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Kicken, Springen und Drehbewegungen können zu Leistenschmerzen führen

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Die Schmerzen können ein- oder beidseitig auftreten. Die Schmerzen können ein- oder beidseitig auftreten. © kentoh – stock.adobe.com
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Klagt ein Patient über aktivitätsbezogene Leistenschmerzen, helfen zwei Schritte bei der Diagnose: Fragen Sie nach ausgeübtem Sport und lassen Sie ihn ohne Hose husten.

Jung, gesund, sportlich – die meis­ten Ihrer Patienten würden Sie vermutlich nicht so beschreiben. Nun kommt ein Mann Anfang 30 zu Ihnen in die Sprechstunde und klagt über regelmäßige Schmerzen in der Leistengegend. Vor allem nach dem Fußballtraining und morgens beim Aufstehen zwickt es. Diese wenigen Angaben reichen Ihnen, um das Problem einzugrenzen. Bleibt die Frage: Sportlerleiste oder Hernie?

Als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal nennen die Chirurgin Rachel­ Rolph­ vom Guys and St. Thomas NHS Foundation Trust in London und ihre Kollegen die tastbare Beule im Fall einer Hernie, die vor allem beim Husten erkennbar wird. Am besten lässt sich das überprüfen, während der Patient steht. Treibt dieser aktiv Sport, gibt die Disziplin weitere Hinweise: Zu Einrissen in der Falx inguinalis, den Mm. obliqui und dem Leistenband – laut den Autoren die klassische Sportler- oder auch Gilmore-Leiste – kommt es häufig in Sportarten, in denen die Athleten viel springen, sich drehen oder Kickbewegungen ausführen.

Hauptsächlich junge Männer sind betroffen

In den allermeisten Fällen werden Sie es mit jungen Männern Mitte/Ende 20 zu tun haben, die etwa Tennis, Fußball oder Hockey (semi-)professionell betreiben. Aber auch Freizeitsportler kann es erwischen. Wer betroffen ist, klagt über Schmerzen im unteren Abdomen und der Inguinalregion nahe dem Schambeinhügel, die nach Aktivität zunehmen. Einfaches Aufrichten, Husten oder Niesen können die Schmerzen ebenfalls verstärken.

Manchmal strahlen die Beschwerden ins Perineum und den medialen Oberschenkel aus oder kreuzen die Mittellinie. Jeder fünfte Patient hat Probleme auf beiden Seiten, bei jedem dritten ging eine akute Verletzung voraus. Klagt Ihr Patient jedoch über Schmerzen unterhalb des Leis­tenbandes oder strahlen diese ins Gesäß, sollten Sie an Erkrankungen der Hüftregion denken (s. Kasten) – oder eben an die Hernie.

Wo es sonst noch klemmen kann

  • Osteitis pubis
  • Adduktorenverletzungen
  • pubische Symphysitis
  • Stressfraktur z.B. der Schambeinäste
  • Verletzungen des Oberschenkels

Bei der Untersuchung fallen typischerweise ein Druckschmerz und die Dilatation des oberflächlichen Leistenrings auf. Eventuell lassen sich ein Druckschmerz auch über dem Schambeinhügel, am Ansatz der Falx inguinalis, und eine tastbare Spannung über dem tiefen Inguinalring feststellen. Vorsicht: Die Palpation kann die Symptome triggern. Deuten Anamnese und klinische Untersuchung auf eine weiche Leiste hin, sollten Sie Ihren Patienten gut über die Verletzung aufklären. Er muss wissen, dass seine Beschwerden auf einer Überlastung der Muskeln und Sehnen in der Leistengegend beruhen. Das bedeutet zuallererst: Sportpause. Mit konservativen Maßnahmen bekommt man die Schmerzen in der Regel gut in den Griff. NSAR und Physiotherapie können die Heilung unterstützen. In der Krankengymnastik stärkt der Patient vorrangig seine Adduktoren und Bauchmuskeln und gleicht mögliche Instabilitäten im Beckengürtel aus. Über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen kann er dann Schritt für Schritt zu seinem üblichen Training zurückkehren. Den Sportmediziner oder Orthopäden braucht es nach Einschätzung der Autoren erst, wenn die Diagnose unklar bleibt, eine Hernie ausgeschlossen wurde oder konservative Ansätze keinen Erfolg zeigen. Profis und stark beeinträchtigte Patienten profitieren eventuell von einer frühen Behandlung beim Facharzt. In manchen Fällen wird eine OP nötig, um das geschwächte Gewebe zu stärken. Einige spezialisierte Zentren setzen auch Steroide oder Injektionen mit plättchenreichem Plasma ein. Die Evidenz dafür ist jedoch gering.

Quelle: Rolph R et al. BMJ 2020; 368: m559; DOI: 10.1136/bmj.m559