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Kapillarmikroskopie deckt Durchblutungsstörungen an den Akren auf

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Die Dichte der Kapillaren als Prädiktor von Ulzerationen und Organkomplikationen? Die Dichte der Kapillaren als Prädiktor von Ulzerationen und Organkomplikationen? © ismotionprem – stock.adobe.com
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Schon vor über 100 Jahren kam man auf die Idee, auf der Suche nach Mikrozirkulationsstörungen die Kapillaren durch ein Mikroskop zu betrachten. Dann geriet das Verfahren in Vergessenheit. Nun macht die moderne Bildverarbeitung das Verfahren wieder interessant.

Wenig Aufwand und kein Risiko: Mit diesen Faktoren kann die Kapillarmikroskopie punkten. Sie erlaubt die Untersuchung großer Populationen sowie die Schulung vieler Anwender. Außerdem gibt es inzwischen standardisierte Begriffe und Zuordnungen, die den breiten Einsatz des Verfahrens und eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse ermöglichen, schreiben Dr. Oliver Sander, Poliklinik und Funktionsbereich für Rheumatologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, und Professor Dr. Cord Sunderkötter­, Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Halle/Saale.

Als klassische Indikation gilt das Raynaud-Phänomen, vor allem, wenn es neu auftritt. Dabei geht es darum, eine zugrunde liegende Kollagenose aufzuspüren. Haben mehr als 95 % der Kapillaren in der Nagelfalz einen schmalen Scheitel (Haarnadel oder torquiert) und liegen sie normal dicht (> 7 pro Millimeter), ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering und es reicht eine Kontrolle nach zwei Jahren. Bleibt der Befund unauffällig, muss keine weitere Untersuchung mehr folgen.

Megakapillaren deuten auf frühe systemische Sklerose hin

Megakapillaren, Kapillarverlust und Blutungen (ohne vorangegangene mechanische Belastung) sprechen dagegen für ein sekundäres Raynaud-Phänomen. Büschelkapillaren zeigen ebenfalls eine Schädigung der Mikrozirkulation an, sind aber einfach Zeichen einer Neoangiogenese und damit unspezifisch.

Gerade Megakapillaren mit mehr als 50 µm Durchmesser deuten auf eine frühe systemische Sklerose als Grunderkrankung hin, vor allem, wenn gleichzeitig spezifische Antikörper z.B. gegen Zentromer (ACA) oder Topoisomerase (Scl-70-Antikörper) vorliegen. In diesen Fällen sollte die Untersuchung regelmäßig wiederholt werden. Sinkt die Kapillardichte ab, muss man mit einem baldigen klinischen Ausbruch rechnen.

Wie geht das?

Lichtquelle, Kamera, eine Technik zur Vergrößerung plus Immersionsöl, um kontrastsenkende Reflexionen zu reduzieren (Brechungsindexwechsel Luft/Haut): Das braucht man für die Kapillarmikroskopie. Wichtig ist die kalibrierte Skalierung, denn die Messung der Kapillardichte lässt sich nur in einem definierten Bereich auswerten. Untersucht wird die Nagelfalz aller langen Finger beider Hände. Es empfiehlt sich, in jedem Finger vier Abschnitte à 1 mm oder ein Panorama zu dokumentieren, um nichts zu übersehen und Schwankungen auszugleichen.

Die Methode hilft Dermatologen und Rheumatologen auch, wenn zunächst Komorbiditäten wie eine pulmonale Hypertonie oder Ösophagusmotilitätsstörungen auf eine innere Beteiligung der systemischen Sklerose hindeuten, aber die Haut noch keinen typischen Befund aufweist. Im Falle einer manifesten systemischen Sklerose raten die Autoren zu jährlichen Kontrollen und bei Verschlechterungen (weiter abnehmende Gefäßdichte, verändertes Muster) zu weiterführenden Untersuchungen.

Automatisiertes Verfahren für das Screening geeignet

Die Dichte der Kapillaren als solidester Prädiktor lässt zudem Rückschlüsse auf drohende digitale Ulzerationen, Organkomplikationen und Mortalität zu. Nach einer Stammzelltransplantation bessert sich der Befund, die Technik eignet sich damit ebenso zur Verlaufskontrolle nach der Intervention. Auch andere Kollagenosen führen zu pathologischen Kapillarmorphologien, allerdings in bunter Vielfalt. Daraus ließen sich bisher noch keine klaren Muster ableiten, auffällige Befunde sollten aber immer Anlass zur weiteren Diagnostik geben. Mithilfe einer automatisierten Erfassung und Auswertung kann man die Kapillarmikroskopie in den nächsten fünf Jahren sicherlich als Screeninginstrument für (alle) Kollagenosen verwenden, spekulieren die Autoren. Möglicherweise gelingt es dann auch, eine systemische Sklerose früher zu erkennen und die Prognose zu bessern.

Quelle: Sander O, Sunderkötter C. „Kapillarmikroskopie – wann, wie und wofür?“, Akt Dermatol 2020; 46: 143-147; DOI: 10.1055/a-1072-6739 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York