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Ausgekugelte Schulter Keine langwierige Physiotherapie erforderlich

Autor: Alexandra Simbrich

Eine mehrmonatige Physiotherapie scheint nach einer traumatischen Schulterluxation keine klaren Vorteile zu bieten. Eine mehrmonatige Physiotherapie scheint nach einer traumatischen Schulterluxation keine klaren Vorteile zu bieten. © therads – stock.adobe.com
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Eine ausgekugelte Schulter wird zunächst meist konservativ behandelt – sofern es sich um die erste Verletzung dieser Art handelt. Ob dabei eine mehrmonatige Physiotherapie mehr bewirkt als ein Training, das der Patient nach Unterweisung eigenständig durchführt, ist unklar. Prof. Dr. ­Rebecca ­Kearney von der Universität Bristol und Kollegen untersuchten, wie die beiden Strategien im Vergleich abschneiden.

An 40 Zentren des Vereinigten Königreichs rekrutierte das Team Erwachsene, die sich erstmalig eine traumatische Schulterluxation zugezogen hatten (66 % männlich, durchschnittliches Alter 45 Jahre). Alle 482 Patienten wurden zunächst orthopädisch betreut und erhielten eine Armschlinge.

Einstündige Anleitung durch Physiotherapeuten

Innerhalb von sechs Wochen kamen sie zur Erstvorstellung bei einem Physiotherapeuten. Im Rahmen dieses einstündigen Termins wurden alle Patienten über Möglichkeiten zum Selbstmanagement aufgeklärt, bekamen Übungen und Hilfsmittel gezeigt und erhielten einen Trainingsplan. Im Anschluss daran wurden 240 Patienten nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und ein weiteres Mal beraten. Die übrigen 242 absolvierten stattdessen vier Monate lang maßgeschneiderte Physiotherapiesitzungen, jeweils à 30 Minuten (Interventionsgruppe). Primärer Endpunkt war das Ergebnis im Oxford Shoulder Instability Score (OSIS) nach sechs Monaten Training. Auf einer Skala von 0 (schlechteste Funktion) bis 48 (beste Funktion) stuften die Patienten die Stabilität ihrer Schulter ein.

In der reinen Beratungsgruppe lag der durchschnittliche OSIS nach sechs Monaten bei 36,2 Punkten, in der Interventionsgruppe bei 38,4 Punkten. Zwar zeigte sich zu allen Untersuchungszeitpunkten im OSIS ein mittlerer Unterschied von 1,5 Punkten zugunsten der Physiotherapie. Die Differenz war jedoch  in keinem Fall signifikant. Zudem betrug der Unterschied nie mehr als 4 Punkte und hatte somit klinisch keine Bedeutung, schreiben Prof. Kearney und Kollegen. Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte, darunter  ­QuickDASH* sowie der allgemeine Gesundheitszustand und potenzielle Komplikationen, gab es kaum Differenzen. Obwohl während der Nachbeobachtungszeit etwa jeder vierte Teilnehmer verloren ging, erbrachte die Sensitivitätsanalyse ähnliche Ergebnisse.

Ein zusätzliches, individuell zu­geschnittenes Physiotherapie­programm bringt allenfalls einen minimalen Vorteil gegenüber der alleinigen Beratung, so das Fazit der Autoren. Sie empfehlen daher, die Strategien zum Selbstmanagement zu optimieren. Allerdings betonen sie auch, dass Physiotherapie unter fachkundiger Anleitung in manchen Fällen durchaus angebracht sein kann.

* Quick-Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand

Quelle: Kearney RS et al. BMJ 2024; 384: e076925; DOI: 10.1136/bmj-2023-076925