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Keine kognitiven Defizite bei spinaler Muskelatrophie

Autor: Dr. Judith Lorenz

Klinisch manifestiert sich die Erkrankung mit einer progressiven proximalen Muskelschwäche und -atrophie. (Agenturfoto) Klinisch manifestiert sich die Erkrankung mit einer progressiven proximalen Muskelschwäche und -atrophie. (Agenturfoto) © iStock/SolStock
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Was die kognitive Leistung angeht, unterscheiden sich Patienten mit spinaler Muskelatrophie nicht von Gesunden. Darauf weisen die Ergebnisse einer deutschen Studie hin.

Bei der spinalen Muskelatrophie (SMA) degenerieren infolge einer Mutation des SMN(Survival Motor Neuron)-Proteins die unteren Motoneurone im Rückenmark und in den Hirnstammkernen. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung mit einer progressiven proximalen Muskelschwäche und -atrophie. Auf die kognitive Leistungsfähigkeit wirkt sie sich jedoch offenbar nicht negativ aus, berichten Forscher um Lucas Mix von der Abteilung für Neurologie der Universität Ulm.

Sie unterzogen 31 Patienten im Alter zwischen 19 und 64 Jahren, welche an einer SMA Typ II oder III litten, verschiedenen neuropsychologischen Tests (Sprache, Sprachfluss, exekutive Funktionen, Gedächtnis, räumliche Vorstellung). Die soziale Kognition prüften sie mithilfe des „Reading the Mind in the Eyes Test“, bei welchem abgebildeten Augenpaaren die korrekten Emotionen zugeordnet werden müssen.

In manchen Tests sogar besser abgeschnitten

Die SMA-Patienten schnitten in keiner der kognitiven Kategorien signifikant besser oder schlechter ab als die 19 neurologisch gesunden Kontrollen. Auch die Typ-II- und die Typ-III-Patienten unterschieden sich diesbezüglich nicht. Die Typ-II-Patienten erzielten allerdings tendenziell bessere Ergebnisse im Bereich soziale Kognition. SMA-Patienten mit schlechteren motorischen Fähigkeiten wiesen bessere Exekutivfunktionen auf. Die krankheitsbedingte Verringerung des auch im Hirngewebe exprimierten SMN-Proteins scheint sich nicht ungünstig auf die geistige Gesundheit von SMA-Patienten auszuwirken, so das Fazit der Experten.

Vermutlich bleiben die in der Kindheit und Jugend erworbenen kognitiven Fähigkeiten auch im Erwachsenenalter erhalten. Den inversen Zusammenhang zwischen den Exekutivfunktionen und der Erkrankungsschwere führen sie darauf zurück, dass diese psychischen Fähigkeiten – z. B. Problemlösung, Denkflexibilität, Anpassung an sich verändernde Umstände – beim Coping mit der körperlichen Behinderung eine wichtige Rolle spielen und daher ggf. besonders stark „trainiert“ werden.

Quelle: Mix L et al. Orphanet J Rare Dis 2021; 16: 10; DOI: 10.1186/s13023-020-01661-9