Eltern ins Boot holen Kinderdurchfall: Bessere Versorgung dank digitaler Unterstützungssysteme
Hat der Nachwuchs Durchfall, fordern Eltern oft ausführliche diagnostische Tests, die aus ärztlicher Sicht meist wenig Nutzen versprechen.
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Infektiöse Durchfallerkrankungen bei Kindern sind ein massives Gesundheitsproblem: Die Zahl der jährlichen Erkrankungsfälle beläuft sich weltweit auf 1,7 Milliarden, etwa 450.000 Kinder sterben daran. Da ist es nachvollziehbar, dass für Eltern und Behandelnde eine bestmögliche Versorgung der Erkrankten im Fokus steht. Die Multiplex-PCR ermöglicht z. B. eine schnelle Erregeridentifikation. Allerdings rutscht man damit schnell in die Überdiagnostik, was einen unangemessenen Antibiotikaeinsatz und hohe Gesundheitskosten zur Folge haben kann, schreibt ein Team um Dr. Anna Jones von der University of Utah School of Medicine, Salt Lake City. Dem gegenüber steht das Risiko, eine Erkrankung nicht oder falsch zu behandeln, wenn Tests ausbleiben.
Klinische Entscheidungsunterstützungssysteme (Clinical Support Decision Tools, CDST) unterstützen bei Diagnostik und Therapiewahl, indem der Algorithmus die übermittelten Informationen mit seinen Trainingsdaten abgleicht. In einer Studie interviewten die Forschenden 44 Eltern (91 % Frauen), 11 Ärztinnen und 5 Ärzte zu ihren Erwartungen an die Versorgung von pädiatrischen Durchfallkranken – mit Fokus auf Diagnostik und dem Einsatz von CDST. Die Teilnehmenden rekrutierten sie über Bereitschaftspraxen.
Drei Gründe führen Eltern mit dem Kind in die Praxis
In den individuellen Interviews identifizierten die Forschenden drei treibende Gründe, die Eltern mit erkrankten Kindern in die Praxen geführt hatten: Sie suchten medizinische Hilfe vor allem
- zur Beruhigung,
- um die Ursachen des Durchfalls zu verstehen und
- um diesen angemessen behandeln zu lassen.
Diagnostische Tests sahen sie dafür als geeignet an. Einige fanden, der Arzt bzw. die Ärztin spekuliere andernfalls nur. Behandelnde hingegen hielten den Nutzen der Tests für zu hoch bewertet. Zum Teil ordneten sie die Tests dennoch an, um die Eltern zu beruhigen.
Der Einsatz von CDST könnte die Spannungen zwischen Eltern und Behandelnden abmildern, so das Autorenteam. Innerhalb der Ärztegruppe schätzte man die unmittelbare Unterstützung durch eine „objektive“ evidenzbasierte Zweitmeinung bei der Entscheidungsfindung, um den Familien Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln. Nichtsdestotrotz äußerten sich die Fachkräfte kritisch demgegenüber, wie gut ein breit einsetzbares Tool spezifische individuell evtl. relevante Symptome erfassen kann.
In einem Kommentar betont Dr. Karen Coffey von der University of Maryland School of Medicine in Baltimore die Rolle von CDST für eine situationsangepasste Diagnostik, die auch den Einsatz von Antibiotika optimieren kann. Für gewöhnlich vernachlässigen solche Tools jedoch die Präferenzen der Betroffenen. Die Arbeit von Dr. Jones und Team zeige, dass der Einbezug der Eltern deren Beteiligung an der Entscheidungsfindung erhöhen kann.
Quelle: 1. Jones A et al. JAMA Netw Open 2025; 8: e2531000; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.31000
2. Coffey KC. JAMA Netw Open 2025; 8: e2531006; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.31006