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Karriere bei Polizei, Feuerwehr oder Airlines mit Diabetes

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Insulinbehandelte Piloten mit kontinuierlichem Glukose-Monitoring könnten ein Flugzeug durchaus sicher fliegen, heißt es in der Pilotenstudie. Insulinbehandelte Piloten mit kontinuierlichem Glukose-Monitoring könnten ein Flugzeug durchaus sicher fliegen, heißt es in der Pilotenstudie. © iStock/RichVintage
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Mit Diabetes zur Feuerwehr, in den Polizeidienst oder Berufspilot werden? Das geht alles, sagt ein Diabeto­loge. Moderne Technologien wie das kontinuierliche Glukose-Monitoring und automatische Insulinabgabesysteme machen es möglich.

Der 25-Jährige hat seine Ausbildung für den Polizeidienst erfolgreich abgeschlossen, nun soll er ins Beamtenverhältnis übernommen werden. Kurz bevor es soweit ist – wird bei ihm Typ-1-Diabetes festgestellt. Wie geht es weiter für den jungen Mann, was bedeutet diese Diagnose für die berufliche Laufbahn des angehenden Polizisten? Schließlich soll er im Dienst eine Waffe tragen und Einsatzfahrzeuge lenken, er wird im Wechsel- und Schichtdienst arbeiten und Krisensituationen meistern müssen.

Am meisten gefürchtet bei den Tätigkeiten in kritischen Berufen sind Hypoglykämien und Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen, erläuterte Dr. ­Friedrich ­Petry, Diabetologe in der Internistischen Gemeinschaftspraxis Wetzlar. Denn sie können zur Selbst- und Fremdgefährdung oder zum Kontrollverlust in bestimmten Situationen führen. Seiner Einschätzung nach ist es aber nicht mehr zeitgemäß, Menschen mit Diabetes pauschal von bestimmten Tätigkeiten oder Laufbahnen auszuschließen.

„Heute ist vieles machbar, was früher unmöglich war“

Dass Diabetiker inzwischen in kritischen Bereichen tätig sein können, ist der modernen Technik zu verdanken, erklärte der Referent. „Mit ihr ist heute vieles machbar, was früher unmöglich war“, so Dr. Petry. Folgende Technologien sind zurzeit verfügbar:

  • kontinuierliches Glukose-Monitoring (CGM) über Glukosesensor und Insulinpumpen (SuP), ohne dass der Sensor Einfluss auf die Insulinabgabe nimmt
  • gekoppelte Systeme, die sich bei einer Hypoglykämie oder kurz davor automatisch abschalten (SuP mit Hypoglykämieabschaltung)
  • Geräte mit automatischer Insulin­anpassung (Hybrid-AID*)
  • automatisierte Insulinabgabesys­teme, die mit künstlicher Intelligenz gesteuert werden (Advanced Hybrid-AID)

All das sind technische Errungenschaften, mit denen es immer besser gelingt, gute Resultate hinsichtlich der Zeit im Glukosezielbereich (Time in Range, TIR) bei zugleich geringem Hypoglykämierisiko und niedriger Glukosevariabilität zu gewährleisten, beschrieb Dr. ­Petry.

Mehr als 85 % der Zeit im Glukosezielbereich

Ganz besonders gilt das für die Advanced-Hybrid-AID-Systeme, bei denen der Algorithmus kontinuierlich dazulernt und sich selbstständig dem Stoffwechsel und den Lebensgewohnheiten des Trägers anpasst. Bei einem Blutglukosewert, der den Zielbereich überschreitet, werden automatisch Mikroboli abgegeben, gleichzeitig die Basalrate angepasst, erläuterte der Referent. Sobald der Zielbereich unterschritten zu werden droht, drosselt das System die Insulinzufuhr automatisch. Eventuell erfolgt dann auch ein Alarm, der den Träger auffordert, seinem Körper Kohlenhydrate zuzuführen. Mit diesen Systemen lässt sich eine TIR von über 85 % erreichen, so der Referent.

In den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung aus dem Jahr 2000 heißt es, dass es insulinbehandelten Diabetikern in der Regel nicht möglich sei, „den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Gruppe 2 gerecht zu werden.“ Die Verfasser der Leitlinie von 2014 hingegen sehen­ „gut eingestellte und geschulte Menschen mit Diabetes“ dazu sehr wohl in der Lage. Nachzuweisen für die Eignung ist grundsätzlich eine stabile Stoffwechselführung über drei Monate, erläuterte der Diabetologe.

Neue Risikobeurteilung für kritische Berufe vonnöten

Auch in anderen Berufsgruppen kündigen sich Veränderungen an. Dr. ­Petry verwies auf die sogenannte Pilotenstudie, die im vergangenen Jahr vorgestellt wurde. Insulinbehandelte Piloten mit kontinuierlichem Glukose-Monitoring (CGM) könnten ein Flugzeug durchaus sicher fliegen, heißt es darin. Der britischen Untersuchung zufolge hätten 98 % der ermittelten Blutglukosewerte keinerlei Anlass zu Bedenken gegeben, wusste Dr. ­Petry zu berichten, nur 0,14 % der Messwerte hätten im kritischen roten Bereich gelegen.

„Wir brauchen dringend eine neue Risikobeurteilung für die Eignung von Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes in kritischen Berufen“, forderte der Diabetologe. Als unerlässlich für eine objektive Bewertung sieht er ein strenges Protokoll für diese Untersuchungen, die zuverlässige Anwendung von CGM und AID, regelmäßige Stoffwechselkontrollen und strenge Zielwerte.

Doch die Anwender müssen sich vor blindem Vertrauen in die Technik hüten, ganz gleich ob sie in kritischen Bereichen tätig sind oder nicht. Denn die Apparate können ihren Dienst auch einmal komplett versagen oder etwas Falsches anzeigen, mahnte der Experte, etwa wegen einer Fehlfunktion oder wegen elektromagnetischer Interferenzen. Und auch wenn die Alarmfunktionen nerven – sie dürfen niemals abgeschaltet werden.


* adjusted insulin delivery

Quelle: 55. Kongress der DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft; Online-Veranstaltung)