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Reha bei MS Kognition lässt sich trainieren

Autor: Joachim Retzbach

Kognitive Rehabilitation führt bei MS-Patienten zu guten Behandlungseffekten. Kognitive Rehabilitation führt bei MS-Patienten zu guten Behandlungseffekten. © PixelGallery – stock.adobe.com
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Fast jeder zweite MS-Patient mit schubförmig remittierender Verlaufsform leidet an kognitiven Einbußen. Von denjenigen mit primär progredienter MS sind es 90 %. Alltagsprobleme, die aus körperlichen Defiziten resultieren, werden durch die kognitiven Einschränkungen verstärkt, sagte Prof. Dr. ­John ­DeLuca von der Rutgers New Jersey Medical School, Newark.

Wie viele andere Symptome der Multiplen Sklerose fallen auch kognitive Einschränkungen sehr heterogen aus. Meistens leiden die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Merkfähigkeit. Weitere Symptome können u.a. eine verminderte Sprechflüssigkeit, eine beeinträchtigte visuell-räumliche Verarbeitung und gestörte Exekutivfunktionen sein.

Die kognitive Leistungsfähigkeit sagt den weiteren Krankheitsverlauf vorher: Patienten mit frühen Einbußen gehen mit höherer Wahrscheinlichkeit in eine progrediente Erkrankungsform über, haben eine stärkere Behinderungsprogression und eine kürzere Lebenserwartung. Daher braucht es eine frühzeitige neuropsychologische Diagnostik und Behandlung, so Prof. DeLuca.

Klinische Einschätzung ist unzuverlässig

Als Screeningtool für die Verarbeitungsgeschwindigkeit eignet sich der Symbol Digit Modalities Test. Die bloße klinische Einschätzung reicht nicht aus – damit liegt man nicht über der Ratewahrscheinlichkeit. Auch die Aussagen der Patienten korrelieren nur schwach mit objektiven Testergebnissen. Klagen über kognitive Einbußen scheinen vielmehr ein Ausdruck von Stress und Sorgen der Betroffenen zu sein.

Vor allem die kognitive Rehabilitation bringt dem Referenten zufolge konstant gute Behandlungseffekte hervor. Das meist computergestützte Training verbessert einer Metaanalyse und einem Cochrane-Review zufolge die subjektive Gedächtnisleistung der Patienten, das verbale und das visuelle Gedächtnis, das Arbeitsgedächtnis und die Verarbeitungsgeschwindigkeit. Zwei systematische Reviews belegen zudem eine erhöhte Neuroplastizität nach kognitiver Rehabilitation. Die Lebensqualität der Patienten steigt ebenfalls.

Meist nur Daten für kurze Follow-up-Zeiträume

Allerdings schränkte Prof. ­DeLuca ein, dass die meisten Daten für kurze Follow-ups vorliegen und sich dort die größten Effekte zeigten. Mit zunehmendem Abstand von der Intervention nehmen die Zahl der Studien und die beobachtete Effektgröße ab.

Neben geistigem Training hilft Sport der Kognition auf die Sprünge. Dieser Effekt ist vor allem für aerobe­ Aktivität belegt, aber insgesamt weniger deutlich als für die kognitive Rehabilitation, berichtete Prof. DeLuca.

Bestenfalls als „uneinheitlich“ bewertete er die Wirkung einer immunmodulatorischen MS-Therapie auf die kognitiven Fähigkeiten. Die meisten positiven Ergebnisse stammen aus Beobachtungsstudien. Laut einer aktuellen Metastudie verbessern Immunmodulatoren nur dann die Kognition, wenn sie die Hirn­atrophie aufhalten. Die Entwicklung der MRT-bestätigten Hirnläsionen spielt dagegen keine Rolle.

* ECTRIMS/ACTRIMS: European / Americas Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis

Quelle: 9th Joint ECTRIMS-ACTRIMS* Meeting