO Breast Cancer Congress 2023; Vortrag: „Breast surgery in young women“
3.    Paluch-Shimon S. ESMO Breast Cancer Congress 2023; Vortrag: „Clinical implications of germline testing: BRCA and beyond“
4.    Yadav S et al. J Clin Oncol 2023; 41: 1703-1713; DOI: 10.1200/JCO.22.01239
5.    Shubeck S et al. Ann Surg Oncol 2022; 29: 4706-4713; DOI: 10.1245/s10434-022-11756-1