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Lumbale Spinalkanalstenose Lumbalstenose anhand der Symptome diagnostizieren

Autor: Dr. Andrea Wülker/Dr. Susanne Gallus

Durch degenerative Prozesse verengt sich der Spinalkanal. Dies kann zu einer Kompression von Nerven und Gefäßen führen. Durch degenerative Prozesse verengt sich der Spinalkanal. Dies kann zu einer Kompression von Nerven und Gefäßen führen. © Judith – stock.adobe.com
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Parästhesien in den Beinen oder Schmerzen nach längerem Stehen? Keine längeren Gehstrecken mehr möglich? Wenn über 50-Jährige über diese Beschwerden klagen, sollten Sie an eine lumbale Spinalkanalstenose denken.

Etwa jeder Zehnte – darunter vor allem ältere Menschen – hat mit einer lumbalen Spinalkanalstenose zu kämpfen. Die daraus resultierenden Schmerzen, beispielsweise in den Beinen und Probleme beim Gehen, schränken je nach Intensität die Betroffenen im Alltag immens ein. Was auch auf deren Stimmung drückt, schreiben Professor Dr. Rikke­ Krüger­ Jensen­ von der University of Southern Denmark in Odense und ihre Kollegen.

Woher kommen die Beschwerden?

Möglich sind sowohl altersassoziierte degenerative Prozesse an Bandscheiben als auch Veränderungen an Knochen- und Weichteilgewebe, wie eine Facettengelenkarthrose oder eine Hypertrophie des Ligamentum flavum. Allen gemein ist, dass es durch die degenerative Wirbelsäulenveränderung zur Verengung des zentralen Spinalkanals kommt, die sich auf den lateralen Recessus oder die intervertebralen Foramina auswirkt und eine Kompression und/oder Ischämie von Nerven und Gefäßen bedingen kann.

Typischerweise haben Betroffene Schmerzen im Gesäß und/oder in den Beinen („Claudicatio spinalis“), was zu deutlichen Einschränkungen führt, da die Beschwerden beim Gehen oder längeren Stehen zunehmen. Vorwärtsbeugen und Sitzen lindern dagegen die Symptomatik. Zudem bringen z.B. oft auch Einkaufs­wagen oder Fahrräder Erleichterung. Die Fußpulse sind für gewöhnlich bds. normal tastbar.

Beidseitige Schmerzen, manchmal begleitet von Parästhesien oder einer Schwäche in der Muskulatur von Gesäß, Ober- oder Unterschenkel(n) sowie tief sitzenden Rückenschmerzen, sprechen für eine zentrale lumbale Spinalkanalstenose. Die Intensität ist variabel und reicht von leichten Einschränkungen bis zur Gehunfähigkeit. Bei lateralen Stenosen (Recessus lateralis oder der Foramina) sind einzelne Stränge betroffen und es kommt zu Radikulopathien mit spezifischeren ein- oder beidseitigen Verteilungsmustern von Schmerz und Parästhesie. Allerdings liegen nicht immer nur singuläre Radikulopathien vor, es gibt auch Kombinationen.

Braucht es zur Diagnose eine Bildgebung?

Insbesondere bei älteren Patienten (über 50 Jahre) können die bereits beschriebenen klinischen Symptome wegweisend sein. Ein klares Indiz geben Beschwerden im Gesäß und/oder in den Beinen, die bei Extension zu- und bei Flexion abnehmen. Man kann zudem versuchen, die Symptome zu triggern. Dazu bittet man den Patienten, 30 Sekunden lang eine Position einzunehmen, in der die Wirbelsäule gestreckt wird.

Eine neurologische Untersuchung bleibt zunächst meist unauffällig. Hellhörig sollte man werden, wenn der Patient von Störungen beim Gehen berichtet. Muskelschwäche, fehlende Sehnenreflexe und sensorische Ausfälle sprechen schon für eine schwere Erkrankung. Treten Harnretention bzw. verminderter Tonus des Analsphinkters auf, was auf ein Cauda-equina-Syndrom hinweist, muss umgehend zum Spezialisten überwiesen werden.

Zur Tomographie, wenn eine OP im Raum steht

Von einer Bildgebung im Rahmen der initialen Abklärung raten die Autoren ab. Sie könne zwar die klinische Diagnose lumbale Spinalkanalstenose (LSS) bestätigen, sei aber kein starkes dia­gnostisches Instrument. Bisher ließ sich nicht eindeutig zeigen, dass die Befunde mit Symptomatik oder Ausprägungsgrad korrelieren. Beispielsweise konnte man in einer Studie bei jedem zehnten asymptomatischen Patienten radiologische Zeichen einer LSS feststellen; bei den über 60-Jährigen war es sogar nahezu jeder dritte. Anders sieht die Situation natürlich aus, wenn eine OP erwogen wird – in diesen Fällen sollte eine MRT der Lendenwirbelsäule oder eine CT erfolgen.

Die Therapie gestaltet sich individuell entsprechend der Symptome und der Situation, in der sich der Patient befindet, bzw. welche Ansprüche dieser stellt. Begonnen wird in der Regel konservativ mit angeleiteten Übungen und manueller Therapie inkl. Wirbelsäulenmobilisation und -manipulation. Einigen Studien zufolge führt dies zu besseren Ergebnissen als selbstständig oder in Gruppen durchgeführte Übungen. Wie lange die Wirkung anhält, weiß man bisher nicht genau.

Bei den Schmerzmedikamenten ist Zurückhaltung geboten, da man vor allem bei Älteren die Nebenwirkungen nicht unterschätzen sollte und es keine gute Evidenzlage für ihre Wirksamkeit gibt. Patienten mit schweren Symptomen, neurologischen Defiziten oder Schmerzen, die trotz konservativer Therapie über drei bis sechs Monate anhalten, sollten an einen Wirbelsäulen-Experten überwiesen werden.

Quelle: Krüger Jensen R et al. BMJ 2021; 373: n1581; DOI: 10.1136/bmj.n1581